Reisen

Jakobsweg (2022)

Etappe 4: Portela de Tamel – Ponte de Lima

Wie immer ging es früh morgens los. Wir ließen Portela de Tamel mit der schönen Herberge hinter uns und nach kurzer Zeit sahen wir auch schon Schilder, welche uns zu einem Pilgercafé leicht abseits vom eigentlichen Weg führen sollten. Uns war aber nicht nach einem Umweg und so ignorierten wir trotz anfänglichem Magenknurren die besagten Schilder und gingen weiter. Dies war die richtige Entscheidung, denn 5 Minuten später entdeckten wir eine wirklich gemütliche kleine Bäckerei, trotz der sehr kitschigen Dekoration. Die Dame am Tresen begrüßte uns freundlich und konnte sogar sehr gutes Englisch. Zufrieden frühstückten wir und setzten dann unseren Weg fort. Der Vormittag verlief recht unkompliziert. Wir hörten Musik, unterhielten uns und setzten einen Fuß vor den anderen. Nach ein paar Tagen auf dem Jakobsweg kommt man in so eine Art Rhythmus. Man weiß wann man so ungefähr los gehen sollte, wann man Pausen einlegen sollte, wie viele Kilometer man an einem Tag schafft ohne sich vollkommen verausgaben zu müssen und wann man so ungefähr ankommen wird. Das ist tatsächlich unglaublich erholend und angenehm. Man weiß was auf einen zukommt und kann den Tag einfach passieren lassen ohne sich großartig Gedanken machen zu können. Wahrscheinlich ist genau das das Befreiende was viele erleben wenn Sie eine derartige Reise machen.

Gegen Mittag machten wir unseren nächsten regulären Halt bei einem Café. Und hier hat Kevin wohl direkt ein kleines pelziges Herz erobert. Die Katze der Besitzerin sprang ihm direkt auf den Schoß und hörte gar nicht auf ihn zu schmusen und mit ihrem Kopf anzutippen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Wahrscheinlich merkte sie wie sehr Kevin Katzen mochte. Selbst die Besitzerin und ihre Familie beobachteten das Schauspiel lachend. Das Café selbst war eigentlich ein ganz normales Café und gar nicht als Pilgercafé ausgezeichnet. Dennoch bekamen wir hier unsere ersten Stempel für heute und tatsächlich waren dies sogar welche der schönsten Stempel, die wir auf dem gesamten Weg kriegen sollten. Neben dem Logo des Cafés war der heilige Jakobus als Pilger abgebildet. Nur schweren Herzens konnten sich Kevin und die Katze voneinander verabschieden, aber wir hatten noch einiges an Weg vor uns.

So verlief auch der Nachmittag eher unkompliziert und nach insgesamt fast 25km, unserer bislang längsten Strecke, kamen wir in Ponte de Lima an. Nach all den kleinen Orten, sollten wir nun wieder in einer etwas größeren Stadt übernachten. Die Stadt wird von dem namensgebenden Fluß “Lima” (der zufällig genau so heißt wie die peruanische Hauptstadt) zweigeteilt. Neben einer Promenade entlang des Flusses verfügt die Stadt, wie in den meisten südeuropäischen Städten typisch, über viele kleine Gassen mit alten Häusern. An der besagten Promenade trafen wir auch Marinus wieder und wunderten uns, dass er bereits vor uns da war und seelenruhig zeichnete. Wie sich herausstellte hatte er auf dem Weg Hüftprobleme bekommen und ein Wagen hatte ihn hierher mitgenommen. Da die Stadt etwas größer war, verfügte sie natürlich auch über eine Reihe an Unterkünften. Unser eigentlicher Plan war wieder in eine private Herberge zu gehen, des Komforts eines privaten Zimmers wegen. Hier ergab sich jedoch etwas seltsames. Der Check-In für die privaten Herbergen war erst ab 18:00 Uhr. Wir hätten also noch mehrere Stunden warten müssen. Die einzige Unterkunft in die man bereits einchecken konnte war die staatliche Pilgerherberge. Da wir gerade erst so eine überraschend gute Erfahrung mit der staatlichen Herberge in Portela de Tamel gemacht hatten, entschieden wir uns also erneut für diese Option. Die Herberge war deutlich größer als die vorherige, hatte aber dennoch leider keinen vergleichbaren Gemeinschaftsraum. Es gab eine sehr steril wirkende Küche welche größtenteils aus Metall bestand und an Inventar nur über das aller nötigste verfügte.

Obwohl nun schon mehr Gäste da waren als in den vorherigen Ortschaften, trafen wir in der Küche nur eine weitere Person, Li aus Südkorea. Li war schon seit einem Jahr unterwegs. Er ist zunächst von Südkorea nach Budapest gereist und ist von dort aus zu Fuß bis nach Santiago gelaufen. Als nächstes ist er noch einige weitere Jakobswege gelaufen und nun sollte der portugiesische Jakobsweg zum Ausklang sein letzter Jakobsweg sein bevor es wieder zurück ging nach Südkorea.

Die Schlafsäle waren auf zwei Etagen verteilt. Im ersten Stock war ein klassischer Schlafsaal mit Etagenbetten und ein Stockwerk höher gab es noch einem Schlafsaal der lediglich über Matratzen auf dem Boden verfügte. Die Dame am Empfang schickte uns zunächst in den Schlafsaal in den ersten Stock. Da ich aber die einzige Frau in dem gesamten Saal gewesen wäre, die Frauen wurden nämlich eins höher zu dem Saal mit den Matratzen geschickt, öffnete die Dame eine eigentlich gesperrte Tür zu einem Nebenraum in dem sich eng beieinander 4 weitere Etagenbetten befanden. Eigentlich war der Raum zu eng bestückt für die aktuellen Corona-Auflagen, jedoch war es natürlich kein Problem wenn Kevin und ich den Mindestabstand zueinander nicht einhielten und so bekamen wir erneut einen Raum für uns. Ein schönes Extra dieser Herberge war eine kleine Dachterrasse von wo aus man über die Dächer der Stadt blicken konnte. Die Schließzeit der Herberge war mit 20:00 Uhr recht zeitig angesetzt, aber wir wollten eh nicht lange auf bleiben. Der Plan war gegen 18:00 Uhr zu essen und danach zur Herberge zurück zu kehren, zu duschen und zu schlafen. Bis auf die Sache mit dem Schlafen sollte unser Plan nicht aufgehen. Die Restaurants in der Stadt waren entweder ganz geschlossen (Corona?) oder aber öffneten frühestens um 19:00 Uhr, viele sogar später. Das Risiko es nicht mehr rechtzeitig zur Herberge zurück zu schaffen war da leider zu groß. Die Stadt schien generell ihren eigenen Rhythmus zu haben. Schließlich kauften wir uns in einem Supermarkt Kekse, eine Möhre, eine Banane und etwas Saft. Zudem hatte ich noch einige Erdnüsse aus der letzten Unterkunft mit. Dies war dann also unser nicht ganz so glorreiches Abendessen.

Es war immer noch Februar. Tagsüber waren es angenehme 15-20°C, doch nachts war es zum Teil sehr frisch. Die Herberge war natürlich nicht beheizt und so war es doch recht kühl. Das Bad war wie die Küche mehr Metall als alles andere und unglaublich steril. Im hinteren Teil des Damenbads gab es einen Bereich mit Duschen wie man sie aus Sportumkleiden kennt. Ich fröstelte bereits als ich mich meiner Kleidung entledigte. Als ich das Wasser an machte fing ich jedoch innerlich an zu schreien. Es war eisig kalt und so blieb es auch. Kurzerhand beschloss ich im nächsten Ort zu duschen, zog mir mehrere Schichten Kleidung an und wickelte mich in meinen Schlafsack ein. Kevin tat es mir gleich.

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