Reisen

Südafrika (2020)

Johannesburg – Die gefährlichste Stadt der Welt?

Die Fahrt von Kapstadt nach Johannesburg dauerte ca. 20 stolze Stunden. Dies hört sich nach einem wahren Horror-Trip an, war aber verblüffend ertragbar. Entweder wir waren nach dem Mokhotlong-Bus so abgehärtet, oder die Fahrt war wirklich nicht schlimm. Zu Beginn ging es durch die Winelands mit ihrer schönen bergigen Landschaft. Da wir die Garden Route aus Zeitgründen weg lassen mussten, war dies zumindest ein kleines Trostpflaster. Wie bereits bei unserer Fahrt nach Port Elizabeth, war auch dieser Bus wieder ein Schlafbus. Wir hatten auch wieder exakt die gleichen Plätze: Auf dem Oberdeck ganz vorne mit einer super Aussicht. Dank der transformierbaren Sitze konnte man ein paar Stunden schlafen. Hin und wieder gab es kurze Stops an Raststätten bei denen man sich etwas die Beine vertreten konnte. Die ersten Vorboten Johannesburgs kamen, als unsere Schnellstraße Soweto, den wohl berühmtesten Township Südafrikas, kreuzte. Kurz darauf erblickte man auch schon das WM Stadion und schließlich am Horizont die Skyline Johannesburgs. An dieser Stelle machte ich einen entscheidenden Fehler. Ich googelte Erfahrungsberichte zum Busbahnhof Johannesburg. Was ich da vorfand klang alles andere als gut. Vom Verlust der Wertsachen bis zum Schlag auf den Kopf mit einem blutigen Erwachen in einer der Seitenstraßen war alles mit dabei. Willkommen in der gefährlichsten Stadt der Welt. Nun muss man sagen, dass das alles natürlich sehr schlimm klingt, die Leute in Johannesburg sich aber auf ihre Weise damit arangiert haben. So fuhr unser Reisebus auf einen unterirdischen bewachten Parkplatz, der quasi komplett abgeschirmt war von der Außenwelt. Wir schnappten uns unsere Taschen und gingen in die Bahnhofshalle, die groß genug war um als Flughafen durchzugehen. Neben dem Schalter unserer Busfirma fanden wir einen ruhigen, aber nicht abgeschiedenen Fleck, wo ich mein Smartphone raus holen und einen Uber rufen konnte. Zu meiner Überraschung funktioniert das auch problemlos. Kurz darauf rief mich der Fahrer an und erklärte mir, was ich schon vermutet hatte, nämlich dass er nicht einfach zum Busbahnhof fahren könne, weil das zu gefährlich sei. Er wies mir über’s Telefon den Weg zum oberen Parkdeck, wo wir am Eingang warten sollten, da dort auch Sicherheitsleute waren. Von da aus holte er uns zu Fuß ab und wir liefen zusammen zu seinem Wagen, der er sicherheitshalber etwas abseits geparkt hatte.

Unsere Unterkunft war ein cooles Hostel in Melville, dem Hipster-Viertel von Johannesburg und gleichzeitig einem der sichersten Stadtteile Johannesburg, obwohl es auch hier kurz zuvor noch eine Schießerei gegeben hatte. Die nahe Umgebung unsere Hostels konnte man sicher zu Fuß erkunden. Es gab eine lange Straße mit hippen Restaurants, wo wir auch direkt ein verspätetes Mittagessen zu uns nahmen. Zusätzlich gab es ein kleines Einkaufszentrum wo sich auch ein großer Supermarkt befand. Dort deckten wir uns mit einigen Lebensmitteln ein. Generell ließen wir es an diesem Tag eher ruhig angehen. Kevin konnte nachholen, was er schon lange machen wollte: Er zog sich seine Badehose an und sprang in den Pool, der sich direkt vor unserem Zimmer befand. Ich setzte mich an den Rand und plantschte zumindest mit den Beinen etwas im Wasser. Am Abend gab es in unserem Hostel ein Braai, ein traditionelles afrikanisches Grillen. Wir hatten zuvor Fleisch gekauft, dass wir beim Personal abgaben, das uns das Ganze dann grillte und auf Tellern serviert zurück gab. Alles in allem war es echt angenehm und all die schlimmen Sachen, die man über Johannesburg hörte, waren in Melville schnell vergessen.

Der nächste Tag war gleichzeitig unser letzter Tag in Südafrika. Da unser Flug allerdings erst am Abend ging, wollten wir den Tag noch voll nutzen. Wir checkten aus, ließen unser Gepäck aber noch in der Unterkunft. Unser Ziel für den Tag war das Apartheid Museum. Das Apartheid Museum war eines der besten Museen in denen wir bislang waren. Wir waren direkt zur Öffnung da und das war auch richtig so, denn das Museum war riesig. Wenn man den Eintritt bezahlt wird man zufällig auf dem Ticket als weiß oder nicht-weiß deklariert. In unserem Fall war Kevin weiß und ich war nicht-weiß. Entsprechend unserer Tickets mussten wir unterschiedliche Eingänge verwenden. Das hört sich an sich nach einer Kleinigkeit an, hatte aber bereits einen guten Einfluss auf das persönliche Empfinden. Hinter den Eingängen waren Geschichten von Weißen oder Nicht-Weißen aus der Zeit der Apartheid platziert. Zusätzlich gab es Bilder von Ausweisen und offiziellen Dokumenten. Man traf sich wieder auf einem Außengang wo Spiegel mit Fotos verschiedener Personen aufgestellt waren, die komplett verschieden waren, deren Familien aber alle irgendwann nach Südafrika gekommen waren. Später im Museum gab es auch noch ihre individuellen Geschichten im Detail neben persönlichen Gegenständen, die ausgestellt waren. Generell war die Ausstellung sehr schön strukturiert mit vielen persönlichen Schicksalen und mit schönen interaktiven Exponaten. Zur Zeit unseres Besuchs gab es noch zusätzlich eine temporäre Ausstellung zu Nelson Mandela. Allein die Begutachtung dieser kleinen Zusatz-Ausstellung dauerte bereits 2 Stunden. Gegen Ende der Ausstellung wurde ich dann auch noch interviewt, weil zu der Zeit anscheinend ein Image-Video für das Museum gedreht wurde, sollte ich dieses Video online in der Zukunft finden, so werde ich es an dieser Stelle nachreichen 😉
Das Museum ist absolut empfehlenswert und es ist den Zeitaufwand auf jeden Fall wert. Gegen Ende der Ausstellung gab es ein paar moderne Kunstwerke wo unter anderem ein Gedicht war, das all die sozialen Probleme, die Südafrika zur Zeit hat, sehr gut zusammen fasst:

Ich bin stolz in Südafrika als Rassist abgestempelt zu werden wenn

Ich empört bin über ineffective, schwachsinnige 4×4 Politiker
Ich schockiert bin über unzählige Farm-Morde die unangefochten bleiben
Ich es hasse wenn die Polizei Schmiergeld annimmt ohne dafür bestraft zu werden
Ich bestürzt bin, dass die Arbeitslosigkeit und Armut immer schlimmer wird
Ich angewiedert bin
dass Bildung so armselig verwaltet und vernachlässigt wird
Ich Sicherheitsmauern, Elektrozäune, Alarmanlagen und Wachhunde zu schätzen weiß
Ich Kriminalität und Kriminelle unabhängig der Hautfarbe verabscheue
Mein Fieber steigt wenn gewaltsame Auto-Überfälle nicht unter kontrolle gebracht werden können
Ich Angst habe
um das Leben meiner Kinder wenn sie auf die Straße gehen
Ich wahnsinnig werde wenn Sportvereine dazu gezwungen werden unterversorgte Spieler auszusuchen
Ich innerlich
koche wenn die Polizei uns mit einer falschen oder mit gar keiner Kriminalstatistik verarscht
Ich es untollerierbar finde dass Politiker sich ihre eigenen Taschen auf Kosten der Armen füllen
Ich den Konkurs von Stadträten als eine kriminelle Verschwendung von Steuergeldern sehe
Ich wütend werde wenn Angelegenheiten über administrative Inkompetenz ignoriert werden
Ich abgestoßen bin davon dass Geld für unnötige Militärflugzeuge und U-Boote verschwendet wird
Ich entsetzt bin
über die schockierende und unangemessene Behandlung in öffentlichen Krankenhäusern
Ich es nicht ausstehen kann, dass immer mehr Touristen uns vermeiden wie die Pest
Ich frustriert aufschreien könnte wenn Arbeitsplätze an unqualifizierte Personen verteilt werden
Ich mich beleidigt fühle wenn es heißt, dass eine kalte Dusche nach dem Sex AIDS vorbeugen könne
Ich es unterträglich finde, dass mein Land als Vergewaltigungshauptstadt der Welt bezeichnet wird
Ich rauche, wenn tausende mittellose AIDS-Waisen ohne Hilfe leben müssen
Ich weine wenn die Rechte von Verbrechern mehr geschützt werden als die der Opfer
Ich die weitreichenden, verlängerten Stromausfälle inakzeptabel finde
Ich die Korruption von Regierungsbeamten
zutiefst verabscheue

Nach unserer Tour durch das Museum besuchten wir noch den Souvenirshop und stärkten uns im Restaurant. Gleichzeitig entgingen wir so dem Unwetter, das draußen gerade wütete.

Schließlich ging es zum Flughafen. Bei dieser letzten Tour verabschiedete uns Afrika nochmal auf seine typische Art und Weise. Eigentlich haben wir rechtzeitig unseren Uber zum Flughafen gerufen, allerdings gab es in der Innenstadt einen Stau, da gerade Rush Hour war. Die Uber App machte laut auf sich aufmerksam und zeigte dem Fahrer Wege den Stau zu umfahren, doch aus einem mir absolut unerklärlichen Grund, ignorierte unser Fahrer die Signale und fuhr munter immer tiefer in den Stau rein. So kam es, dass wir viel später als erwartet am Flughafen ankamen. Dort gab es zwei Terminals, A und B. Meine App zeigte mir an, dass unser Flug von Terminal B ging, allerdings war er vor Ort nirgends aufgelistet. Wir gingen schnellen Schrittes zum Info Schalter und fragten nach. Dummerweise gab es an dem Tag zwei Flüge nach Frankfurt. Einen Flug von der Lufthansa von Terminal A und einen Flug von South African Airways von Terminal B. Letzterer war unser Flug. Die Dame am Info-Schalter schickte uns aber natürlich zu Terminal A. Da wir ohnehin schon spät dran waren, setzten wir unsere großen Rucksäcke auf und rannten los. An Terminal A klärte man uns darüber auf, dass wir hier offensichtlich falsch waren. Leider wusste aber niemand wo wir hin mussten. Wir sollen doch in Terminal B nochmal fragen. Also wiederholten wir das ganze Spiel und sprinteten zurück zu Terminal B, wo wir der Dame am Info Schalter erklärten, dass wir nicht mit der Lufthansa fliegen, sondern mit South African Airways. Sie schickte uns daraufhin zu einem Schalter, der natürlich erneut falsch war, jedoch war der richtige Schalter immerhin in Blickweite und so schafften wir es doch noch rechtzeitig unser Gepäck abzugeben und durch die Sicherheitskontrollen zu gehen. Im Transit Bereich verprassten wir unser letztes Kleingeld für Mitbringsel und jede Menge Biltong, bevor wir in das Flugzeug stiegen und uns von Südafrika verabschiedeten.

Fazit

Wir sind nun schon viel gereist, aber Afrika ist noch einmal etwas ganz anderes. An die harten Grenzen zwischen extremer Armut und einem luxuriösen Leben konnten wir uns bis zum Schluss nicht gewöhnen. Diese harte Grenze ist es auch, die zum Schluss keine Gewinner zulässt. Schwarz zu sein bedeutet in Südafrika von Geburt an nur beschrenkt die Chance auf ein gutes Leben in Würde zu haben. Weiß zu sein wiederum bedeutet seine Freiheit aufzugeben und sich hinter Sicherheitszäunen zu verstecken. In Lesotho dann haben wir gelernt was der Begriff “Dritte Welt” wirklich bedeutet, indem wir eine unglaublichen Armut ins Gesicht gesehen haben. Und trotzdem ist Afrika ein wunderschöner Kontinent und Südafrika auf jeden Fall eine Reise wert. Neben der interessanten Geschichte ist es vor allem die Natur, die einen hier in Staunen versetzt. Es ist das eine am Wochenende in den Zoo zu sehen. Wenn man aber eine Straße in einem der Nationalparks entlang fährt und auf einem einer Herde Elefanten begegnet ist das nochmal ein vollkommen anderes Gefühl. Drakensberg wiederum ist sowohl auf südafrikanischer wie auch auf Lesotho-Seite wunderschön mit seinem Gebirgs-Panorama und der interessanten Tierwelt. Und schließlich gibt es noch die Küstenregion mit ihren steilen Klippen und mit den unglaublich süßen Pinguinen. Wer die Natur liebt, wird auch Südafrika lieben.

Souvenirs 😉

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