Reisen

Jakobsweg (2022)

Etappe 8: Mos – Ponte Sampaio

Nach einer absolut fürchterlichen Nacht packte ich komplett durchgefroren meine Sachen zusammen und machte mich fertig. Kevin hat generell eine bessere Kälteresistenz und einen tieferen Schlaf. Gepaart mit dem dickeren Schlafsack war er im Gegensatz zu mir eigentlich ganz gut erholt. Immerhin gab es einen kleinen Lichtblick: Direkt gegenüber von der Herberge befand sich ein Frühstückslokal. Auf dem Schild waren mehrere Köstlichkeiten abgebildet, die man dort frühstücken sollte. Außerdem stand drauf, dass es um 07:00 Uhr öffnen würde. Nach einem guten Frühstück sind die Strapazen der Nacht sicherlich vergessen. Pustekuchen. Natürlich war das Lokal zu und würde auch im Laufe des Tages nicht öffnen, weil… ja warum eigentlich? Keine Ahnung. Als wir uns also auf den Weg machen wollten, fiel Kevin noch etwas ganz anderes auf: Seine Wanderstöcke waren weg! Nach kurzem Grübeln kamen wir zu dem Schluss, dass er sie gestern wahrscheinlich beim Check-in an der Rezeption liegen gelassen hatte. Diese befand sich in einem Nachbargebäude, in dem sich auch das Restaurant befand. Eine ältere Dame beobachtete uns neugierig und ich nutzte ihre Neugierde direkt aus indem ich sie ansprach und fragte ob sie wüsste ab wann das Gebäude öffnen sollte. Sie gab mir zu verstehen, dass um 08:00 Uhr jemand dort sein sollte. Das war noch eine gute Dreiviertelstunde. Auch Ralph hatte unseren verzweifelten Start in den Tag bemerkt und bot und zurück in der Herberge zunächst einmal einen warmen Tee an. Immerhin etwas zum aufwärmen! Dankbar nahmen wir das Angebot an. So saßen wir noch gemeinsam bis kurz vor 8 in der Küche und unterhielten uns. Zum Glück sollte die Dame recht behalten, denn tatsächlich erschien gegen 08:00 Uhr ein Mann um das Nachbargebäude aufzuschließen. Entweder hatte er sich uns gemerkt, oder es hatte sich bereits herumgesprochen, aber als wir auf ihn zukamen begrüßte er uns mit: “Die Wanderstöcke, nicht wahr?”. Ich nickte und so bekam Kevin seine Wanderstöcke zurück und es konnte los gehen.

Unterwegs trafen wir dann auch Ralph wieder, der mit seinem Karren deutlich schneller unterwegs war als wir. Kurz darauf entdeckten wir auch schon gemeinsam ein Café und beschlossen zusammen zu frühstücken. Ralph war ein richtiger Veteran was den Jakobsweg angeht. Er ist ihn bereits mehrfach gelaufen und das nicht nur die Strecken in Spanien und Portugal, sondern z.B. auch die Via Baltica im deutschen Jakobswegenetz. In dem Café bekamen wir zudem auch wieder wirklich schöne Stempel in Form eines Meilensteins vom Jakobsweg. Nach einer Weile machte Ralph sich wieder los. Da er mit dem Wagen mobiler war als wir, legte er auch mehr Kilometer am Tag zurück. So hatte er vor heute 30km weit zu kommen, deutlich weiter als wir. Er verabschiedete sich also von uns und machte sich auf den Weg. Wir blieben noch etwas sitzen und ließen in Ruhe unser Frühstück ausklingen bevor wir unsere Rucksäcke aufsetzten und ebenfalls weiter zogen.

Unterwegs passierten wir die Stadt Redondela. Etwas abseits befand sich eine hübsche Kirche die wir uns anschauen wollten. Obwohl es dunkel war, war die Tür geöffnet und wir traten ein. Nach einigen Minuten kam eine Novizin aus der Sakristei raus und schaltete das Licht für uns ein. Sie war generell sehr freundlich und wollte unbedingt wissen wo wir her kamen. Als sie erfuhr, dass wir aus Deutschland seien, erzählte sie uns von einem Partnerkloster in Tübingen wo sie selbst schon einmal zu Besuch gewesen sei und wo es ist sehr gefallen hat. Wir unterhielten uns noch für ein paar Minuten und bekamen auch wieder Stempel. Auch hier war ich wirklich froh endlich wieder Spanisch sprechen zu können. Von Redondela aus ging es weiter in Richtung Arcade. Da es Mittagszeit war, hielten wir in einer Tapas Bar. Kevin bestellte sich eine wirklich gute Tortilla und ich hatte einen etwas billig wirkenden Thunfischsalat.

Nachdem wir auch diese Stadt durchquert hatten, erreichten wir unser heutiges Etappenziel: Ponte Sampaio. Dies war eine alte Stadt mit engen Gassen direkt am Wasser gelegen, auch wenn davon gerade nicht viel da war, da gerade Ebbe war. In einer der engen Gassen trafen wir auch Li wieder, der mal wieder in der örtlichen Herberge untergekommen war und gerade dabei war den Ort zu erkunden.

Aufgrund der Strapazen der letzten Nacht hatte ich am Vortag ein Hotelzimmer für uns reserviert. Das Hotel befand sich etwas abseits, war aber verhältnismäßig luxuriös. Nur das Personal war etwas merkwürdig. Von mir aus wäre es kein Problem gewesen wenn das Personal zwar kein Englisch aber dafür Spanisch sprechen würde. Stattdessen redete die mittelalte Dame an der Rezeption ausschließlich Galicisch und obwohl ich mir sichtlich Mühe gab mir die Bedeutung ihrer Wörter aus dem Spanischen herzuleiten, verdrehte sie jedes Mal genervt die Augen wenn wir sie nicht verstanden. Immerhin hatten wir ein eigenes Zimmer, mit eigener Dusche und sogar mit einer Heizung! Das Hotel hatte recht viele Stockwerke und trotzdem war außer uns nur noch ein weiterer Gast da, ein dicklicher Mann, der auf Geschäftsreise zu sein schien. Auf dem Dach des Hotels befand sich eine ziemlich coole Dachterrasse, auch wenn die Bar Corona-bedingt zu hatte. Wir kauften uns also an der Tankstelle direkt neben dem Hotel etwas zu trinken und setzten uns damit einfach auf die Dachterrasse, wo wir die letzten Sonnenstrahlen des Tages genossen. Auf einem Hügel neben dem Hotel stand ein imposanter Aufsteller in Form eines spanischen Stiers. Wir wussten nicht so genau warum er sich da befand, aber es sah cool aus.

Zu Abend aßen wir im Hoteleigenen Restaurant. Es dauerte ein paar Minuten begleitet vom erneuten genervten Augenrollen der Angestellten, die Gleiche wie vorhin an der Rezeption, bis wir verstanden hatten was für Essen sie heute hatten, denn eine Karte existierte offenbar nicht. So bekamen wir beide eine klare Nudelsuppe und Kevin hatten ein Steak mit Pommes und ich ein Fischfilet mit Kartoffeln. Es war nichts weltbewegendes, aber es reichte um satt zu werden. Unter anderen Umständen hätte ich mich an dieser Stelle wahrscheinlich groß über die fürchterliche Angestellte aufgeregt, aber als ich am Abend nach einer heißen Dusche im kuschelig warmen Bett lag war all das direkt verflogen und ich schlief tief und fest.

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