Reisen

Skandinavien (2021): Von Thüringen zum Nordkap und zurück

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Alta – Felsenzeichnungen und Cowboys

Sucht man im Internet nach Sehenswürdigkeiten in Alta, so findet man unter anderem eine Kirche mit einem sehr eigenartigen modernen Baustil, oder um es subjektiv zu bewerten, eine sehr hässliche Kirche. Da wir aber ohnehin an dieser Kirche vorbei fahren würden, beschlossen wir dort dennoch einen kurzen Halt einzubauen. Die Kirche wirkt ein bisschen wie aus einem Science-Fiction Film, was auch daran liegt, dass sie komplett silber-metallisch glänzt, als hätte man sie in Alufolie eingewickelt. Vor Ort kam noch hinzu, dass man umgerechnet ca. 10€ Eintritt zahlen müsste, wenn man die Kirche von innen sehen will. Das war sicherlich zu viel des Guten und so beließen wir es dabei ein Mal um die Kirche herum zu spazieren. Immerhin gab es neben der Kirche einen sehr schönen und gepflegten Bereich mit öffentlichen Fitnessgeräten. So etwas wünsche ich mir schon seit langem auch für Weimar.

Die wohle größte Attraktion in Alta war das Alta Museum, welches rund um alte Felszeichnungen aus der Jungsteinzeit und der Bronzezeit errichtet war. Dies gehört sogar zum UNESCO Weltkulturerbe und ist in Alta natürlich ein Pflichtbesuch. Das Museum teilt sich auf in ein Museumsgebäude mit Fundstücken und Ausstellungen und in einen Außenbereich mit den eigentlichen Felszeichnungen. Dort gibt es zwei Strecken unterschiedlicher Länge, eine lange und eine kurze Strecke, entlang derer man die unterschiedlichen Zeichnungen bewundern kann. Wir beschlossen kurzerhand einfach beide Strecken zu laufen um alles zu sehen, wobei man bei der langen Strecke an einem Punkt wenden musste, da dort Bauarbeiten waren. Am Eingang des Museums kann man sich aussuchen, ob man gegen Aufpreis einen Audioguide möchte oder ob ein Flyer reicht, wo aber alle Informationen drauf standen. Wir entschieden uns für die letztere der beiden Optionen und lasen uns gegenseitig an den jeweiligen Punkten die Texte vor. Auf der kurzen Strecke befand sich eine recht große französische Touristengruppe, die alle Audioguides hatten und zum Teil die Wege auf den dünnen Stegen versperrten, jedoch löste sich das Problem dann auf der langen Strecke. Die Felszeichnungen selber waren streng genommen Felsritzungen, da hier Bilder in den Stein geritzt wurden und es unklar ist inwiefern Farben verwendet wurden. Da diese Ritzungen nicht immer gut zu erkennen waren, war ein Teil von ihnen mit roter Farbe “aufgefüllt”. Mittendrin kam dann die Frage auf, ob das denn überhaupt eine gute Idee sei diese alten Ritzungen einfach mit Farbe nachzuzeichnen und so ließ man es auf halber Strecke bleiben, weswegen einige Zeichnungen rot waren und andere naturbelassen blieben. Alles in allem ist das Alta Museum aber ein sehr schöner Ort und auf jeden Fall einen kleinen Ausflug wert, wenn man mal im hohen Norden ist.

Etwas abseits des Stadtkerns fanden wir einen hübschen und sogar recht günstigen Campingplatz, welcher auch noch malerisch am Wasser gelegen war. Das Wetter war gut genug, dass wir wieder im Wagen schlafen konnten ohne Angst haben zu müssen, dass es nachts zu kalt werden würde. Da es erst früher Nachmittag war, beschloss ich noch etwas wandern zu gehen. Kevin hatte mir hierfür einen schönen und nicht zu langen Wanderweg, Lille Raipas, herausgesucht, welcher sich in der Nähe des Campingplatzes befand und lediglich etwas über 5km lang war. Der Weg führt an alten Kupferminen vorbei und zeichnet sich durch unterschiedliche Gesteinsformationen aus. Ziel ist der 286 Meter hohe gleichnamige Berg von dem man eine schöne Aussicht über das Gebiet hat. Das einzige Problem war zum Start der Wanderung zu gelangen, da ich die Wahl hatte an einer Hauptstraße ohne Bürgersteig entlang zu laufen oder aber durch den Wald irren musste. Auf dem Hinweg entschied ich mich für die zweite Option und auf dem Rückweg wählte ich den direkten Weg entlang der Hauptstraße. Natürlich war der Waldweg deutlich schöner, jedoch waren die Waldwege teils sehr uneben und schlängelten viel hin- und her, wodurch der Waldweg ein gutes Stück länger war.

In der Nähe des Campingplatzes befand sich Sami Siida, ein großes Sami-Zelt umzingelt von Rentier-Gehegen. In dem Zelt selbst befand sich ein Restaurant und da das unser letzter Abend in Norwegen war, wollten wir diesen Abend mit einem Restaurantbesuch krönen. Als wir das Gelände betraten, wirkte es jedoch wie ausgestorben. Es dauerte eine Weile bis wir den Eingang zum großen Zelt fanden und als wir schließlich davor standen, ging die Tür nicht auf. Enttäuscht wollten wir wieder zum Campingplatz zurück kehren, als wir durch ein Fenster sahen, dass sich im Inneren Gäste befanden. Standen wir vor dem falschen Eingang? Wir umrundeten das Zelt weiter bis wir am Hintereingang standen und sahen wie das Personal eifrig in der Küche beschäftigt war. Unser Klopfen und Winken wurde jedoch konsequent ignoriert. Nach einer erneuten Umrundung standen wir wieder vor dem mutmaßlichen Eingang und siehe da, die Tür klemmte bloß ein wenig. Der erste Eindruck war leider nicht der Beste. Am Beginn des Gästebereichs befand sich eine Art Rezeption, wo eine gelangweilte Dame in Sami-Kleidung wartete bis wir sie ansprachen und nicht anders herum, damit sie uns zwei Karten in die Hand drückte und unsere Bestellung aufnahm, bevor es zu unseren Plätzen ging. Wir fingen schon an, an unserer Entscheidung hier zu Essen zu zweifeln, aber als dann endlich serviert wurde, was sogar erstaunlich schnell ging, waren die Zweifel wie weg gefegt. Kevin hatte ein Rentier-Schnitzel und ich hatte Rentier-Geschnetzeltes und beide Gerichte waren unglaublich lecker! Das Fleisch war zart und gut gewürzt und als Beilage gab es leckeres Gemüse. Wir waren so begeistert, dass wir in Windeseile aufgegessen hatten und sogar noch jeweils ein Dessert bestellten. Kevin nahm einen Schokopudding mit Vanillesauce, der okay war, aber nichts besonderes, und ich wollte mich gegen Ende an einer Moltecreme probieren, die aus den Cloud-Beeren hergestellt wurde. Die Creme war in Ordnung, aber mit der guten Hauptspeise konnte auch sie es nicht aufnehmen. So fand unser letzter Abend in Norwegen doch noch ein gutes Ende.

Fjordpferde am Fjord

Zwar hatten wir schon zahlreiche Fjorde in Norwegen gesehen und auch ein Pferd am Fjord, aber richtige norwegische Fjordpferde hatten wir leider keine gesehen. Daher hatten wir für den nächsten Vormittag noch einmal etwas ganz besonderes geplant. In der Nähe unseres Campingplatzes befand sich der Reiterhof “Flatmoen Natur”, der eine verschiedene Touren zu Pferd anbietet. Ich selbst war als Kind und als Jugendliche lange Zeit in der Reitschule und bin natürlich verrückt nach Pferden. Kevin saß zwar schon einmal in Peru auf einem Pferd, aber das war’s auch schon. Daher entschieden wir uns eine kleine Einsteiger*innen-freundliche Tour mit dem Titel “Taste of Horse Riding” zu buchen. Johnny, der Besitzer, hieß und willkommen. Auch wenn er ein Norweger war, so war er von Kopf bis Fuß ein waschechter Cowboy und das nicht nur der Kleidung wegen. Sein Englisch wies einen klaren US-Amerikanischen Akzent auf und er erzählte uns, dass er eine längere Zeit in den USA mit Cowboys und Pferden verbracht hatte. Dabei merkte man schnell, dass dies seine große Leidenschaft war. Seine Augen leuchteten jedes Mal auf, wenn er von seinen Erfahrungen in den USA berichtete und man musste kein Experte sein, um zu sehen, dass er einen ganz besonderen Zugang zu seinen Pferden hatte. Während uns die Hofkatze begrüßte, indem sie ständig um uns kreiste oder sich zu unseren Füßen hin und her rollte, wies Johnny uns in den Plan für heute ein. Er erklärte uns, dass diese Tour vor allem von Pärchen gebucht werde von denen die Frau als Kind oder Jugendliche Reiterfahrung gesammelt hat, während der Mann absolut keine Ahnung von Pferden hat. Wir mussten lachen, denn das traf den Nagel so ziemlich auf den Kopf.

Als nächstes stellte Johnny uns unsere Pferde für heute vor, wobei jedes Pferd eine Besonderheit für sich war. So wurde Kevin Hercules zugewiesen, ein waschechter Fjordpferd – endlich! Ich bekam Leo, ein American Quarterhorse, mit dem Johnny eine Meisterschaft im Lassowerfen gewonnen hatte. Ein waschechter Champion also. Johnny selbst hatte einen Schecken namens Lucky für sich, der noch recht jung war und entsprechend Training brauchte. Nachdem wir unsere Pferde sauber gemacht hatten, half Johnny uns beim Anlegen des Sattels und der Trense. Kevin bekam eine kurze Einweisung in die Kunst des Reitens. Im nächsten Moment ging es dann auch schon in gemütlichem Schritt-Tempo ins Gelände. Dabei führte uns Johnny auf Lucky vorne an, Kevin und Hercules waren in der Mitte und Leo und ich bildeten den Schluss. So war Kevin quasi vorne und hinten abgesichert und brauchte sich trotz Mangel an Reiterfahrung keine großen Sorgen zu machen. Ich muss auch sagen, dass Kevin vor dem Anbetracht der Tatsachen tatsächlich eine gute Figur zu Pferd machte und sich echt gut geschlagen hat.

Es war ein wahrer Traum die fabelhafte Landschaft vom Rücken eines Pferdes aus zu betrachten. Wir ritten durch den Wald, am Fjord entlang und passierten malerische Berge. Teilweise ging es sehr steil bergauf bzw. bergab, aber Johnny versicherte uns, dass die Pferde dies kannten und tatsächlich meistern sie jeden noch so steilen Auf- und Abstieg mit Bravour. An einer erloschenen Feuerstelle am Ufer fing Lucky an zu scheuen, doch Johnny wusste direkt wie man ihn beruhigt. So stieg er rasch ab und führte Lucky vorsichtig an die Feuerstelle. Er hob einen Stock davon hoch und zeigte dem unerfahrenen Lucky, dass hiervon keine Gefahr ausgeht. Es war faszinierend zu beobachten, wie er mit dem jungen Pferd umging und ihm so die Angst nahm. Am Ende der Tour, durfte ich noch einmal mit Leo auf den Reitplatz und nach 12 Jahren Pause zu galoppieren. Dies war am Anfang noch etwas holprig, auch weil Leo im sogenannten Western-Stil geritten wurde, während ich in der Reitschule den klassischen Englischen Stil gelernt hatte. Nach ein paar Tipps von Johnny klappte das aber sogar verhältnismäßig gut.

Nach der Reit-Tour nahmen wir auf der Veranda vor einem der Gebäude Platz. Johnny brachte uns Kaffee und Tee bevor er über einer Feuerstelle selbstgemachte Zimtschnecken von seiner Frau für uns warm machte. Auf diese Zimtschnecken war er ganz besonders stolz, da sie sogar schon einmal in einer Online-Review aufgetaucht sind und das auch zu Recht, denn die waren wirklich köstlich. Wir unterhielten uns noch länger über den Hof, Johnnys Zeit in den USA und über die verschiedenen Wettbewerbe und Western-Shows an denen er teilgenommen hatte und von denen er uns Fotos zeigte. So neigte sich der Vormittag langsam dem Ende zu. Wir verabschiedeten uns von Johnny und bedankten uns noch einmal, bevor wir ins Auto stiegen. Kaum waren wir losgefahren, machte das Wetter auch eine 180°-Wendung und aus dem strahlenden Sonnenschein wurde ein unaufhörlicher Regen.

Riddo Duottar Museat – Ein letztes Mal bei den Sami

Der Regen prasselte gnadenlos auf die Windschutzscheibe als wir einen letzten Stop auf norwegischem Boden einlegten. In Kautokeino befand sich das Riddo Duottar Museat, ein kleines privates Sami-Museum. Dieses bestand aus zwei Teilen: Einem kleinen klassischen Museum im Hauptgebäude und einem Freilichtmuseum mit ein paar wenigen Holzhütten im Außenbereich. Ein dicklicher Mittzwanziger stand an der Kasse und wirkte leicht überrascht, da wir offenbar die einzigen Personen waren, die das Museum zu der Zeit besuchten. Er erklärte uns kurz den Aufbau des Museums und gab uns einen Flyer bevor es in die Ausstellung ging. Diese beinhaltete für ihre kleine Größe eine beträchtliche Anzahl an Ausstellungsstücken. Als nächstes sollte es in den Außenbereich gehen, jedoch war der Regen noch immer gnadenlos. Also unterhielten wir uns stattdessen etwas mit dem Kassierer, der sich über die Abwechslung sichtlich freute. Natürlich war das Wetter Small-Talk Thema Nr. 1. So erzählte auch er, dass es hier im Winter auch mal -30°C kalt sein könne. Auf meine Frage, wie sich -30°C denn anfühlen würden, antwortete er lediglich, dass er das nicht so genau sagen kann, weil er eher selten das Haus verlässt und viel mehr ein Stubenhocker sei. Kombiniert mit seinem eher nerdigen Erscheinungsbild wunderte mich das nicht, machte ihn aber auch sympathisch. Schließlich trauten wir uns doch noch raus in den Regen und besuchten die wichtigsten Gebäude im Außenbereichs, bevor wir wieder im trockenen Wagen saßen und auf die Norwegisch-Finnische Grenze zusteuerten.

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