Model-Kit “Vic Viper” und Bastelabende
Eigentlich ist es mir recht peinlich, wie ich überhaupt zum Modellbau kam… aber der Vollständigkeit halber möchte ich es hier gern erklären. Wenn es um die Gestaltung von digitalen Medien geht (Signaturen, Webseiten, Produkte etc.) fing meine Geschichte schon recht früh in der Mitte der 2000er Jahre an, indem ich mit Photoshop oder ähnlichen Programmen für Schule oder als Hobby in Foren Sachen designt habe. Wenn es aber um “plastische” Dinge ging, also Sachen die man nicht digital zurück setzen kann und Fehler deshalb schneller bestraft werden – habe ich mich doch sehr zurück gehalten. Ab und zu habe ich doch mal was in Angriff genommen, wie z.B. eine selbstgemachte Teemo-Figur (aus League of Legends), aber auch hier sieht man schon, dass ich nie etwas im genauen Detailgrad gemacht habe (im Gegensatz zu meinen digitalen Bildern, wo ich auf jeden Pixel achte). Dies sollte sich aber gegen 2015 ändern… oder zumindest ist hier der Stein ins Rollen gekommen.
Normalerweise bin ich kein großer Fan des Mecha-Franchises. Sicher habe ich Serien wie Neon Genesis Evangelion oder Fullmetal Panic geschaut, aber den Hype wie z.B. zu Gundam in Japan konnte ich nie nachvollziehen. Dennoch hat mich eine Spieleserie mit Robotern doch in den Bann gezogen und das war die von Zone of the Enders, welche von Konami und Großmeister Hideo Kojima auf der PS2 entwickelt wurde. Sowohl die Mechas (in erster Linie dort genannt “Orbital Frames”) als auch das Gameplay und den Soundtrack fand ich ziemlich cool. Da ich mir schon hier und da manchmal Animefiguren gekauft hatte, habe ich mir gedacht: Warum nicht eine Mecha-Figur? Und zu Z.O.E. gab es welche. Mein Lieblings-Mecha aus dem zweiten Teil von Z.O.E. gab es auch – Vic Viper. Und noch viel cooler: ähnlich wie im Spiel konnte der sich als Figur sogar von seiner Kampfroboter-Variante in seine Jet-Variante verwandeln.
Also habe ich die vermeintliche Figur über eBay aus Japan bestellt. Irgendwann kam dann das Schuhkartoon-Große Paket an und ich dachte erst einmal, dass die Verpackung doch etwas klein scheint… zumindest im vergleich zu anderen Animefiguren, wo die Box deutlich größer ist als die Figur selber, damit noch viel Freiraum als Schutz darin ist. Doch als ich die Verpackung öffnete wurde ich böse überrascht: darin war nur ein Heft und jede Menge Plastikgitter in denen kleine Teile steckten! Ich hatte tatsächlich die Beschreibung des eBay-Artikels nicht richtig gelesen. Es handelte sich tatsächlich um ein Model-Kit und nicht um eine fertige Figur! Ich war zu dem Zeitpunkt ziemlich enttäuscht, besonders weil ich wusste, dass das Bemalen von Animefiguren mit Paintbrush eine Heidenarbeit ist, die ich wohl nie machen könnte. Also legte ich die Box mit seinem ganzen Inhalt erst einmal in den Schrank meines damaligen WG-Zimmers und dort ist die Schachtel auch erst einmal gut zugestaubt über mehrere Jahre.
Das änderte sich dann gegen 2017. Hier habe ich mit Kumpels aus meinem Studium, Hendrik und René, den “Bastelabend” eingeführt, der an einem Tag in der Woche stattfand. Auf die Idee kamen wir, weil es doch irgendwie lustiger ist zusammen zu basteln und dabei zu quatschen, als nur einsam in der eigenen Wohnung an den Figuren zu arbeiten. Hendrik und René sind aber im Gegensatz zu mir passionierte Tabletopper (sagt man das so?) und bauen zusammen bzw. bemalen winzig kleine Figuren. Also trafen wir uns wöchentlich, wobei Hendrik und René ihre kleinen Figuren bemalten, während ich an meinem Vic Viper arbeitete. Während des Bastelns fiel mir auch eine Sache positiv auf, die ich vorher falsch gedacht hatte. Die vielen Einzelteile hatten bereits eine Farbe (wie Beige, Grau, Weiß oder Schwarz) und mussten deshalb gar nicht mehr angemalt werden.
Doch wie sah nun das eigentliche “Basteln” aus? Zuerst musste man aus den Plastikpaletten alle Teile heraus trennen. Ich dachte erst, dass würde mit einer simplen Schere gehen – aber falsch gedacht. Man benötigt doch einige Werkzeuge, die sogar im Tabletop-Mileau zur Grundausstattung gehören. Dazu zählen Zange, Pfeilen in verschiedenen Formen und Modellkleber für das spätere zusammensetzen. Also habe ich mit der Zange die Teile einzeln heraus getrennt und jedes dann noch sauber abgeschliffen, wenn Reste von den Halterungsstangen übrig waren. Jede Palette hatte dabei einen eigenen Buchstaben und jedes Teil eine Nummer. Da die Nummer nicht sonderlich wichtig war, weil die meisten Teile recht einzigartig und leicht erkennbar aussahen, habe ich sie nur nach Palettenbuchstaben in einzelne kleine verschließbare Gefrierbeutelchen einsortiert. Einige Teile aber waren sehr sehr klein. Vielleicht nur 1-2mm dick und ca. 5mm lang. Damit diese nicht aus Versehen Schwund gehen, habe ich sie mit Klebeband an Zettel geklebt und hier doch die Nummer des jeweiligen Teilchens drauf geschrieben. Dieser Vorgang des Teilchen heraus trennens und sortierens hat allein schon mehrere Abende gedauert und machte ca. 30% der gesamten Zeit aus, bis die Figur fertig sein sollte.
Danach begann der eigentliche “Bastel”-Teil. Die Anleitung besteht aus 95% Bildern in Graustufen, die beschreiben wie die einzelnen Teile nacheinander zusammengesteckt werden müssen. Dabei fiel mir auf, dass man dazu nie Kleber benötigt, weil die Teile beim Zusammenstecken immer bereits zusammen halten. Das hatte natürlich aber auch einen Nachteil: Wenn bestimmte Teile zusammengefügt sind, ist es fast unmöglich sie wieder auseinander zu bekommen. Deshalb sollte man bei sehr ähnlichen Teilchen (wie die, die einfach nur spiegelverkehrt sind) aufpassen ja nicht die falschen Stücke zusammen zu setzen. Dafür gibt es in der Anleitung hier und da eine kleine japanische Beschriftung, die soviel aussagt wie “Vorsicht! Nicht reversibel beim Zusammensetzen!” oder “Vorsicht! Kann leicht brechen!” (zumindest vom Kontext her). So musste ich mich ein paar mal auch Überwinden einen Schritt bei dem Zusammenstecken zu machen, auch mit dem Hintergedanken: Wenn das jetzt das falsche Teilchen war, dann kann ich das gesamte Modell wegschmeißen. In der Theorie gibt es zwar Services in Japan, um bestimmte Teile nachzubestellen – wie man sich aber denken kann, sind diese unverhältnismäßig teuer. Leider gab es in dem Modell-Kit auch keine Ersatzteile. Eine andere Notlösung wäre nur der in den letzten Jahren populär gewordene 3D-Druck gewesen. Man bräuchte aber die richtige Farbe und das Teilchen als Model im 3D-Programm. Ob ein 3D-Drucker es auch genau so im Detail ausdrucken könnte, ist weiterhin fraglich.
Leider hat der wöchentliche Bastelabend nach einigen Wochen auch wieder sein Ende gefunden, weil Hendrik und René im Laufe auch weniger Zeit hatten (Bachelor-/Masterarbeit, Urlaub, Familie etc.). Ich war mittlerweile so weit, dass ich um die 8 Körperteile fertig gebaut hatte und damit zu ca. 80% fertig war. Da ich es aber wie bereits gesagt doof finde allein zu basteln, habe ich ohne den Bastelabend auch nicht weiter an dem Mecha gearbeitet. Der unfertige Vic Viper war also wieder für mehrere Jahre in der Verpackungsschachtel verschwunden und damit verdammt einzustauben. Dies wurde auch dadurch unterstützt, dass ich 2018 selber mit insgesamt zwei Umzügen beschäftigt war, es starke Lebensveränderungen gab und oft einfach nicht der Platz da war, um zu Basteln oder gar den Karton wo aufzubewahren.
2020, auch Corona-bedingt mit Lockdown, kamen wir wieder dazu den Bastelabend einzuführen. Diese finden nun meist zu viert oder fünft virtuell über Discord statt, wobei dieses mal René und Dominik dabei zeichnen, Tim Tabletop-Figuren bemalt und Nathalie und ich an lokalen Dingen “basteln”. Bei Nathalie waren das zunächst selbstgenähte Mund-Nasen-Schutz-Masken, bei denen sie ca. 1-2h pro Stück benötigte und Stofffetzen verwendet hatte, die wir aus einem lokalen Laden geholt haben. Ich hingegen habe an Vic Viper weitergearbeitet, bei dem ich mich wegen der über 3 Jahre langen Pause erst einmal wieder einfinden musste, wo ich war und wie ich alles organisiert hatte. Von den Masken und Model-Kit aber abgesehen, haben Nathalie und ich auch noch unzählige andere Bastelsachen im Regal liegen, weil wir uns diese über die letzten Jahre geschenkt hatten (und zu denen ich vielleicht auch noch Reviews mache). Dazu gehören Hekelpuppen, 3D-Puzzle und Lasercut-Holzmodelle.
Nach einigen Wochen war dann endlich Vic Viper fertig. Durchweg gab es immer mal ein paar knifflige Stellen, doch die Teile haben eigentlich immer sauber zusammengepasst. Das nervigste waren aber die Hände des Mechaa zum Schluss, weil hier die Finger nicht von selber in der Handfläche des Mechas hielten und diese wirklich angeleimt werden mussten. Bevor ich die Körperteile zusammengesetzt habe, mussten nur noch die Sticker aufgelegt werden. Dies hat sich zumindest dahingehend noch als schwierig herausgestellt, weil es keine normalen Sticker waren, sondern dass man sie in Wasser einlegen musste, um sie dann auf die gewünschte Fläche anzulegen und trocknen zu lassen (ähnlich wie bei temporären Tattoos). Einige waren vielleicht auch gerade mal 1x2mm groß und mussten z.B. an das Kopfteil. Es war dann oft fast Zufall, in welcher Position ich den Sticker dann noch auf das entsprechende Körperteil bekam und ich musste noch viel mit Wattestäbchen oder nadel hin und herschieben. Bei ca. 4 Mini-Stickern habe ich mich dann doch entschieden, die nicht anzubringen, weil sie in weiß auf die gelb-goldenen inneren zahnräder bzw. gelenke sollten. Nicht nur, dass das extrem frickelig wäre und man sie kaum dort sehen könnte, durch das Zusammenstecken und Bewegen der Körperteile würden diese wahrscheinlich auch einfach abschleifen. Dennoch bin ich von meiner Arbeit am Ende sehr zufrieden gewesen.
Nach Vic Viper hat meine Lust auf das Modellbauen aber nicht abgenommen. Im Gegenteil, ich würde gern damit weitermachen. Leider sind die Figuren von damals, die die Firma KOTOBUKIYA anbietet recht teuer geworden. Dazu gehören nicht nur die anderen “Orbital Frames” der Z.O.E. Reihe wie Jehuty und Anubis, sondern z.B. auch Metal Gear Rex aus dem ersten Metal Gear Solid für die PS1. Es wird sich zeigen, ob ich mir noch ein (oder sogar mehr!) dieser Model-Kits hole, weil sie tatsächlich eine schöne Beschäftigungstherapie sind und sowohl das Zusammenbauen Spaß macht, als auch das Ergebnis sich sehen lassen kann.
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