Reviews

Buch Review: “Herz aus Stern”

Da ich früher schon hier und da kleine Game- und andere Produkt-Reviews in Foren oder auf Seiten diverser online-Shops geschrieben habe, hatte ich jetzt Lust auch mal zu einem Buch ein ausführliches Review zu schreiben. Es handelt sich um das Buch „Herz aus Stern“ von Nino Kerl, welches am 14.02.2020 erschienen ist. Gerade weil ich es weder als perfektes Werk sehe noch als kompletten Reinfall, sondern recht kontrovers in seinen Qualitäten, will ich darüber berichten.

Ich selbst bin ein großer Fan von vielen Animes, Mangas und verschiedenen RPGs und anderen Spielereihen. So bin ich ähnlich wie der Autor ein großer Fan z.B. von den Final Fantasy Spielen oder lese auch viele Mangas oder schaue Animes, die unter anderem die japanische Kultur behandeln, wie Noragami oder Death Note. Nicht zuletzt lese ich auch seit über zehn Jahren sehr gern japanische Light Novel Reihen, angefangen mit Kinos Reise oder Haruhi Suzumiya, bis hin zu aktuellen Reihen wie Accel World oder Goblin Slayer (meist in Deutsch, oder alternativ in Englisch). Vor diesem Hintergrund war ich sehr überrascht, als Nino Kerl (dessen Youtube-Kanal ich für Anime News verfolge) eine (Light-)Novel angekündigt hat, die damit aus Deutschland kommt und nicht aus Japan.

Im Folgenden werde ich auf verschiedene Aspekte des Buches eingehen. Dabei werden aber auch einige kleine Spoiler auftauchen. Wer eine Zusammenfassung ohne Spoiler lesen will, kann direkt runterscrollen zum Fazit.

Handlung

Die Geschichte fängt mit dem kleinen Mädchen Su an, welches ähnlich wie bei „Peter Pan“ in eine Fantasie-Welt entführt wird, um ihren tristen und traurigen Alltag zu entkommen. Diese „Fantasie-Welt“ ist die Milchstraße, wo sie mit der Milchbart-Piratenbande die Milchstraßen-Galaxie durchreist und dabei verschiedene Planeten und Kulturen kennenlernt. Der Leitfaden der Handlung erinnert hier sehr an „One Piece“, mit dem Unterschied, dass die Abenteuer hier auf Planeten und nicht auf Inseln gemeistert werden. Was sich zuerst gut anhört und als Serie durchaus Sinn ergäbe, verwandelt sich in dem Buch leider oft in zusammenhangslose Ereignisse, die nur dürftig miteinander verknüpft werden und erst im letzten Drittel des Buches ineinanderfließen. Der letzte Teil des Buches nimmt dabei noch am meisten Fahrt auf, wird aber leider viel zu schnell abgehandelt. Dabei habe ich mir die Frage gestellt, ob der Autor nicht die Haupthandlung mehr hätte in den Vordergrund drängen können und dieser schon von Anfang an mehr Relevanz hätte geben können, als sie durch die vielen kleinen Geschichten eher in den Hintergrund zu drängen und am Ende viel zu schnell abzuspeisen. So stellen die Story Abschnitte wie z.B. die zur „Moby Dick“ und dem „Restaurant Anubiss“ zwar teils aktionsreiche und lustige Handlungsstränge dar, helfen der Hauptstory aber kaum weiter. Andere Orte hingegen wie „Kuhdaiba“, der künstliche Planet, stellen interessante Diskussionen in den Raum und bieten mit deren Handlung mehr Entwicklung für das gesamte Geschehen.

Charaktere

Die Charaktere in dem Buch sind alle recht außergewöhnlich und oft Tieren bzw. Gottheiten (aus verschiedenen Religionen) nachempfunden. Diese verhalten sich dann auch meist ihren Vorbildern entsprechend. Dennoch wird einigen Charakteren mehr Liebe zu teil als anderen. Während Hauptcharaktere wie Hatschi oder NekoNeko über die Zeit eine sinnvolle Hintergrundgeschichte verpasst bekommen, werden andere Charaktere nur sehr kurz behandelt (trotz beigefügter Illustrationen), obwohl diese in der Haupthandlung viel genauer hätten beschrieben sein sollen. Die Charaktere Sarang oder Klippot/Tenno könnten hier beispielhaft genannt werden, aber schlimmer fand ich noch das Mädchen Yoru. Diese stellt (ohne zu viel zu spoilern) fast den Untergang der Galaxie dar, taucht aber erst auf den letzten Seiten des Buches auf, obwohl man ihre Existenz schon viel früher in anderen Handlungsteilen hätte andeuten können. Ebenfalls macht die Interaktion zwischen bestimmten Charakteren wenig Sinn, wenn man das Ende des Buches kennt. Warum wird ein König der Galaxie von keinem seiner Einwohner erkannt?

Illustrationen

Während die letzten zwei Hauptpunkte eher negativ klangen, muss man die Illustrationen doch positiv hervorheben – denn diese sind wirklich sehr schön und detailliert geworden. Die Zeichnerin Reyhan Yildirim hat bei den Illustrationen ein gutes Händchen darin bewiesen, die Charaktere schön im Manga-Stil darzustellen. Wenn man doch etwas negatives Erwähnen darf, dann eher das Fehlen von tatsächlichen Bildern von Szenen in dem Buch – die Charaktere werden nämlich fast ausschließlich nur im Profil dargestellt und nicht während einer Handlung, wie es sonst in Light Novels üblich ist. Dadurch fällt es schwer mir vorzustellen, wie bestimmte Orte oder Ereignisse aussehen. Wenn die Piratencrew mit einem echten (Holz-)Schiff durch die Milchstraßen-Galaxis reißt, schwimmt es dabei wirklich auf Milch (was bei den vielen Kuh-Anspielungen wohl logisch wäre) oder auf vielen kleinen Sternen, die wie ein Meer aussehen? Auch das schnelle Aufsteigen von Strickleitern oder Treppen durch Konsumierung von Bohnen konnte ich mir nur schwer vorstellen. Obwohl eine Anime-Umsetzung recht unwahrscheinlich ist (man könnte aber sicher 26~52 Episoden daraus herausholen – nur kein Film, das wäre zu kurz), würde mich doch interessieren, wie man diese Szenen animieren würde.

Schreibstil

Bei dem Schreibstil des Buches bin ich auch sehr zwiegespalten. Eigentlich muss man dem Autor viel Respekt dafür zollen, was für wunderschöne Metaphern er sich einfallen lassen hat, um die Orte, Gefühle der Charaktere und Situationen zu beschreiben. Da diese aber oft recht lang gehaltenen sind, habe ich mich oft als Leser darin verloren und bin abgeschweift – besonders wenn diese mal locker über eine Viertelseite gehen können. Dennoch konnte ich mich mit der Zeit daran gewöhnen und fand den Schreibstil dahingehend sogar sehr interessant. Allerdings gab es zwei andere Dinge an dem Schreibstil, die ich weniger gut fand und die mich bis zum Ende des Buches sogar oft sehr gestört haben.

Das eine ist die Verwendung von Klammern im Text, um Dinge noch einmal ausführlicher zu erklären oder Kommentare von dem Autor selbst einzufügen (selten auch als Fußnote). Das ist recht unüblich bei Romanen und unterbricht immer stark den Handlungsfluss. Es fühlt sich an, als ob man ein „Directors Cut“ von dem Buch mit Live-Anmerkungen des Autors liest. Es ist nicht so, dass ich diese Anmerkungen immer schlecht fand (einige sind auch lustig oder interessant), aber da das Buch schon ein rund 20-Seiten großes Glossar am Ende besitzt, hätte ich solche weiteren Erklärungen des Autors eher dort gesehen, als dabei ständig aus der Handlung heraus geworfen zu werden. Dennoch kam es mir vor, dass eher am Anfang des Buches (wenn die Welten entdeckt und erklärt werden) mehr Klammereinschübe auftauchen als gegen Ende des Buches.

Das andere Problem, was ich in dem Schreibstil des Buches sehe, ist die extrem hohe Wiederverwendung von verschiedenen Phrasen. Dazu gehören unteranderem:

– „Hera hab Dank. Und Dank sei euer.“
– „Vergebt und vergesst, ich bitte euch.“
– „Weiße Tage und goldene Nächte.“
– „… , wenn’s beliebt.“

Auch wenn es wohl beabsichtig ist, dass Leute in der Milchstraßen-Galaxie oft diese und andere Phrasen verwenden, so ist deren Gebrauch doch viel zu hoch. Oft bin ich direkt automatisch ca. 5 Wörter weiter gesprungen, weil ich es einfach nicht mehr lesen wollte. Der Autor sagt selbst, dass sein Buch eigentlich als Kindergeschichte geplant war. Hier würde es Sinn ergeben den Charakteren in kurzen Büchern ein bestimmtes Profil zu geben, welches man sich leicht merken kann. Wenn man aber einen Roman mit 415 Seiten hat (inkl. Illustrationen, exkl. Anhang), dann nerven diese Phrasen spätestens nach 100 Seiten. Ähnlich fällt auch der Sprachgebrauch von bestimmten Charakteren auf. So sagt zum Beispiel Klippot am Ende seiner Dialoge immer „Klipp. Klipp.“, während Sarang immer „Heilig. Heilig. Heilig.“ sagt. Bis zum Ende habe ich nicht verstanden, wie diese Charaktere das am Ende aussprechen sollen, ohne dabei in einem Gespräch lächerlich zu wirken.

Weitere persönliche Anmerkungen

Beim Lesen des Buches sind mir noch ein paar andere Sachen aufgefallen. Ich würde sie nicht „objektiv“ als gut oder schlecht einteilen, aber „subjektiv“ finde ich sie doch etwas seltsam.

Zum einen zeigt das Buch zwar zu jedem Charakter eine Illustration, die nur bei einem Charakter fehlt und das ist die Hauptperson der Geschichte selbst: das Menschenmädchen Su. Ich dachte erst, das hätte der Autor extra gemacht, damit man sie sich selbst vorstellen muss (als einzige nicht-Fantasie Person), aber nach dem Ende der Geschichte, wird die Illustration doch nachgereicht – warum aber erst zum Schluss? Entweder hätte ich sie doch am Anfang gezeigt, wie bei jeden anderen Charakter auch, oder aber gar nicht. Es am Ende zu zeigen, finde ich etwas seltsam und dachte erst es wäre ein Druckfehler des Buches.

Ein anderer Punkt ist die Namensgebung. Wer viele Manga und Animes konsumiert hat, wird zahlreiche Namen aus der japanischen Sprache sofort verstehen, wie „Neko“, „Shiro“, „Yoru“ oder die Namen der japanischen Glücksgötter. Da auch ich einen Japanisch-Kurs besucht habe und stätig dran bin die Sprache zu lernen, verstehe ich auch diese Wörter ohne Probleme. Dennoch kam ich mir etwas blöd vor, als ich diese auf den Charakterprofilseiten nicht richtig lesen konnte, obwohl sie da in Japanisch und Deutsch standen. Das Problem war, dass diese typisch japanischen Wörter nicht in Hiragana, sondern in Katakana geschrieben sind. Bei ausländischen Wörtern würde das auch Sinn ergeben, aber da „Katze“, „Weiß“ und „Nacht“ normale einheimische Wörter sind, hat mich hier die Schreibweise mit Katakana verwundert.

Ein letzter persönlicher Punkt ist die Verwendung des Wortes „Piraten“. Geschichtlich gesehen sind Piraten Räuber der Meere, die andere Schiffe und Ortschaften überfallen und dabei auch keinen Halt davor machen Personen umzubringen. Hier in der Geschichte macht die Milchbart-Piratenbande aber genau das Gegenteil: sie betreiben Handel und helfen Leuten. Mir ist durchaus bewusst, dass durch Anime wie One Piece und verschiedene Kinderserien das Image der „Piraten“  verkehrt dargestellt wird, aber musste man es deshalb auch so in diesem Buch übernehmen? Ich finde es immer wieder seltsam, wenn dann von guten und schlechten Piraten erzählt wird.

Fazit

Obwohl mich das Buch an einigen Stellen positiv überrascht hat, wie bei den Methapern, Illustrationen und Ideenreichtum an bestimmten Stellen, blieb es doch insgesamt unter meinen Erwartungen. Das lag in erster Linie an den mäßigen Handlungsaufbau und den gewöhnungsbedürftigen Schreibstil. Hätte der Autor mehr Wert auf die Entwicklung der Haupthandlung gesetzt und den Sprachgebrauch der Charaktere mehr zurückgeschraubt, wäre der Roman durchaus verdaulicher geworden. Ich schätze, dass Leser, die bisher weniger Berührungspunkte mit Animes, Mangas und der japanischen Kultur hatten, eventuell mehr Freude an dem Buch haben könnten, weil sie viel mehr Neues erfahren, als jeder andere, der die Anspielungen schon In- und Auswendig kennt und sie eher als peinlich empfindet (wo ich selber auch sehr geschwankt habe). Dennoch würde ich das Buch als lesenswert einstufen, wenn man die letzten Punkte verkraften kann und einfach mal eine deutsche „Light Novel“ lesen möchte.

Meine Bewertung: ★★★☆☆

  • sehr schöne Charakter-Zeichnungen (aber zu wenige von eigentlichen Geschehen)
  • sehr schön formulierte Metaphern
  • teilweise interessante Welten und Geschichten
  • fast unerträgliche Wiederholung verschiedener Phrasen
  • eher zusammenhanglose Aneinanderreihung von Einzelgeschichten (Orten, Planeten), die zusammen nur mäßig zu einer Hauptgeschichte zusammenführen
  • deutlicher „Fanfiction“-Nachgeschmack (viel Neues, aber auch viele „geklaute“ Ideen)

Feedback an den Autor für die Zukunft

Ich weiß nicht, ob Nino Kerl je mein Review zu seinem Buch lesen wird. Dennoch würde ich hier gern Feedback, bzw. Wünsche, für zukünftige Bücher von Ihm äußern. Ich finde seinen Schreibstil selbst ziemlich interessant, da ich selten so gut formulierte Metaphern gelesen habe. Da die Geschichte aber auf so viele Phrasen-Wiederholungen baut, finde ich, ging der gute Schreibstil dabei unter. Es wäre schön, falls er ein neues Buch schreibt, wenn dieses den Schreibstil beibehält, aber die Charaktere „normaler“ sprechen lässt. Außerdem wäre es hilfreich weniger Anspielungen auf verschiedene andere Franchises einzubauen. Es ist völlig okay, die Haupthandlung als Neuinterpretation von einer anderen Geschichte zu schreiben (so wie z.B. das Manga und Anime „Dragon Ball“ auf den Roman „Die Reise nach Westen“ basiert), aber wenn man zu viele fremde Geschichten (wie One Piece, Death Note etc.) zusammenführt, dann entsteht nur eine Fanfiction ohne eigenen Charakter.