Reisen

Skandinavien (2021): Von Thüringen zum Nordkap und zurück

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Narvik und der Polar Park

Wir überschreiten den nördlichen Polarkreis

In aller Frühe brachen wir auf, denn vor uns lag eine lange Fahrt. Dabei sollte es auf halber Strecke ein ganz besonderes Highlight geben: Die Überschreitung des nördlichen Polarkreises. Entlang der E6, der Autobahn, die nach Norden führte, waren die entsprechenden Koordinaten des Polarkreises gut gekennzeichnet. Am entsprechenden Ort angekommen befand sich das Arctic Circle Center. Das bestand hauptsächlich aus einem sehr großen Souvenirshop und einigen Denkmälern. Zusätzlich haben Reisende auf dem gesamten Areal unzählige kleine Steinhaufen errichtet. Natürlich schnappten wir uns auch je einen Stein und legten ihn zu den anderen. In dem Souvenirshop ereignete sich noch eine lustige Szene. So konnte ich beobachten, wie eine ältere Norwegerin an die Kasse trat und dem Verkäufer etwas auf norwegisch sagte. Der wirkte etwas entrüstet und gab ihr auf englisch zu verstehen, dass er leider kein norwegisch spricht. Das war kein Tourist, das war der Verkäufer! Und doch ist es toll, dass Englisch in Skandinavien so weit verbreitet ist, dass die Dame einfach ins Englische gewechselt ist und die beiden sich so gut verständigen konnten. Später konnte ich beobachten, wie der Verkäufer sich mit seinem Kollegen unterhielt – und das auf Polnisch. Nach den polnischen Infoschildern auf der Fähre und den polnischsprachigen Führungen im Museum in Oslo war dies nun die nächste Konfrontation mit der polnischen Community hier in Norwegen.

Nach unserer Überschreitung des nördlichen Polarkreises ging es durch zahlreiche, teils schlecht ausgeleuchtete, Tunnel weiter in Richtung Norden. Bis nach Narvik ging es an diesem Tag noch nicht, da dies doch etwas zu weit gewesen wäre. Stattdessen machten wir auf einem Campingplatz in Ballangen, ca. 40min vor Narvik, halt. Der Campingplatz war ähnlich wie der nach unserem Besuch in Trondheim sehr groß und familienfreundlich ausgelegt. Auf dem Gelände befanden sich mehrere hübsche Spielplätze und ein Kaninchen-Gehege. Außerdem gab es neben der Rezeption auch einen kleinen Laden mit Lebensmitteln, Campingausrüstung und Souvenirs. Wir parkten erneut direkt am Strand, konnten das Wetter aber leider nicht wirklich genießen, da es nahezu ununterbrochen regnete. Eine der kleinen Regenpausen nutzte ich um eine kleine Runde laufen zu gehen, die allerdings leider verhältnismäßig kurz blieb, da der Regen dann doch wiederkehrte. Nach der verdienten Dusche, suchten wir den kleinen Laden auf um festzustellen, dass die Verkäuferin auch hier keine Norwegerin war, sondern Deutsche. Diese war sichtlich froh mal wieder mit Landsleuten plaudern zu können, denn die Grenzen waren ja aufgrund von Corona lange genug geschlossen. So erzählte sie uns begeistert wie toll das Leben hier ist und wie viele Deutsche im hohen Norden lebten.
Einen kleinen Dämpfer gab es in der Küche des Campingplatzes. Die war zwar verhältnismäßig groß und wirklich sehr sauber, allerdings mussten wir für die Verwendung der Kochplatte extra zahlen. Was aber noch viel schlimmer war, war eine deutsche Reisegruppe, die die gesamte Küche für sich beanspruchte und die nicht nur laut war, sondern absolut toxisch: Sobald jemand aus dieser Gruppe sich absonderte und den Raum verließ, rückte man direkt zusammen und fing an zu lästern. Leider hatten wir das Pech, dass wir uns die Küche nicht nur während des Abendessens mit der Reisegruppe teilen mussten, sondern dass die am nächsten Morgen auch zur exakt gleichen Zeit frühstücken wollten wie wir, sodass wir uns auch am nächsten Tag das Herumgeläster anhören mussten. Die Küche war dadurch immer rappelvoll, was in Zeiten von Corona natürlich auch nicht wirklich schön war. So schön der Campingplatz auch war, so waren wir dann doch froh, als wir endlich aufbrechen konnten nach Narvik.

Narvik

Wir kamen in aller Frühe in Narvik an. Da wir nur vor hatten einige Stunden hier zu verbringen, bevor es dann zum Polar Park weiter gehen sollte, beschlossen wir nicht das Narvik Kriegsmuseum zu besuchen, welches das größte Museum vor Ort war, sondern stattdessen das deutlich kleinere Narvik Museum aufzusuchen, um mehr direkt über die Stadt zu lernen. Da wir aber so früh in Narvik ankamen war das Museum noch geschlossen. Wir parkten das Auto und entschlossen uns dazu die Stadt bis zur Öffnung des Museums zu Fuß ein wenig zu erkunden. Das Wetter war nicht gerade gut, aber zumindest schüttete es nicht in Strömen, wie am Tag zuvor. Die graue schwere Stimmung passte aber ziemlich gut zu der Stadt. So liegt sie direkt am Wasser, wo sich große Öltanker und Frachtschiffe befanden, während die schneebedeckten Berge des Nordens den Horizont schmückten. Die Gebäude waren verglichen zum restlichen Norwegen erstaunlich wenig farbenfroh. Und doch hatte diese Stadt eben deswegen einen ganz eigenen Charme. Und schon wieder wurde klar, dass das Leben hier, obwohl wir so weit im Norden waren, wirklich gut zu sein schien. So gab es zahlreiche Läden, große wie kleine, sodass man alles da hatte, was man zum Leben brauchte. Das ist vor allem bemerkenswert, wenn man sich vor Augen führt wie hart die Winter hier sind. Nicht nur, dass alle Orte nördlich des Polarkreises von der Polarnacht betroffen waren, im Winter konnte es hier gut und gerne auch mal -30°C kalt werden. Im Zentrum der Stadt befand sich eines dieser typischen Schilder auf dem darauf verwiesen wurde wie viele km es von hier bis zu den wichtigen Großstädten dieser Welt war. Unter anderem war hier auch das Nordkap vermerkt: Noch 709km! Knapp neben den vielen Schildern gab es auch noch ein Monument mit einem Stein aus Hiroshima vom Epizentrum der Atombombe. Die Stadt Narvik hatte diesen Stein über eine Friedensinitiative von der Stadt erhalten und dieser wurde hier nun als Mahnmal für den Frieden ausgestellt.

Pünktlich zur Öffnung waren wie wieder zurück beim Narvik Museum. Wir waren die ersten und lange Zeit auch die einzigen Besucher. Das lag wohl daran, dass das Museum wirklich klein war. Und dennoch versuchte man hier möglichst viele Themen abzudecken. So ging es um die lokale Eisenbahn, um die Zerstörung der Stadt im zweiten Weltkrieg und um die Taucher, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts bereits in die kalten Gewässer sprangen um die gesunkenen Kriegsschiffe weiter zu untersuchen und gegebenenfalls Gegenstände zu borgen. Gegen Ende gab es sogar zwei kleine Kunstausstellung, eine sehr düstere und eine eher schräge von Schüler*innen mit vielen Katzenbildern und Memes. Das Narvik Museum ist kein Ort, den man unbedingt besuchen muss, aber wir haben so einen schönen Überblick über die Geschichte und die Eigenschaften der Stadt erhalten. Das war für die kurze Zeit, die wir in Narvik verbrachten, tatsächlich ganz hilfreich, denn Narvik sollte ja nicht unser einziges Ziel an dem Tag sein.

Polar Park

Der Polar Park ist der nördlichste Zoo der Welt. Wobei er ein Positivbeispiel für einen Zoo darstellt: Anstelle von Exoten gibt es nur einheimische Tierarten wie zum Beispiel Elche, Luchse oder Polarfüchse und alle hatten wirklich sehr große Gehege in denen sie auch genug Möglichkeiten hatten sich vor den Blicken der Zoobesucher*innen zurückzuziehen, wenn ihnen danach war. Aus diesem Grund schlossen wir uns einer kostenlosen Führung zur Fütterung an. Und auch hier wartete eine Überraschung auf uns, denn die örtliche Geflüchteten-Hilfe hatte die gleiche Idee und so konnte auch die Rangerin, die die Führung leiten sollte, nur staunen, als sie sah wie 3 große Gruppen an Menschen aller Ethnien und Hautfarben ankamen, die sich freudig in den verschiedensten Sprachen dieser Welt unterhielten. Dunkelhäutige Kinder spielten mit hellhäutigen und mit asiatischen und rannten lachend zwischen den Erwachsenen hin und her. Es war als hätte sich die ganze Welt hier versammelt. Hier, im tiefsten Norden, wo es -30°C im Winter ist und wo wir alle gemeinsam gleich eine Tour durch den Polar Park bekommen sollten. So überwältigt die Rangerin am Anfang war, so professionell hielt sie die Tour ab. So trug sie einen großen schwarzen Lautsprecher neben den Futtereimern von Gehege zu Gehege, sodass alle sie hören konnten (natürlich war die gesamte Tour zweisprachig auf norwegisch und englisch), während sie geduldig in ihr Headset-Mikrofon sprach. Sie stellte die einzelnen Tiere vor, lockte sie an, um ihnen Futter zu geben, und schmückte alles mit vielen interessanten Fakten zu den Tierarten. Bei den Elchen bildete sich schnell eine kleine Menschentraube, weil die Rangerin zeigte mit welcher Pflanze man die Elche am besten anlocken konnte und natürlich pflückten alle direkt eine solche Pflanze und rannten zu den Elchen. Ich machte den Plan nach der Führung noch einmal zurück zu kehren, wenn die Menschentraube weg ist, was sich als Fehler herausstellte, weil die Elche da schon so satt waren, dass sie sich nicht mehr anlocken ließen. Ganz besonders süß fand ich die Bären, die sich schnüffelnd auf ihre Hinterbeine stellten, als die Rangerin begann Fleischstücke über den Zaun in das Gehege zu werfen. Einen Bären, der aufgrund von Albinismus blind war, konnte sie sogar aus der Hand füttern. Das war wirklich ein schöner Ausflug.

Wo macht man Urlaub, wenn man bereits im Paradies wohnt?

Nach dem Ausflug zum Polar Park suchten wir einen Supermarkt etwas abseits auf. Dabei sah ich auf der Karte, dass es, wenn wir etwas weiter abfahren, einen hübschen Campingplatz in der Nähe geben sollte und beschlossen den kleinen Umweg auf uns zu nehmen. Das war in der Tat die richtige Entscheidung, denn im nächsten Moment befanden wir uns im Paradies. Der Campingplatz war wirklich sehr klein. Es gab ein paar wenige Campinghütten und unten standen noch ein paar Wohnwagen. Der Besitzer des Campingplatzes war gerade nicht da, aber stattdessen fanden wir einen Herrn aus Bayern vor, der stolz erzählte, dass er schon seit 35 Jahren jährlich hier zu diesem Campingplatz fährt, um am angrenzenden Fjord zu fischen. Was im Nachhinein unglaublich klingt, war in diesem Moment vollkommen nachvollziehbar: Der Campingplatz befand sich abgeschieden direkt am Fjord und war umgeben von imposanten Bergen von denen manche trotz des Sommers noch schneebedeckt waren. Ein kleiner Natursteg, an dem ein paar Boote befestigt waren, ragte ins Wasser von wo aus man etwas weiter weg einen imposanten Wasserfall erkennen konnte. Nach einiger Zeit kam auch endlich der Besitzer des Campingplatzes zurück. Dabei handelte es sich um einen älteren Norweger, der direkt ins Deutsche wechselte, als er erfuhr, dass wir aus Deutschland kamen. So erzählte er uns, dass er sein Leben lang auf einem Öltanker gearbeitet hat und damit die ganze Welt bereist hat. Dabei hat er dann auch Deutsch gelernt. Außerdem war er schon einmal in Deutschland im Urlaub und war ganz begeistert. Ich fragte zurück, wo genau er in Deutschland war und die Antwort war doch überraschend. Wo macht man Urlaub, wenn man bereits im Paradies wohnt? Anscheinend in Plauen, in Sachsen, wo auch Kevins Vater wohnt. So ganz nachvollziehen konnten wir die Begeisterung des Herrn nicht, denn weder Kevin noch ich empfinden Plauen als eine wirklich schöne Stadt, aber dennoch ist es natürlich schön, dass es dem Herrn da so sehr gefallen hat.
In der Küche erwartete und dann die nächste Überraschung. So trafen wir da beim Kochen eine deutsche Familie, die aber schon lange nicht mehr in Deutschland wohnt. Die Eltern sind Ärzte und sind aufgrund des besseren Gesundheitssystems und der damit einhergehenden Arbeitsbedingungen ausgewandert und die Kinder sind in Schweden geboren, sprachen aber alle fließend Deutsch. Wir unterhielten uns eine ganze Weile mit der Mutter über Skandinavien, über Deutschland und über unsere jeweiligen Reisepläne. So kam es, dass wir vom Hauptweg abgewichen sind, ein kleines Paradies gefunden haben und in diesem Paradies auch noch jeder Deutsch mit uns geredet hat.

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