Reisen

Jakobsweg (2022)

Etappe 12: Iria Flavia – Santiago de Compostela

Es war so weit: Unsere letzte Etappe. Heute sollten wir Santiago de Compostela erreichen. Egal von wo aus man startet, diese letzte Etappe ist gewiss immer etwas ganz besonderes. Wir waren beide ganz aufgeregt als wir auf einmal in der Ferne Santiago mit der berühmten Kathedrale ausfindig machen konnten. Nun sah man auch einige andere Pilgernde, auch wenn es noch immer nicht sehr überlaufen war, wie es im Sommer der Fall sein soll. Diese Aufregung nach einer langen Reise gleich anzukommen steckte auch die Einheimischen an. Auf dem 5 km-Wegstein saß ein Rentner der jedem Pilgernden der vorbei lief freudig zujubelte: “Noch 5 Kilometer!”. Um uns herum wurde es immer städtischer, die Stimmung wurde immer aufgeheizter und plötzlich waren wir da. Da standen wir also auf dem Platz vor der Kathedrale Santiagos. Um uns herum machten Touristen Fotos, Pilgernde legten ihre Rucksäcke nieder, einige waren ganz aufgeregt, andere ganz still. Wir haben es geschafft, wir sind den portugiesischen Jakobsweg von Porto nach Santiago de Compostela gegangen. 250 Kilometer in 12 Tagen. Es gab Höhen, es gab Tiefen und vor allem gab es eine unvergessliche Reise. Es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass man angekommen ist. Wir machten obligatorische Fotos, brachen aber direkt wieder auf.

Etwas versteckt in einer Seitengasse befand sich das Pilgerbüro. Wir füllten einen Fragebogen aus (den gab es ganz modern online über einen QR Code) und dann durften wir auch schon eintreten und wie im Bürgerbüro eine Nummer ziehen. Kurze Zeit später zeigten wir unsere Pilgerpässe vor, bekamen einen letzten Stempel und uns wurde unsere Compostela, unsere Pilgerurkunde ausgestellt. Nun hatten wir es schriftlich von der katholischen Kirche bescheinigt bekommen, dass wir diesen Weg wirklich gelaufen und geschafft haben. Zurück auf dem Platz wollten wir noch einmal Fotos mit unserer Urkunde machen als uns auf einmal jemand ansprach. Wir drehten uns um und konnten uns unser Grinsen kaum verkneifen: Es war Li! Er war wie immer vor uns angekommen und erkundigte nun ein wenig die Stadt. Wir unterhielten uns etwas, er machte Fotos von uns mit unseren Pilgerurkunden und dann erzählte er uns mit einem gewissen Bedauern in der Stimme, dass morgen sein Flieger nach Barcelona gehen würde von wo aus er nach Korea zurück fliegen würde. Seine Reise endete nun nach einem Jahr. Was muss das für ein Gefühl sein nach einem Jahr wieder in die gewohnte Umgebung zu kommen? Wie ist es seine Wohnung aufzuschließen, seine Freunde und Familie wiederzusehen, wieder an seinem Arbeitsplatz zu sitzen? Wir verabschiedeten uns nun also ein letztes Mal von Li. Es war wirklich schön, dass wir uns ausgerechnet hier vor der Kathedrale ein letztes Mal sahen, da er doch so eine Konstante auf unserem Weg war.

Da wir nicht abschätzen konnten wie voll es in Santiago sein würde, hatten wir bereits am Vortag ein Doppelzimmer in einer privaten Herberge reserviert. Diese befand sich etwas abseits und wir waren tatsächlich die einzigen Gäste, weswegen die Rezeption auch nicht besetzte war und wir lediglich telefonisch von dem Besitzer den Code für das Türschloss übermittelt bekamen. Da sich hier außer uns also niemand befand, waren die Räume unbeheizt und entsprechend kalt, jedoch konnten wir unser Zimmer mittels Klimaanlage (tatsächlich das Standard-Heizgerät auf der iberischen Halbinsel) aufwärmen. Außerdem konnten wir uns auch entsprechend in der gut ausgestatteten Küche breit machen. Lange hielten wir uns hier jedoch nicht auf, denn am Abend ging es noch einmal zur Kathedrale, die wir uns in Ruhe anschauten und dann zur Pilgermesse blieben. Zu Beginn der Pilgermesse trat eine Ordensschwester vor uns las laut vor welche Pilgernde heute in Santiago angekommen waren. Dabei verlas sie auch, dass zwei Deutsche über den portugiesischen Weg von Porto aus angekommen waren. Ja, das waren wir. Wir sind angekommen.

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