Reisen

Peru (2019)

Cusco und der Massentourismus

Von Abancay aus ging es in einem erstaunlich luxuriösen Reisebus (wir haben umgerechnet ca. 2€ mehr bezahlt um 1. Klasse zu reisen 😀 ) nach Cusco und damit auf die “ruta de los gringos”. Cusco war in vielerlei Hinsicht eine andere Welt verglichen mit Ayacucho und Abancay. Uns blieb wortwörtlich die Luft weg. Während Abancay sich gerade mal bei 2377 Meter über dem Meeresspiegel befindet, stiegen wir nun auf auf 3399 Meter über dem Meeresspiegel. Das bekamen wir deutlich zu spüren, während wir beladen mit unseren Reiserucksäcken den Fußweg in Richtung unseres AirBnB vollzogen. Glücklicherweise blieben wir auf unserer gesamten Reise von der gefürchteten Höhenkrankheit verschont, das heißt aber nicht, dass wir die Höhe nie gespürt haben. Bei der besagten Ankunft in Cusco mussten wir mehrfach kurz pausieren und Luft holen und das obwohl wir die letzten Tage bereits in “atemberaubenden” Höhen unterwegs waren. Ich weiß wirklich nicht, wie das Ganze bei den zahlreichen organisierten Touren läuft, die direkt von Lima nach Cusco fliegen ohne jegliche Möglichkeit sich schrittweise an die Höhe zu gewöhnen.

Den ersten Nachmittag verbrachten wir recht entspannt damit durch die Stadt zu laufen. Zumindest sollte es entspannt sein, doch dann geschah es. Wir hatten uns für unseren Urlaub extra eine kleine Digitalkamera gekauft. Das war eine strategische Entscheidung, denn zum einen wollten wir Fotos machen, die über die Qualität einer Handykamera hinaus gehen und zum anderen wollten wir aber auch keine große Spiegelreflexkamera mit uns herumtragen. Da die Digitalkamera also so schön handlich war, steckte Kevin sie meistens einfach in seine Jackentasche. Natürlich passierte nun also das, was passieren musste. Kevin hatte vergessen den Reißverschluss der Tasche zu schließen und die Kamera fiel in einem unachtsamen Moment heraus und ging kaputt. Nun standen wir also da in Cusco, wollten in 2 Tagen zum Machu Picchu und die Kamera war kaputt. Es war mittlerweile Sonntagabend, also gab es an dem Tag nichts mehr was wir hätten tun können. Glücklicherweise half uns unser AirBnB Host aus, indem er uns einen Laden nannte wo wir am nächsten Tag hin gingen. Während unsere Kamera in der Reparatur war, beschlossen wir auf Museums-Tour zu gehen. Unsere erste Station war das Schokoladenmuseum. Das ist auf jeden Fall eine Empfehlung wert. Der Eintritt und die Führung waren beide kostenlos. Man lernte etwas über die Schokoladenproduktion und durfte zum Schluss auch probieren. Wir haben uns danach direkt in das hauseigene Kaffee begeben zu Schokoladenkuchen, Schokoladeneis und dem absoluten Highlight, Schokoladentee. Der Tee wird aus Kakaoschalen gemacht und hat eine angenehme schokoladige Note ohne süß zu sein. Wir haben uns direkt noch eine Packung Tee für Deutschland gekauft. Im Anschluss ging es noch in das Inka-Museum. Das war ein schöner Einstieg, sollte es doch morgen zum berühmten Machu Picchu gehen.

Machu Picchu

Es gibt nicht viele Wege zum Machu Picchu zu gelangen. Legenden besagen es gäbe einen Bus. Vor Ort haben wir aber zumindest nichts davon gesehen. Man kann natürlich auch organisierte Touren machen, aber davon halte ich bekanntlich nicht viel, oder man kann mit dem Zug fahren. Letzteres war die Option für die wir uns entschieden haben. Zug fahren in Peru ist eine Sache für sich, denn im Prinzip gibt es dort keine Züge. Die einzige Ausnahme bildeten einige wenige touristische Ziele und dazu gehört natürlich auch der Machu Picchu. Entsprechend touristisch geht es auch in den Zügen zu. Zunächst einmal: Die Zugtickets sind teuer. Man merkte die touristische Ausrichtung bereits daran, dass sämtliche Preise nur in US Dollar angegeben wurden. Ähnlich wie überall anders, gibt es auch hier verschiedene Zugklassen. Hinzu kommen noch verschiedene Zugtypen wie z.B. Panorama-Züge. Aber auch wenn man “nur” zweite Klasse reist, so gibt es dennoch einen Service, den es anders wo nur in der ersten Klasse gibt. So ist zum Beispiel Essen und Trinken inklusive. Es gibt zwei große Zugunternehmen: PeruRail und Inca Rail. Beide Unternehmen nehmen sich nicht viel. Um Geld zu sparen, beschlossen wir den ersten Zug vom Bahnhof von Ollantaytambo zu nehmen, welches ungefähr 62km von Cusco entfernt liegt. Natürlich gibt es Shuttle Services, die einen dahin bringen, aber abgesehen davon, dass die natürlich ziemlich überteuert waren, waren sie zeitlich auch sehr knapp bemessen was die Abfahrt unseres Zuges anging. Glücklicherweise waren wir mittlerweile erprobt was Colectivos angeht. Von der Dame an der Touristeninformation erfuhren wir, dass die ersten Colectivos um 03:00 Uhr morgens fuhren. Glücklicherweise war unser AirBnB sehr zentral gelegen, sodass wir mitten in der Nacht zu Fuß zum Colectivo-Platz aufbrechen konnten. Colectivos sind schon eine interessante und erstaunlich gut funktionierende Sache. Man stellt sich auf den Platz und ruft ein Mal laut wo man hin will und schon läuft eine Gruppe peruanischer Fahrer auf einen zu und versucht einen zu überzeugen in ihren Minibus zu steigen. Und so fanden wir uns in einem Colectivo mit brüchiger Windschutzscheibe und kaputter Tachonadel wieder, der in einem höllischen Tempo an Erdrutschen vorbei durch die Berglandschaft bretterte. Meinte die Dame bei der Touristeninformation noch, dass es in etwa 2 1/2 Stunden nach Ollantaytambo dauern würde, so waren wir nach einer guten Stunde bereits am Bahnhof.

Die Züge fahren natürlich nicht komplett hinauf zum Machu Picchu. Ihre Endhaltestelle lautet Aguas Calientes. Und spätestens hier waren wir in der absoluten Tourismushölle angekommen. Aguas Calientes war ein kleines Städtchen das ausschließlich von Massentourismus in seiner hässlichsten Form lebte. Nicht nur, dass alles drei Mal so teuer war, man wurde an jeder Straßenecke auch versucht über’s Ohr zu hauen. Das Schlimmste was wir dort mit ansehen mussten war ein Mann mit seinem Sohn. Beide hatten Ponchos an. Der Mann spielte Gitarre und sang und der Junge tanzte dazu. Ein älterer Herr, der im Außenbereich eines der zahlreichen Restaurants saß, ging fröhlich zur Musik mit und hielt sein Handy auf die beiden um dann zurück in seinem Heimatland von den tollen Musikern beim Machu Picchu zu berichten. Bis jetzt kann man davon halten was man will. Die Sache bekommt jedoch einen äußerst bitteren Beigeschmack wenn man bedenkt, dass es gerade mitten in der Woche war, es auch gerade keine Ferienzeit war und der Junge definitiv in einem Alter war in dem er gerade in der Schule sitzen und rechnen und lesen lernen sollte statt Touristen zu bespaßen.

Von Aguas Calientes aus gab es zwei Wege zum Machu Picchu zu gelangen. Es gab einen Fußweg, der jedoch an einer Straße entlang führte und nicht sehr angenehm war, und es gab einen Bus bei dem die Preise natürlich wieder in US Dollar dastanden und vor dessen Ticketschalter sich bereits eine lange Schlange befand. Da wir unsere Kräfte sparen wollten, entschieden wir uns trotzdem für den Bus. Machu Picchu ist unglaublich eindrucksvoll und ein Muss für jeden Peru-Besuch. Aber Machu Picchu ist auch vor allem voll. Besonders am Anfang steigt man zusammen mit einer Horde anderer Touristen die letzten Meter hinauf. Sobald man sein Ziel vor Augen hat, beginnen sich bereits die Gruppen um die besten Foto-Spots zu wimmeln. Je weiter man sich jedoch von diesen ersten Foto-Spots entfernt desto leerer und angenehmer wird es. Was man jedoch auch noch beachten muss, wenn man zum Machu Picchu fährt, ist, dass es tatsächlich ziemlich anstrengend ist. Das Gelände ist riesig und es gibt unglaublich viel zu sehen und zu erkunden. Da wir jedoch im Sommer da waren, waren wir konstant in der prallen Sonne. Das heißt nicht, dass der Winter ein besserer Zeitpunkt wäre hierhin zu reisen, denn die Winter in den Anden können verdammt kalt sein und die zahlreichen Stufen sind wahrscheinlich furchtbar rutschig, sobald sie einmal zufrieren. Ein besonderes Highlight war für mich ein Selfie, das ich mit einem Alpaka vor Ort machen konnte. Seitdem sind Tier-Selfies eine Tradition auf unseren Reisen geworden.

Nachdem wir das Meiste besichtigt haben, ging es mit dem Bus wieder zurück nach Aguas Calientes. Eigentlich hatten wir Schlafsachen und Zahnbürsten mit eingepackt und wären somit vorbereitet gewesen in Aguas Calientes zu übernachten und am nächsten Tag zurück zu fahren. Uns graute es jedoch noch mehr Zeit in dieser Tourismus-Hölle zu verbringen, also gingen wir direkt zum Bahnschalter und versuchten ein Ticket für den nächsten Zug zu erhalten, was gar nicht so leicht war, denn die meisten Züge waren bereits ausgebucht. Die letzten Plätze, die wir kriegen konnten, waren in einem Erste-Klasse Wagen von Peru Rail. Alles was wir da erlebt haben, setzte dem Massentourismus nochmal die Krone auf. Es gab mal wieder Essen und Trinken, zusätzlich eine Alpaka-Modenschau und eine übertriebene “traditionelle” peruanische Aufführung, die ich gerne als Kulturprostitution bezeichne. Und das alles während an unseren Fenstern die verarmten Häuser der lokalen Bevölkerung vorbei zogen. Als wollte man uns dafür bestrafen, wurden Kevin und ich am nächsten Tag beide krank. Uns ist der Massentourismus wortwörtlich auf den Magen geschlagen.

Rainbow Mountain

Nachdem wir den letzten Tag also krank im Bett verbracht haben, waren wir dank guter lokaler Medizin zum Glück fit genug für eines der größten aber definitiv das anstrengendste Highlight unserer Reise: Rainbow Mountain. Dabei handelt es sich um einen mit unterschiedlichen Gesteinsarten bunt geschichteten Berg. Normalerweise bin ich überhaupt kein Fan von organisierten Touren, jedoch befindet sich Rainbow Mountain so abseits, dass es sonst wohl kaum einen Weg gegeben hätte dahin zu gelangen. Tatsächlich würde ich im Nachhinein sagen, dass dies sogar eine sehr gute organisierte Tour war. Der Guide war top ausgebildet und gab sich auch große Mühe alle mit Wissen zu versorgen und auch medizinisch ein Auge auf uns zu haben. Das war auch wichtig, denn alle Höhenlagen auf denen wir uns bis dahin befanden waren ein Witz gegen das, was uns an diesem Tag erwartete. So geht es nicht den Rainbow Mountain selbst hinauf, sondern einen Nachbarberg, dessen Gipfel sich auf 5200 Metern Höhe befand. Wir kamen ca. 1000 Meter tiefer an und schon der kurze Weg zu den öffentlichen Toiletten brachte einen vollkommen aus der Puste. Von da aus gab es zwei Möglichkeiten. Wir könnten wandern, oder aber ein Pferd nehmen. So oder so, muss man die letzten Meter, die auch mit Abstand die Anstrengendsten sind, zu Fuß zurück legen. Auch wenn Kevin zunächst aufgrund seiner Höhenangst kein großer Fan der Pferde-Option war, so konnte ich ihn trotzdem dazu überreden, was angesichts der Höhe definitiv die bessere Option war. Kevins Pferd war das schnellste von allen und so kam er als erster an der Steige zum Gipfel an. Mein Pferd, Nero, ließ es etwas ruhiger angehen. Die Zeit nutzte ich, um mich mit dem Pferdeführer, Jesus, zu unterhalten. Er war neugierig über das Leben in Deutschland. Umgekehrt erzählte er mir von seinen Kindern und von der Arbeit mit den Pferden. Mit je einem Wanderstock und grünen Westen, die uns leichter auffindbar für unseren Guide machen sollten, wagten wir uns nun die letzten Meter bis zum Gipfel. Das war tatsächlich eines der anstrengendsten Erlebnisse meines Lebens. Alle 2 Schritte mussten wir anhalten und Luft holen. Und doch haben wir es bis nach ganz oben geschafft. Das Gefühl es geschafft zu haben zusammen mit der atemberaubenden Aussicht waren einfach nur umwerfend. Nachdem wir oben die obligatorischen Fotos gemacht haben und die Natur um uns herum bewundert haben, ging es ein kleines Stück runter, wo wir uns nicht nur bei einem Einheimischen einen Coca-Tee gegen die Anstrengung der Höhe gegönnt haben, sondern wo auch noch eines unserer bekanntesten Urlaubs-Fotos entstanden ist: Ein Foto mit zwei Alpakas im Arm. Natürlich war das touristisch, aber es fühlte sich nicht so falsch an, wie beim Machu Picchu. Man hört viel schlechtes über den Tourismus beim Rainbow Mountain und ich will auch nichts schön reden. Unser Guide erklärte und später aber auch, dass die ursprünglich sehr armen Dörfer in der Umgebung nun regelrecht aufgeblüht sind und Schulen und Kindergärten erbaut werden konnten. Tourismus hat nun mal zwei Seiten.

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