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Skandinavien (2021): Von Thüringen zum Nordkap und zurück

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Aalborg – Möwen, Wikinger und ein schönes Wiedersehen

Zum ersten Mal seit Tagen erlebten wir einen Morgen, der nicht aus purem Stress bestand. Wir standen auf, packten alles zusammen und fuhren zum nächsten Supermarkt, um uns etwas zu essen zu holen. Da es (mal wieder) regnete, frühstückten wir im Auto bevor es weiter ging in Richtung Norden. Unser nächstes Ziel war Aalborg in Dänemark. Wir hatten diesen Stop aus zwei Gründen eingeplant: Zum einen lag Aalborg perfekt auf der Route in Richtung Norwegen und zum anderen wohnt dort nun Florian, ein ehemaliger Professor an unserer Uni, der gleichzeitig auch der Erstbetreuer für meine Masterarbeit war und mit dem Kevin und ich, nachdem wir angefangen haben an der Uni zu arbeiten, häufig zusammen zu Mittag essen gegangen sind.

Es blieb entspannt, denn die Fahrt hoch in den Norden war auch unsere erste Fahrt komplett ohne Staus. In strömendem Regen näherten wir uns der dänischen Grenze. Während der Scheibenwischer auf maximaler Stufe lief, konnten wir grob ein Grenzhäuschen und eine Ampel erkennen, die aber auf grün geschaltet war. Alle Autos vor uns passierten die Ampel ohne Probleme, doch als wir an der Reihe waren, schaltete sie plötzlich auf rot und wir mussten rechts ran fahren. Es wunderte uns nicht, dass gerade wir für eine zufällige Kontrolle herausgepickt wurden. Unsere gelbe Borussia, wie wir unseren Campingwagen genannt haben, mit dem Ersatzreifen auf dem Dach war schon ein bemerkenswerter Anblick. Ein dänischer Soldat winkte uns zu sich und fragte uns nach unseren Personalausweisen und nach unseren Impfnachweisen. Bei letzteren schaute er lediglich kurz auf den QR-Code und das darunter stehende Datum der zweiten Impfung bevor er uns zu verstehen gab, dass alles in Ordnung sei und wir weiterfahren konnten. Wir waren in Dänemark!

Von da an war die Fahrt bis hoch nach Aalborg relativ unspektakulär. Da es bereits Mittagszeit war, steuerten wir nicht direkt den gebuchten Campingplatz an, sondern eine Streetfood Halle ganz in der Nähe, welche ich zuvor online entdeckt hatte. Drinnen erwartete uns der erste Schock: Dänemark ist verdammt teuer! Die günstigsten Gerichte rangierten zwischen 15 und 20€. Da half es auch nicht, dass die Halle eigentlich ziemlich cool war, unter anderem mit einem Arcade-Bereich und einer Karaoke-Ecke. Ich bestellte eine Bowl und zahlte noch einmal 10 Kronen extra für Nüsse als Topping nur um viel zu spät zu merken, dass die Bedienung diese leider vergessen hatte. Kevin jedoch traf es noch härter. Während er noch auf sein Essen wartete, suchte ich uns einen Platz draußen am Hafen direkt am Wasser heraus. Den Regen hatten wir schon lange hinter uns gelassen und nun herrschte strahlender Sonnenschein, den ich natürlich auskosten wollte. Nach etwas Wartezeit kam auch Kevin mit seinem Essen heraus, er hatte sich für griechischen Gyros mit Pommes entschieden. Gerade hatte er sich mir gegenüber gesetzt, als eine vorbeifliegende Möwe ihren Beitrag leistete. Nein, sie machte nicht etwa auf Kevins überteuertes Essen, sondern stattdessen traf sie ihn mitten ins Gesicht und das Endprodukt erstreckte sich über Kevins Brille, seine Stirn und seine Nase. Was für ein Start!

Etwas entrüstet aber immerhin gesättigt ging es nun zum Campingplatz. Der war tatsächlich sehr schön und sogar direkt am Strand gelegen. Das einzig negative war, dass man für 5min Duschen 10 Kronen zahlen musste. Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass dies auf den meisten Campingplätzen die wir besuchen würden der Standard sei. Unser Platz war direkt am Rand einer Wiese nah an den Sanitäranlagen und einer großen Küche, welche jedoch leider neben Herdplatten und einem Schneidebrett so gut wie gar keine Ausstattung hatte (Wir haben am ersten Tag zwar einen Wasserkocher entdeckt, der verschwand jedoch darauf hin auf magische Weise und wir haben ihn nicht wieder gesehen). Nachdem wir uns kurz umgeschaut hatten, machten wir uns direkt auf Aalborg etwas zu erkunden. Am Fjord entlang spazierten wir bis zur Innenstadt und tatsächlich ist Aalborg wirklich sehr schön. Aalborg ist ein bisschen größer als Weimar, jedoch ist es noch weit davon entfernt eine hektische Großstadt zu sein und die schöne Lage am Fjord und die gepflegte Innenstadt unterstreichen dies.

Zum Sightseeing ging es zunächst zum Schloss Aalborghus, welches jedoch recht unspektakulär war. Man konnte ein wenig in die dunklen Katakomben rein, mehr als leere Gänge in die wir mit unseren Handylampen rein leuchten konnten, gab es dort aber nicht zu sehen. Zurück am Fjord spielte sich vor unseren Augen hingegen ein viel interessanteres Schauspiel ab. So gab es dort einen wirklich schönen frei zugänglichen kleinen Schwimmbereich mit Sprungschanzen an der Seite. Eine junge Dänin, vielleicht 17 Jahre alt, stand auf einer dieser Sprungschanzen und nahm gerade all ihren Mut zusammen. Ihre Eltern standen beide unten und hielten ihre Handykameras auf die Tochter gerichtet. Währenddessen sprang eine Gruppe kleiner Jungs im Wechsel von der benachbarten Schanze ohne mit der Wimper zu zucken. Die Tochter atmete noch einmal tief durch, setzte zum Sprung an und … “Nei!” rief sie auf einmal und wich zurück. Sie ließ einige der Jungs vor, die nun auch von ihrer Schanze springen wollten. Ihre Eltern hielten noch immer fleißig die Kameras drauf und so begab sie sich noch einmal nach vorne. Wir hielten alle die Luft an… und wieder: “Nei!”. Dieses Schauspiel wiederholte sich immer und immer wieder. Nach ca. 20min gaben wir auf und gingen weiter, während hinter uns immer wieder ein lautes “Nei” erklang. Ich wüsste zu gerne ob sie letztendlich gesprungen ist oder nicht.

Wir steuerten einen Supermarkt an, nur um erneut festzustellen: Dänemark ist teuer! Nachdem wir uns mit dem nötigsten eingedeckt hatten, ging es zurück zum Campingplatz, wo ich das gute Wetter noch einmal auskostete indem ich mir meine Sportsachen anzog und am Fjord entlang laufen gegangen bin. Kevin baute währenddessen den Campingtisch auf und entspannte etwas indem er ein Buch las. Nach meiner kleinen Laufrunde hieß es duschen, ein paar Runden Uno spielen und schließlich schlafen.

Wikinger, deutscher Schlager und ein sehr leckerer Eiskaffee

Am nächsten Tag machte ich mich in aller Frühe auf um Frühstück zu holen. Eigentlich hatten wir ja schon am Vortag eingekauft, allerdings nur Sachen, die nicht gekühlt werden mussten. Zwar hatten wir eine Kühlbox, aber da wir ein Knöpfchen falsch gedrückt hatten, wie wir leider erst ein paar Tage später erfahren würden, wurde unsere zusätzliche Batterie nicht geladen wodurch uns der Strom für die Kühlbox fehlte. Der einzige Supermarkt der so früh schon öffnete war ca. 30 Gehminuten vom Campingplatz entfernt, jedoch führte der Weg zum einen an einer hübschen kleinen Bäckerei vorbei und zum anderen nutzte ich den Einkauf direkt für einen schönen kleinen Morgenspaziergang durch die Stadt. In der Bäckerei kaufte ich auch eines der berühmten dänischen süßen Teilchen, da ich jedoch eigentlich nicht wirklich Süßes esse, teilte ich es mir später mit Kevin und was soll ich sagen? Es war lecker, aber es war auch wirklich verdammt süß.

Gut gestärkt organisierten wir uns über eine App Leihfahrräder, welche anscheinend alle verschiedene Namen hatten. So startete meine Tour heute auf Falafel während Kevin’s Drahtesel den Namen Roland trug. Leider hatte Kevin mit seinem Gefährt eher wenig Glück, denn nicht nur, dass er keine Klingel hatte, auch die Bremsen wollten leider nicht so richtig. Nichtsdestotrotz machten wir uns auf nach Lindholm Høje. Lindholm Høje ist ein alter Wikingerfriedhof mit dazugehörigem Wikingermuseum. Wir hatten ein Rabattcoupon für die ersten 30min mit den Fahrrädern, jedoch brauchten wir leider 38min bis zum Ziel und da Lindholm Høje etwas außerhalb liegt, gab es auch keinen Abstellort für unsere Fahrräder, sodass wir auch für die Dauer unseres Besuchs weiter zahlen mussten, was etwas ärgerlich war, aber noch immer verkraftbar. Lindholm Høje selbst ähnelte einem großen Feld (es gab sogar Ziegen und Schafe) mit vielen Steinen. Erst bei näherer Betrachtung erkannte man verschiedene Formen, die, wie man einigen Infoschildern entnehmen konnte, bestimmte Bedeutungen hatten, wie z.B. ob es sich um das Grab eines Mannes oder einer Frau handelte. Das Museum war recht simpel aufgebaut: Viele Dinge in Glasvitrinen. Es war hauptsächlich die Thematik, die das Ganze interessant machte. Nachdem wir uns im Museumsshop mit ersten Souvenirs ausgestattet hatten, stiegen wir wieder auf unsere Räder und fuhren zurück in Richtung Stadtzentrum. Es ist noch nennenswert, dass wir eine interessante Zugbrücke passierten und dass ich an einem Punkt, wo der Boden aufgrund einer Baustelle kurz etwas sandiger wurde, so tollpatschig wie ich bin, vom Rad geflogen bin, aber dank des Sandes weich gelandet bin.

Mittlerweile war es Mittagszeit. Wir gaben unsere Fahrräder zurück und betraten ein Ramenrestaurant. Leider kam die Kellnerin direkt auf uns zu um uns mitzuteilen, dass es ein Problem gab weswegen sie leider noch nicht fertig waren in der Küche. So machten wir uns stattdessen auf zu einem traditionellen dänischen Restaurant, wo wir im Angesicht der Preise das günstigste Hauptgericht bestellten: Fleischbällchen mit Gurke, Rotkohl und Brot. Das Essen war aber wirklich sehr lecker.

Den nächsten Programmpunkt hat Kevin spontan herausgesucht: The Park of Music (deutsch: Der Park der Musik). In der Beschreibung klang das ganze eher wie ein schräges Kunstprojekt, war im Endeffekt aber ziemlich cool: In dem Park waren massig längliche Metallboxen, welche eher aussahen wie Grabsteine, aufgereiht. Auf den Boxen war eine Plakette und ein Knopf. Drückt man diesen, erklingt die Musik eines Stars, der oder die auf der Plakette verewigt ist. All die Stars sind im Vorfeld schon einmal in Aalborg aufgetreten. Zu unserer Verwunderung waren hier auch einige deutsche Schlager-Stars wie Andrea Berg oder Helmut Lotti, was uns etwas wunderte. Wir gingen alle Boxen durch und betätigten sämtliche Knöpfe. Unter anderem wurde zu meiner Freude auch Gilbert Becauds “Nathalie” abgespielt. Einige Boxen waren aber leider auch beschädigt und gaben keinen Ton von sich.

Kevin hatte in Weimar seine Armbanduhr vergessen und war seit mehreren Tagen auf der Suche nach einer günstigen Uhr, welche er während unserer Reise tragen könnte. In einer Seitenstraße gab es einen kleinen dunklen orientalischen Laden mit einem älteren Iraner am Tresen. Neben persischen Produkten gab es auch einiges an Ramsch und darunter auch eine Box mit billigen Armbanduhren. Das Problem war jedoch, dass die Zeiger still standen. Wir fragten direkt nach passenden Batterien zu einer Uhr, die Kevin sich herausgesucht hatte, und stellten den armen Verkäufer damit anscheinend vor eine große Herausforderung. Er durchsuchte alles an Uhrbatterien was er im Laden hatte auf der Suche nach der richtigen Größe. Immer wieder versicherte er uns, dass die Uhr auf jeden Fall funktioniert während er eine Batterie nach der nächsten versuchte herein zu tun – nur um zu sehen, dass es wieder die falsche Größe war. “Die Uhr funktioniert! Ganz bestimmt! Wenn nicht, dürfen sie sie wieder zurück bringen, aber sie funktionier! Wirklich!” Schließlich kaufte Kevin die Uhr, wahrscheinlich sogar aus Mitleid und man sah wie dem Verkäufer ein Stein vom Herzen fiel, da er doch noch etwas verkaufen konnte. Wir nahmen uns vor in den nächsten Tagen nach passenden Batterien Ausschau zu halten. Ein paar Tage später sollte Kevin dann feststellen, dass das Plastikbändchen zur Sicherung noch drin war, da die Uhr ja neu war. Als er dieses Bändchen heraus zog, fing die Uhr sofort an zu funktionieren (und sie funktioniert auch heute noch). Das war nicht nur peinlich im Rückblick für den Verkäufer, Kevin hatte vor mit der Uhr zu einem Uhrenladen zu gehen, um sie dort “reparieren” zu lassen. Zum Glück hatte er es selber bemerkt, dass einfach nur das Plastikbändchen rausgezogen werden musste.

Für den Nachmittag waren wir mit Florian verabredet. Er führte uns zu einer Bäckerei, wo wir zusammen mit seiner Frau, seiner Tochter und dem neusten Familienzuwachs, dem Hund Leo, ein paar gute Stunden verbrachten. Wir haben alle gemeinsam sehr viel geredet: Natürlich über Corona, darüber, dass in Dänemark alles viel teurer ist als in Deutschland, über die Uni, über Aalborg und Umgebung, aber auch über Rassismus, den es leider auch in Dänemark gibt. Dazu gab es leckeren Kuchen und ich habe den Eiskaffee, wie er in Dänemark zubereitet wird, wirklich für mich entdeckt. Wenn man in Deutschland einen Eiskaffee bestellt so bekommt man einen Kaffee mit 2-3 Kugeln Eis drin und oftmals noch Sahne oben drauf. Hier in Dänemark besteht ein “Is Kaffe” aus normalen Eiswürfeln, viel kalter Milch und dem heißen Kaffee, der in die kalte Milch gekippt wird. Wo sonst vieles in Dänemark extrem süß oder auch extrem schwer (dank hochprozentiger Sahne) ist, war ich positiv überrascht wie angenehm und leicht dieser Eiskaffee war, zumal ich ja generell nicht der größte Fan von Süßem bin.

Schließlich ließen wir unseren letzten Abend in Aalborg noch mit einem kleinen Geheimtipp von Florian und seiner Familie ausklingen: So gibt es im Stadtkern ein Einkaufszentrum auf dessen Dach man relativ leicht mit dem Fahrstuhl hoch kommt. Von dort aus war es uns noch einmal möglich die Stadt aus einer anderen Perspektive zu sehen. Zufrieden über diesen tollen und ereignisreichen Tag ging es nach einem kurzen Schlenker zum Supermarkt wieder zurück zum Campingplatz.

Schadenfreude ist die schönste Freude?

Nichts böses ahnend stand ich auch am nächsten Tag wieder in aller Frühe auf um Frühstück zu holen. Als ich aus dem Wagen stieg, fiel mir eine Gruppe Möwen auf, die den Inhalt eines Mülleimers, welcher vor einem der zahlreichen Camper stand, geleert hatten indem sie den Müll quer über die Wiese verstreut hatten und alles was noch essbar war heraus pickten. Belustigt machte ich einige Fotos und war innerlich erleichtert, dass wir unser Essen in der ausgeschalteten Kühlbox deponiert hatten, welche neben dem Wagen stand und den die Möwen sicherlich nicht auf kriegen würden… ja ja… ganz bestimmt würden sie nicht an unser Essen gelangen…
Was ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste war, dass Kevin, der am Vortag nach dem Abendessen unser Essen abgeräumt hatte während ich spülte, dachte es würde reichen das Essen nicht in der Kühlbox zu deponieren, sondern einfach oben drauf zu legen. Als ich dann also von meinem Spaziergang zurück kehrte, begrüßte mich Kevin mit einem entsprechenden Geständnis und Fotos der Möwen, die nun unser Essen über die Wiese verstreut hatten. Das war wohl die gerechte Strafe für meine vorherige Schadenfreude.

Nach diesem letzten kleinen Erlebnis hieß es dann aber wieder zusammenpacken. Heute sollte es weiter gehen auf unserer Reise und zwar sollten wir mit der Fähre übersetzen in der Land in dem wir die meiste Zeit verbringen sollten: Norwegen.

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