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Skandinavien (2021): Von Thüringen zum Nordkap und zurück

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Tromsø – Ein Traum im Norden

Am frühen Morgen brachen wir auf nach Tromsø. Dabei fuhren wir an einem Schild mit der Aufschrift “Sami Shop” vorbei. Die Sami sind ein indigenes Volk, welches hier lebt. Neugierig fuhren wir von der Autobahn ab, um zu sehen was uns da wohl erwarten sollte. So groß die Neugier auch war, so war die Enttäuschung darüber noch größer was wir dort vorfanden. Von außen machten die traditionellen Zelte noch einen guten Eindruck und auch die Feuerstelle am Eingang versprühte eine gewisse Atmosphäre, aber innen war alles vollgestopft mit dem billigsten Ramsch aus Fernost. Über Tierknochen aus Plastik, Felle von denen man nicht wissen wollte von welchen Tieren sie stammten bis hin zu absolut billiger und kitschiger Weihnachtsdeko (im August!) schrie alles in diesem Laden förmlich “Kulturprostitution”. Selbstverständlich waren die Preise auch horrend – man wollte mit diesen Müll ja den größtmöglichen Gewinn aus den ahnungslosen Touristen, die sich hierher verirrten, herausholen. So kehrten wir schnell wieder zum Auto zurück und fuhren nun ohne weitere Umwege nach Tromsø.

Tromsø sollte für uns auch eine kleine Pause von den Campingplätzen sein. So wollten wir hier nicht nur länger bleiben als an den anderen Orten, sondern wir mieteten uns in einem AirBnB ein, sodass wir gleichzeitig eine Pause von den Campingplätzen bekamen. Um die Zeit bis zum Check-In am frühen Nachmittag zu nutzen, steuerten wir das örtliche Aquarium, welches den Namen Polaria trug, an. Dafür, dass es online recht gut umworben wurde, war es etwas klein und leider verpassten wir auch die Robbenfütterung knapp, aber dennoch hat es etwas beruhigendes die Meerestiere in den großen Aquarien zu beobachten. Und immerhin konnten wir zumindest noch eine Robbe sehen, die genüsslich kleingemachtes Eis aß, quasi als Dessert. Da wir schneller durch waren als erwartet, liefen wir noch ein bisschen durch die Stadt. Ein derartig kleiner Spaziergang reicht vollkommen aus, um sich in Tromsø zu verlieben. Die Stadt ist durch den Fjord in der Mitte zweigeteilt. Auf der einen Seite befindet sich eine Kirche mit dem magischen Namen Eismeerkathedrale und dahinter beginnen die malerischen Berge. Auf der anderen Seite, auf der wir uns gerade befanden, lag das Stadtzentrum. Das Wetter war uns wohl gesonnen, so herrschten für diese Region sommerliche 18°C. Die kleinen gemütlichen typisch Skandinavischen Holzhäuser konnten sich so im Sonnenlicht von ihrer besten Seite präsentieren. In einigen der Häuser befanden sich unten gut besuchte Cafés voller junger Menschen, da Tromsø über eine große Uni verfügt und daher als Studentenstadt gilt. Hier entlang zu spazieren fühlte sich an wie in einem sehr weit nördlichem Weimar gelandet zu sein. Vielleicht war das auch einer der Gründe, warum wir uns hier auf Anhieb so wohl fühlten.

Mal eben 1203 Stufen gehen

Schließlich ging es zurück zum Auto und zu unserer Unterkunft. Diese befand sich ca. 20 min Fußweg vom Stadtzentrum entfernt in einer Wohnsiedlung. Was man an dieser Stelle über Tromsø wissen sollte ist, dass die Wege unten am Wasser zwar recht flach sind, es jedoch, sobald man sich etwas von der Küste entfernt, sehr schnell sehr steil wird. So kam es, dass wir Berge hoch fahren mussten, die dem viel zu steilen Berg in Trondheim ähnelten. Der Straßenbelag war überseht von Rissen resultierend aus Schneeketten und wir stellten uns ernsthaft die Frage wie es überhaupt ein Auto im Winter hier hoch schaffen sollte. Der Weg lohnte sich jedoch, denn unser AirBnB war wirklich klasse. Wir hatten eine Souterrain-Wohnung in einem hübschen blauen Häuschen für uns. Die Besitzer, ein älteres Ehepaar namens Heidi und Øystein, hatten schon einmal die Heizung für uns aufgedreht und den Kühlschrank mit dem Nötigsten gefüllt. Kurz darauf kamen die beiden auch runter, um uns willkommen zu heißen. Øystein war ganz begeistert von unseren Plänen zum Nordkap zu reisen und erzählte uns, dass er letzte Woche erst mit dem Motorrad da war. Dabei zeigte er uns Fotos und erzählte begeistert wie schön es dort ist. Ich nutzte direkt die Gelegenheit um ihn nach Tipps für Tromsø zu fragen und er schlug uns den Brosmetinden Trail zum Wandern vor, da dieser als sehr einfach und kurz gilt, aber eine hervorragende Aussicht bietet. Da der aber eine gute Stunde Autofahrt entfernt ist, war das keine Aktivität, die man noch am gleichen Tag machen konnte. Also bestärkte Øystein uns bei dem Vorhaben stattdessen über die sogenannte Sherpatrappa auf den Berg Fjellheisen zu steigen.

Fjellheisen ist der Hausberg von Tromsø. Es gibt drei Wege auf den Berg zu gelangen: Über eine Seilbahn, über einen Wanderweg oder eben über die Sherpatrappa. Die Sherpatrappa ist eine Treppe, die von nepalesischen Sherpas, das sind die Leute die die Bergsteiger auf den Mount Everest begleiten und ihre Taschen dabei tragen, errichtet wurde. Sie führt bis ganz nach oben und verfügt über sagenhafte 1203 Stufen… und ja, wir haben alle Stufen dieser Treppe erklommen. Die Stufen sind nicht immer eben und auch nicht wirklich gleich groß. Zusätzlich hat man hin und wieder eine Zahl in die eine oder andere Stufe eingraviert, die verdeutlichen soll, wie viele Treppenstufen man schon geschafft hat. An dieser Stelle muss ich Kevin ganz klar loben, denn er hat sich trotz einiger kleinerer Verschnaufpausen tapfer gehalten und es bis nach ganz oben geschafft. Auf der letzten Treppenstufe posierten wir beide stolz für Fotos. Vom Fjellheisen aus hat man eine traumhafte Aussicht über die Stadt. Das blaue Wasser des Fjords, die bunten Häuser und die schneebedeckten Berge im Hintergrund ließen die Szene aussehen wie in einem Gemälde. Da Kevin so tapfer durchgehalten hat, stimmte ich seinem Vorschlag zu, runter mit der Seilbahn zu fahren, anstatt alle Stufen wieder hinunterzusteigen.

Rentiere, der botanische Garten und eine Perspektive, die keine war

Während Kevin sich noch in unserer Unterkunft etwas entspannte, begann mein Morgen damit mir die Laufschuhe anzuziehen und eine Runde Joggen zu gehen. In unmittelbarer Umgebung befand sich hierfür ein Gebiet, welches im Winter zum Skilanglauf verwendet wurde und was wie dafür gemacht war hier langzulaufen. Dabei habe ich nicht nur mehrere Skisprungschanzen entdeckt, sondern auch noch ein Gehege mit Rentieren. Nach meiner Laufrunde, brachen Kevin und ich auf zum Perspektive Museum. Der Name klang nach Illusionen und die Rezensionen schienen positiv zu sein, also war das doch ein vielversprechendes Ziel? Nicht ganz. Warum das Museum “Perspektive” heißt, wissen wir nicht. Stattdessen gab es nur eine Ausstellung über eine norwegische Künstlerin (oder war es eine Schriftstellerin?) mit der wir zugegeben nicht viel anfangen konnten. Unser zweites Ziel für den Tag war der botanische Garten, der gleichzeitig auch der nördlichste botanische Garten der Welt ist. Für die Lage war die Varianz der Blumen sogar bemerkenswert und der Eintritt war kostenlos, nur leider spielte das Wetter nicht ganz mit, denn es regnete die ganze Zeit über. Da Sonntag war, hatten mal wieder nur bestimmte Supermärkte geöffnet, sodass wir etwas weiter laufen mussten. Da fiel Kevin dann auch noch auf dem Weg sein Handy runter und zahlreiche Risse zierten von da an seinen Bildschirm (zum Glück stellte sich später heraus, dass das eigentliche Display ganz geblieben war und nur die Panzerglasfolie Schaden genommen hatte).

Huskys!

So ernüchternd der Vortag gewesen war, so gut sollte der nächste Tag werden. Dafür haben wir uns einen ganz besonderen Programmpunkt vorgenommen. Die eigentliche Touristensaison ist im Winter, wo es zahlreiche Angebote gibt um Hundeschlitten zu fahren. Da wir aber im Sommer da waren, bot das Tromsø Wilderness Center in der Gegend eine interessante Alternative an: Eine Husky Wanderung. Das Center lag etwas außerhalb auf der Insel Kvaløya und auf dem Weg dahin begegneten uns einige frei laufende Rentiere. Am Center angekommen begrüßte uns eine junge Belgierin, die unser Guide sein sollte. Sie war durch und durch vernarrt in Huskys und hatte großes Talent darin diese Faszination an die Besucherinnen und Besucher weiterzugeben. Das Areal war deutlich größer als erwartet, so gab es ein Husky Café und einen Bereich voller Hundehütten und Hunde. Zusätzlich gab es daneben eine Art Laufstall in den wir rein gelassen wurden, wo sich eine Hündin mit ihren Welpen befand mit denen wir spielen konnten, während die Dame alles weitere vorbereitete. Ein Welpe namens Makkaroni war dabei besonders aufgeweckt und putzig. Generell wurde jeder Wurf nach einem Thema benannt, wie zum Beispiel Game of Thrones Charaktere, oder wie im Falle dieser Welpen, Nudeln. Wie wir später erfuhren, war das Spielen mit den Welpen ein win-win Geschäft für die Betreiber, denn aufgrund des Husky Cafés ist es den Betreibern wichtig, dass die Huskys von klein auf gut sozialisiert werden. So konnte man tatsächlich jeden Hund ob groß oder klein auf dem Gelände streicheln. Generell war das Wilderness Center ein fabelhafter Ort. Die Huskys wurden hier in erster Linie als Schlittenhunde ausgebildet. Wenn sie aber zu alt wurden, oder aus anderen Gründen nicht dafür geeignet waren, so wurden die Hunde kostenlos an Familien in der Umgebung vermittelt. Dabei kümmert man sich auch nach der Vermittlung noch gewissermaßen um die Hunde. Man nahm sie zum Beispiel auf, wenn die neue Familie verreisen wollte und man stellte dabei auch noch kostenlose Gesundheits-Checks bereit. Alles in allem merkte man, dass in diesem Ort sehr viel Herzblut und sehr viel Liebe zum Hund steckte.

Nach dem Besuch bei den Welpen führte unsere Huskyführerin uns noch etwas herum, bevor wir unsere Hunde für den Tag kennenlernen sollten. Kevin bekam eine Hünding namens Cherry zugewiesen und meine Hündin hieß Daisy. Zusätzlich zu Gummistiefeln und Regenkleidung bekamen wir jeweils einen Bauchgurt an dem die Hundeleine befestigt wurde. Dadurch merkten wir auch direkt was für eine Zugkraft Huskys haben, denn von einer gemütlichen Wanderung war nicht die Rede. Viel mehr zogen einen die Hunde durch die traumhafte Landschaft Kvaløyas. Wir gingen querfeldein, sodass wir die Gummistiefel wirklich brauchten, da es sehr matschig war. Aber die tollen Hunde und die imposante Aussicht machten das direkt wieder wett. Zusätzlich war gerade Beeren-Saison, sodass wir parallel Blaubeeren und Cloudbeeren pflücken und essen konnten. Letztere sehen aus wie orangene Himbeeren und wachsen nur nördlich vom Polarkreis, sind aber sehr lecker.

Zurück im Wilderness Center bekamen wir noch Kaffee bzw. Kakao, Bacalao (ein Fischgericht welches eigentlich aus Portugal stammt, aber fester Bestandteil der Essenskultur in Norwegen ist) und Schokokuchen. Dabei unterhielten wir uns noch ein wenig mit der Huskyführerin. Obwohl sie aus Belgien kommt, lebte sie einige Zeit in Kanada, wo sie auch ihre Begeisterung für Schlittenhunde entdeckt hatte. Eigentlich sollte sie nur für ein halbes Jahr nach Norwegen, um die Arbeit mit den Hunden vor Ort kennenzulernen, aber die Corona-Pandemie ließ sie hier mehr oder weniger stranden. Wobei sie augenzwinkernd hinzufügte, dass es doch deutlich schlimmere Orte gäbe an denen man stranden könnte. Sie fügte hinzu, dass sie, wenn sie doch mal Urlaub hat, zu ihren Eltern nach Belgien gereist ist, aber so richtig gar nicht verreisen braucht, denn sie arbeite doch bereits im Paradies. Ich muss gestehen, dass mich dieser Kommentar sehr beeindruckt hat, denn es stimmte: Dieser Ort war das Paradies: Tromsø als schönes lebendiges kleines Städtchen, die wunderschöne Natur und die Huskys. Was will man mehr?

Nach dem Essen gingen wir noch einmal zu den ganzen Huskys auf dem Gelände, um sie zu knuddeln und zu streicheln. Danach sind wir noch einmal in den Souvenirshop, allein schon deswegen, weil man diesen Ort hier wirklich gerne unterstützt. Nur schweren Herzens konnten wir uns von den Hunden trennen, aber es gab noch einen weiteren Programmpunkt an diesem Tag: Den Brosmetiden Trail.

Der Brosmetiden Trail ist wie bereits erwähnt ein besonders einfacher Wanderweg, welchen Øystein uns empfohlen hatte und der sich ebenfalls auf Kvaløya befindet. Der Weg führt einen kleinen und zum Glück auch nicht allzu steilen Berg hinauf und belohnte einen mit einer atemberaubenden Aussicht. Nachdem wir versucht haben das Gesehene auf Fotos festzuhalten, ging es zurück zum Auto und zur Unterkunft wobei wir unterwegs noch einen kurzen Fotostop bei einer Reihe freilaufender Rentiere machten. So endete unser letzter Tag in Tromsø, einem wahren Paradies auf Erden.

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