Reisen

Japan (2019)

Kyoto – ein anderes Japan und jede Menge Tempel

Nach einigen ereignisreichen Tagen in Tokio sollte es nun weiter gehen nach Kyoto. Da wir den JR Rail Pass hatten, konnten wir mit dem Shinkansen, so heißen die berühmten japanischen Schnellzüge, fahren und das sogar mit Sitzplatzreservierung. Man weiß man ist in Japan, wenn man Zug fährt und aus dem Staunen nicht mehr raus kommt. Tatsächlich können wir all die positiven Sachen bestätigen, die man so über den Shinkansen hört. Es ist eine Ansammlung von Kleinigkeiten, von denen man viele wahrscheinlich noch nicht einmal direkt vermissen würde, wenn sie nicht da wären, aber die man unglaublich zu schätzen lernt. Generell ist es auch ohne Sprachkenntnisse nicht schwierig, sich auf japanischen Bahnhöfen zurecht zu finden. Die Anzeigetafeln schalten konstant um zwischen japanisch und englisch und jeder Bahnsteig hat eine andere Farbe, die bereits mit auf den Anzeigen vermerkt ist. Auf dem Boden sind Streifen entsprechend der Farbe angebracht, die einen auf schnellstem Wege zum entsprechenden Gleis führen. Dabei ist sogar reglementiert auf welcher Seite man läuft, damit zur berühmten japanischen Rush Hour, wo zehntausende Leute durch die Bahnhöfe eilen, alles reibungslos verläuft. Wo anders würde das wahrscheinlich nicht so problemlos funktionieren, aber Japan wäre nicht Japan, wenn sich die Leute nicht daran halten würden. Am Bahnsteig angekommen geht es weiter mit der Ordnung. Wie bereits erwähnt, hatten wir eine Sitzplatzreservierung. Dies ist auch notwendig, wenn man mit Gepäck reist. Wer schon einmal mit dem ICE gefahren ist weiß, dass es in Deutschland so ist, dass man durch den Zug läuft und an den Sitzen vermerkt ist ob diese reserviert sind oder nicht. In Japan wäre so etwas wahrscheinlich undenkbar. Hier gab es extra Wagen für Reisende mit Reservierung und Wagen für welche ohne. So kann es nicht passieren, dass man sich aus Versehen auf einen bereits reservierten Platz setzt, ohne eine Reservierung zu erhalten und im Umkehrschluss muss man auch ohne Reservierung nicht durch den halben Zug rennen auf der Suche nach dem einen Sitz, der noch nicht reserviert ist. Natürlich hatte der Zug mehrere Wagen. So ein Shinkansen kann wirklich sehr lang sein und es wäre sehr ärgerlich, wenn man am falschen Ende des Bahnsteigs steht, wenn der Zug einfährt. In Japan hat man natürlich wieder daran gedacht. So wurde Markierungen angebracht, wo der Eingang zu welchem Wagen sein wird, sobald der Zug einfährt. Man ist also in alle Ruhe zu seiner Markierung gegangen und hat sich da brav in einer Schlange aufgestellt. Dabei gab es aufgrund der de facto nicht vorhandenen Kleinkriminalität in Japan sogar Leute, die einfach ihr Gepäck in der Warteschlange abgelegt haben, um sich einen Platz zu reservieren und dann weg gegangen sind, um sich nochmal die Beine zu vertreten oder um etwas einzukaufen. Auch das wäre in Deutschland wahrscheinlich undenkbar gewesen. Hier sind Bahnhöfe häufig Kriminalitäts-Hot Spots an denen ständig Durchsagen kommen man möge doch bitte auf sein Gepäck aufpassen. Sobald dann der Zug in einem deutschen Bahnhof einfährt, drängen alle Leute zu den Eingängen und man kann froh sein, wenn es vorher noch alle Gäste schaffen aus zusteigen. Auf die Minute pünktlich fuhr schließlich unser Shinkansen in den Bahnhof ein und ordentlich stieg einer nach dem anderen ein. Die Nummerierung der Sitze war gut sichtbar angezeigt und selbst wenn es Probleme gegeben hätte, wäre sofort ein Schaffner oder eine Schaffnerin zur Stelle.

Wir machten es uns gemütlich und der Zug setzte sich ebenso pünktlich in Gang, wie er auch angekommen ist. Während der Fahrt ging eine Zugbegleiterin, ähnlich wie man es aus dem Flugzeug kennt, mit einem Schiebewagen durch die Gänge und verkaufte Snacks und Getränke. Kevin hatte am Bahnhof noch ein Bento gekauft, dass wir nun zusammen aßen. Zugegeben habe ich von einem simplen Bahnhofs-Bento nicht viel erwartet. Diese Rechnung hatte ich allerdings ohne Japan gemacht. Es gab verschiedene Bentos mit berühmten Zügen und Bahnen drauf zur Auswahl. Kevin entschied sich für ein Bento mit Rilakkuma, einem berühmten japanischen Teddy-Maskottchen, und der Yamanote Line, die wir in den letzten Tagen ja so häufig gefahren sind. Das Bento verfügte über einen wirklich schmackhaft gewürzten Reis, eine frittierte Garnele, einen Fleischspieß, ein Stück Tonkatsu, Nudelsalat, Kartoffelsalat, einem Spiegelei, einem Fischkuchen mit dem Gesicht von Rilakkuma und ein bisschen Gemüse. Und was soll ich sagen? Es war unglaublich köstlich! Tatsächlich wurden die Bahnhofs-Bentos zu einem meiner liebsten Speisen in Japan. Den Rest der Fahrt verbrachten wir damit auf unseren Smartphones YouTube Videos zu gucken. Auch das ist in Deutschland wohl undenkbar. Zum einen hat man hier in der Regel nur ein begrenztes Datenvolumen im Monat zur Verfügung und zum anderen sind Zugfahrten in Deutschland bekannt dafür einen von einem zum nächsten Funkloch zu bringen. In Japan wiederum hatten wir unbegrenztes Datenvolumen und kein einziges Funkloch. Stattdessen hatten wir konstant während der gesamten Fahrt eine perfekte LTE Verbindung. Dies änderte sich auch nicht bei den anderen Zugfahrten in Japan. Und so kamen wir zufrieden und absolut entspannt in Kyoto an, wo unser Abenteuer weiter gehen sollte.

In Kyoto kamen wir in einem kleinen Hostel in Fushimi-ku, einem Stadtteil etwas abseits vom Stadtkern, unter. Wir hatten ein unglaublich kleines aber funktionales Zimmer mit einem Etagenbett. Alle anderen Räumlichkeiten teilten wir uns mit den anderen Gästen, was in Japan jedoch kein Problem ist, denn das gesamte Hostel war unglaublich sauber.
Bevor wir uns in das Herz Kyotos wagten, wollten wir uns die Umgebung etwas anschauen. Daher bestand unser erster Tage in Kyoto daraus anzukommen und sich die unmittelbare Umgebung unseres Hostels etwas genauer anzuschauen. Aus Tokio kommend hatten wir es auch wirklich nötig etwas runter zu kommen. So erkundeten wir neben den klassischen Sachen, wie dem nächsten Supermarkt, viel Wohngebiet und einen kleinen Schrein. Hinter dem Schrein fing ein zum größten Teil aus Bambus bestehender Wald mit Wanderwegen an, jedoch war die Karte auf japanisch und es war uns nicht ganz ersichtlich wie abenteuerlich diese Wege waren, da man sich anscheinend auch Guides mieten konnte. Wir gingen trotzdem ein Stück in den Wald rein, wobei wir eine neue Erkenntnis über Japan erlangten. Im städtischen Tokio fällte es einem nicht so schnell auf und wenn man an Japan denkt, so denkt man im ersten Moment auch nicht daran, aber: Japans Klima kann im Sommer sehr tropisch sein. Neben der Hitze herrscht eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit und je grüner es wird, desto mehr Insekten begegneten einem. Nach nur wenigen Metern im Wald begann alles um uns herum zu schwirren und zu zirpen. Zusätzlich wurde der Weg immer abenteuerlicher, sodass wir uns doch entschieden umzudrehen.

Langsam fingen unsere Mägen an zu knurren. Es war Zeit für unsere erste Mahlzeit in Kyoto. Hier gab es wieder etwas besonderes. In ganz Japan verteilt gibt es eine Restaurant-Kette namens “Coco’s Curry House”. Man findet sie in jeder größeren Stadt und mittlerweile gibt es auch verschiedene Ableger, wie z.B. “Coco’s Curry House Halal”. In der Nähe unserer Unterkunft befand sich eine Filiale der besagten Kette und uns wurde bereits in Deutschland empfohlen hier mal zu essen. Zugegeben bin ich kein Fan von so genanntem Fast Food und von größeren Restaurantketten. Coco’s hatte uns jedoch voll und ganz überzeugt. Es ist ein etwas längerer Prozess hier sein Essen zu bestellen, da man nicht nur das Curry inklusive Topping wählt, sondern auch den Schärfegrad und die gewünschte Menge an Reis. Das Resultat kann sich aber sehen lassen, denn man wird mit unglaublich leckerem japanischem Curry belohnt, das qualitativ und geschmacklich weit über dem ist, was wir in Deutschland als Fast Food kennen. Während ich ein scharfes Curry mit Hähnchenfleisch hatte, hatte Kevin als Einlage eine mit Käse gefüllte Boulette von der er heute noch schwärmt. Gut gestärkt ging es wieder zurück in unsere Unterkunft. Den Abend ließen wir im Gemeinschaftsraum ausklingen, wo wir ein bisschen Small Talk mit den anderen Gästen hielten und ein paar Spiele auf einem bereit gestellten NES-Mini von Nintendo spielten.

An dieser Stelle gibt es einen kleinen Einschub zur englischen Sprache. Zwar wird das japanische Bildungssystem oftmals gelobt und Englisch steht eigentlich auch bei jedem Schulkind auf dem Stundenplan, aber wirklich sprechen tut es tatsächlich kaum jemand. Man kann froh sein, wenn man nach Englisch fragt und die Person gegenüber mit “ein bisschen” antwortet. Während unserer Reise gab es da noch mehrere lustige Situationen auf die ich noch zu sprechen kommen werde. Woran sich der Mangel an Englischkenntnissen jedoch auch äußert ist die Tatsache von fehlerhaften und merkwürdigen Übersetzungen. So gab es in unserem Hostel einen kleinen Tippfehler, der aus dem “Bathroom for Wheelchair” (deutsch: Bad für Rollstuhlfahrer) einen “Bashroom for Wheelchair” (deutsch: Schlagraum für Rollstuhlfahrer) gemacht hat. Außerdem liefen wir auch an einem “Life Coordinate Shop” (deutsch: Lebens-Korrdinations Laden) vorbei. An ihren Englisch-Kenntnissen müssen die Japaner noch etwas feilen.

Viele Toris zu Kevins Geburtstag

Der nächste Tag war ein ganz besonderer. Kevin hatte Geburtstag und dann war dies auch noch ausgerechnet sein dreißigster Geburtstag. Natürlich wollten wir diesen besonderen Tag entsprechend würdigen. Wir beschlossen einen Ausflug zum Fushimi Inari-Taisha, Kyotos berühmten Fuchs-Schrein, zu machen. Dabei muss man wissen, dass Kyoto voller Schreine ist. Der Inari-Schrein ist jedoch einer der besondersten, wenn nicht sogar der besonderste. Der Hauptschrein selber ist ein prächtiger Schinto-Schrein mit einem Fuchs-Thema, welches sich durch zahlreiche Fuchs-Statuen äußert. Der Schrein liegt am Fuße des Inari-Bergs. Die Besonderheit ist nun nicht direkt der Schrein selber, sondern der Weg vom Schrein zum Berg. Dieser besteht nämlich aus einer Aneinanderreihung zahlreicher Toris. Jede Familie, die etwas von sich hält, spendet dem Schrein einen solchen Tori und mit der Zeit wurde die Menge an Toris zu einem Wahrzeichen. Kevin war zunächst nicht sehr angetan von der Idee an seinem Geburtstag einen Berg zu erklimmen, jedoch überzeugten uns die Schilder mit der Aufschrift, dass es ca. 40min Fußweg bis zum Gipfel waren. 40min? Das klang machbar, war aber absolut gelogen. Dennoch war es die richtige Entscheidung den kompletten Weg zu laufen.

Zu Beginn war der Schrein absolut überladen von Touristen. Viele hatten sich in nahegelegenen Shops Kimonos ausgeliehen und versuchten nun die besten Fotos für ihre Profile in sozialen Netzwerken zu ergattern (Wer den Peru-Beitrag gelesen hat, der weiß, dass ich so etwas gerne als “Kulturprostitution” bezeichne). Nun war der heutige Tag, wie alle anderen auch, unglaublich warm und die hohe Luftfeuchtigkeit, von der ich bereits berichtet habe, tat ihren Rest dazu bei, dass immer mehr aufgaben je höher man kam. Zusätzlich hingen von den Toris zahlreiche tellergroße Spinnen, die aufgrund ihrer Beutefangtechnik von den Einheimischen als Prostituiertenspinnen bezeichnet werden und die zwar harmlos waren, jedoch alles andere als harmlos aussahen. Wir blieben jedoch standhaft und erklommen eine Steinstufe nach der nächsten, passierten einen Tori nach dem anderen. Die versprochenen 40min waren schon lange vorbei und im Rücken hörte ich Kevin auf jeder Treppenstufe mindestens ein Mal “Ich hasse dich” rufen. Wir waren beide nass von der Anstrengung und vom Klima. Immer wieder hielten wir an kleinen “Rastplätzen” und tranken eine Wasserflasche nach der nächsten leer. Unsere Mühen wurden jedoch belohnt, denn ab der zweiten Hälfte des Weges hatten wir ganze Tori-Passagen quasi für uns alleine. Erschöpft aber glücklich und überwältigt zugleich kamen wir schließlich am Gipfel an. Dieser war mit einem kleinen Schrein und einem weiteren Rastplatz zwar gar nicht so spektakulär, aber hier war ganz klar der Weg das Ziel. Zur Belohnung kaufte ich Kevin einen Plüsch-Fuchs mit traditioneller Maske, denn das hatte er sich redlich verdient, so gut wie er durchgehalten hatte. Dabei war der Inari-Schrein gerade einmal die erste Station unseres heutigen Tages.

Zurück beim Hauptschrein erblickten wir mehrere Essensstände, die die tollsten Gerüche absonderten. Unsere knurrenden Mägen lotsten uns fast schon automatisch zu diesen Ständen. Während Kevin sich einen großen gegrillten Fleischspieß holte, erblickte ich etwas, das ich seit ich eine ganz bestimmte One Piece – Folge gesehen habe schon immer mal probieren wollte: Takoyaki. Dabei handelt es sich um Oktopusbällchen, die auf einem speziellen Blech mit viel Fett gebraten werden. Beim Servieren kommen noch Mayonnaise und Bonito Flocken oben drauf. Es ist ein furchtbar deftiger und sättigender Snack, aber da ich Oktopus unglaublich lecker finde, waren sie gleichzeitig himmlisch. Kevin aß einfache Fleischspieße, die es ebenfalls dort gab.

Gestärkt und glücklich ging es zurück in das Stadtzentrum von Kyoto. Wir fuhren den Kyoto Tower hoch, um uns einen Überblick über die Stadt zu machen. Dabei war es interessant zu sehen, dass wirklich alles in Japan ein Maskottchen hatte. So hatte selbst der Kyoto Tower ein Turm-förmiges Maskottchen, das oben überall abgebildet war. Tatsächlich erblickten wir von oben einen weiteren großen Tempel ganz in der Nähe, der unser nächstes Ziel wurde. Dabei handelte es sich um Higashi Hongan-ji, der im Gegensatz zum Inari-Schrein ein buddhistischer Tempel war. Es war interessant über den großen Vorplatz zu laufen, sowie die Gebäude, die glücklicherweise für Besucher offen waren, zu erkunden. Nach so viel Kultur musste erst mal der Nerd-Faktor wieder erhöht werden. Daher war unser nächster und gleichzeitig letzter Stopp für den Tag das Manga Museum in Kyoto. Um noch mehr von der Stadt zu sehen, beschlossen wir zu Fuß dort hin zu laufen. Nach etwa einer halben Stunde kamen wir am Ziel an. Mittlerweile war das Mittagessen halbwegs verdaut und so ging es zunächst in das angrenzende Manga-Café. Das war ein wirklich toller Ort. Zahlreiche Manga-Künstler haben sich auf den Wänden des Café verewigt und so verbrachte man die meiste Zeit in diesem Café damit die Wände nach bekannten Charakteren abzusuchen. Auch hier gab es ein kulinarisches Highlight unserer Reise: Shaved Ice. Das ist gefrorenes Wasser, welches durch eine Maschine quasi “geraspelt” wird über das Sirup gegossen wird. Da Kyoto für Matcha, Grünteepulver, bekannt ist, entschieden wir uns für Matscha-Sirup. Zusätzlich kam noch eine Masse aus süßen Bohnen, die zugegeben nicht jedermanns Sache sind, oben drauf. Die Portionen waren riesig und vor allem für Kevin wurde Shaved Ice ein ganz besonderes Japan-Highlight, welches er sich von da an immer wieder holte, wenn auch eher in fruchtigeren Geschmacksrichtungen.

Das Mangamuseum scheint nicht nur für die Touristen, sondern auch für Einheimische ein besonders schöner Ort zu sein. Neben kleineren Ausstellungen zum Beispiel zur Geschichte von Mangas, waren die gesamten Wände mit Bücherregalen versehen. Wer wollte, konnte sich einfach einen Manga nehmen, sich irgendwo hinsetzen und einfach lesen, was viele Japanerinnen und Japaner auch taten. Es gab auch zwei kleine Regale mit in Fremdsprachen übersetzten Mangas, wo auch der eine oder andere deutschsprachige Band zu finde war. Alles in allem hat sich das Museum gar nicht wie ein Museum angefühlt, sondern viel mehr wie eine große Bibliothek mit Informationsständen dazwischen. Dies war aber auch der besondere Charme dieses Ortes, an dem man sich nicht nur informieren konnte, sondern wo man auch zur Ruhe kam.

Tagesausflug nach Osaka

Von Kyoto aus ist es fast nur noch ein Katzensprung nach Osaka. Das wohl wichtigste Wahrzeichen hier ist die Burg Osaka, was gleichzeitig unsere erste Station darstellte. Es herrschte mal wieder eine unglaubliche Hitze, als wir ankamen. In und um die Burg tummelten sich unzählige Touristen. In der Burg selber befand sich ein Museum in dem die zugegeben wirklich interessante Geschichte dieses Bauwerks erzählt wurde. Es gab zahlreiche Stationen in denen mit kurzen 3D Filmen, die mittels der Pepper’s Ghost Technik dargestellt wurden. Dabei handelt es sich um eine spezielle Projektionstechnik mit Hilfe von Spiegeln und Glas. Leider waren die Filmchen auf japanisch, aber lustig anzusehen waren sie dennoch. Im obersten Stockwerk angekommen, hatte man zudem eine schöne Aussicht über Osaka, welches eine hochmoderne Millionenstadt ist, was man der Stadt auch ansieht mit ihren zahlreichen Hochhäusern. Man kann Osaka ein bisschen mit Frankfurt am Main vergleichen, da es ebenfalls das Finanzzentrum des Landes ist. Entsprechend war der kulturelle Pflichtteil mit der Burg Osaka bereits abgedeckt. Als nächstes ging es nach Denden Town, dem Akihabara Osakas. Im Vergleich zu Akihabara war Denden Town tatsächlich noch skuriler. So gab es wieder die 8-10 stöckigen Gebäude mit verschiedenen Läden auf jeder Etage. Der Übergang von einfachen Anime-Schlüsselanhängern zu riesigen Umschnalldildos kam jedoch auf einen Schlag, je höher man in den Gebäuden aufstieg. Immerhin gab es in der transvestiten-Abteilung tatsächlich auch mal Damenkleider in meiner Größe, da ich die Statur eine durchschnittlichen japanischen Mannes hatte, Kevin zerrte mich jedoch mit hochrotem Kopf direkt wieder weg. Leider passierte mir hier auch etwas furchtbar peinliches. So hatte ich an dem Tag eine neue Hose an von der ich vergessen hatte das elektronische Etikett auf der Innenseite abzuschneiden. Dies fiel mir leider viel zu spät auf und so piepten die Sicherungen an den Ein- und Ausgängen jedes Mal wenn ich durch lief, was jedes Mal zu einer peinlichen Interaktion mit den Verkäuferinnen und Verkäufern führte. Ich war mehr als erleichtert, als unsere Shopping-Tour vorbei war. Schließlich ging es nochmal in ein kleineres Restaurent, denn wir wollten unbedingt Okonomiyaki, eine Art japanische Pfannkuchen, essen. Diese gab es in zwei Stilrichtungen: Osaka-Style und Hiroshima-Style. Leider fanden wir nur Okonomiyaki mit Meeresfrüchten, von denen Kevin kein großer Fan ist. Also bestellte nur ich mir Okonomiyaki während Kevin sich ein Nudelgericht bestellte. Damit endete auch unser Ausflug nach Osaka und wir fuhren mit dem nächsten Zug wieder zurück nach Kyoto. Alles in allem kann man sich Osaka, vor allem wegen der schönen Burg, durchaus mal anschauen, ein Tagesausflug reichte hier aber auch vollkommen aus.

Gion, viel zu viele Schreine und das wohl leckerste Dessert der Welt

Am nächsten Tag ging es zu einer der wohl größten Touristen-Attraktion Kyotos: Gion. Dabei handelt es sich um einen traditionellen Stadtteil, der berühmt ist für seine traditionellen Holzhäuser und für seine Geishas. Gleichzeitig ist es der wohl exklusivste und teuerste Stadtteil Kyotos. An sich ist Gion ein sehr schöner Stadtteil und wir haben sogar kurz von weitem eine Geisha gesehen, was tatsächlich ein eher seltener Anblick ist. Leider hat Gion aber auch durch den Tourismus viel von seinem Charm verloren. So waren die Läden eh viel zu teuer und die Straßen waren so gut wie nie leer. Um Gion herum waren unzählige Kimono-Verleihe, die viel zu viele Leute in Anspruch nahmen und nun in ihren traditionellen Holzschuhen durch die Straßen stolperten (und schon wieder fällt der Begriff Kulturprostitution). In den letzten Jahren gab es leider auch immer wieder Touristen, die sich daneben benommen haben, weswegen es sogar Schilder gab auf denen gebeten wurde die Geishas nicht anzufassen. Womöglich waren wir auch einfach nur zur falschen Tageszeit da, wir hatten jedoch das Gefühl, dass dieser Ort viel von seinem Zauber bereits verloren hat. Auf dem Weg nach und von Gion, machten wir an etlichen Schreinen halt. Zu Beginn waren diese noch eine Attraktion. Nun stellten wir fest, dass Kyoto voller Schreine war und wir irgendwann auch mal genug gesehen haben für’s Erste. Als wir uns langsam vom Zentrum Gions entfernten, fanden wir dann doch einen kleinen Schatz. Dabei handelte es sich um ein kleines traditionelles Okonomiyaki Restaurant, welches sich sogar wieder in einer normalen Preisklasse befand. Die Eigentümerin, eine kleine Japanerin mittleren Alters, begrüßte uns am Eingang und führte uns hinein. Wir saßen an einem Tisch in dessen Mitte sich eine große Heizplatte befand. Die Besitzerin nahm unsere Bestellung auf und ging dann an ihren Tresen, wo ebenfalls eine derartige Platte war. Dort bereitete sie live vor unseren Augen die Okonomiyaki, die es hier im Gegensatz zu Osaka auch in verschiedenen Sorten gab sodass auch Kevin auf seine Kosten kam, zu. Uns lief das Wasser bereits im Mund zusammen während das kleine Lokal anfing nach dem Essen zu duften. Als die Okonomiyaki schließlich fertig waren, platzierte sie diese auf der Heizplatte auf unserem Tisch und erklärte uns, wie man sie isst. Man schneidet sie nämlich auf der Heizplatte, da die dünnen Porzellanteller, die sie ebenfalls vor uns platzierte und auf die wir die geschnittenen Stücke legen sollten, sonst beim Schneiden durchbrechen würden. Ich muss wohl nicht nochmal extra erwähnen wie unglaublich lecker das Essen war. Gestärkt und glücklich verließen wir den Laden und die Besitzerin verabschiedete sich am Eingang noch einmal von uns mit einer typisch japanischen Verbeugung. Als nächstes wollten wir uns noch ein Dessert erlauben. Über ein YouTube Video haben wir erfahren, dass es in der Nähe einen kleinen Shop gibt, der ein simples, aber dennoch himmlisches Dessert verkauft. Es handelt sich hierbei um mit Eis gefülltes Melon Pan. Melon Pan ist ein japanisches Gebäck. Es handelt sich dabei um ein Brötchen aus Hefeteig. Auf diesem Brötchen befindet sich eine Schicht aus Keksteig und eine Zuckerschicht, was das ganze unglaublich süß macht. Die Kombination aus luftigem Hefebrötchen mit dem knusprigen Keksteig ist jedoch vor allem bei frischem Melon Pan wirklich außergewöhnlich. Hier wurden die noch warmen frischen Melon Pans einmal aufgeschnitten und mit Eis gefüllt. Zusätzlich zur Kombination aus luftig und knusprig kam nun noch der Kontrast von warm zu kalt. Es klingt so simpel, jedoch führte es im Mund zu einer wahren Explosion der Sinne. Es hört sich für Außenstehende vielleicht übertrieben an, aber Melon Pan mit Eis ist wahrscheinlich das beste Dessert der Welt. Leider gibt es das jedoch wirklich nur in Kyoto. Wir haben in anderen Städten in Japan vergeblich danach gesucht. Wer also nach Kyoto kommt, sollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen dieses Dessert zu probieren.

Kyoto mal anders

Für unseren letzten Tag in Kyoto hatten wir uns etwas besonderes überlegt. Da unser Hostel sich eher am Stadtrand befand, wollten wir den Tag nutzen, um die unmittelbare Umgebung zu erkunden. Dafür liehen wir uns an der Rezeption Fahrräder aus. Diese waren jedoch größentechnisch eher für Japaner, was dazu führte, dass Kevin auch bei einem maximal ausgefahrenen Sattel noch so aussah, als würde er auf einem Clownsfahrrad fahren. Ich ließ mir den Spaß nicht nehmen laut Zirkusmusik zu summen, während ich hinter ihm her fuhr. Unser erstes Ziel lag am Ufer eines kleinen Kanals. Auf einer Karte im Hostel hatten wir gesehen, dass man hier eine Bootsfahrt namens Fushimi Jikkokubune machen konnte. In traditionellen Holzbooten sollte es vorbei gehen an alten Sake Brauereien. So interessant sich das auch erstmal anhört, so fühlten wir uns schnell fehl am Platz. Außer uns befanden sich nur japanische Rentner im Boot und natürlich sprach niemand hier englisch. Das Boot schwamm durch sehr hübsche grüne Kanäle bis es nach kurzer Zeit an einer Schleuse mit einem sehr kleinen Museum zum Stehen kam, wo wir mehr als genug Zeit hatten uns umzuschauen. Auch in dem Museum suchte man vergeblich nach englischsprachigen Schildern, ganz zu schweigen von englischsprachigem Personal. Mit Übersetzer-Apps scannten wir die Texte und erfuhren so, dass die mit Sake beladenen Boote hier durch die Schleuse gelassen wurden, um dann ihren Sake in das restliche Japan auszuliefern. Die Schleuse war schon lange außer Betrieb, aber es reichte zumindest noch für ein paar Fotos, bevor es mit dem Bötchen wieder zurück ging. Immerhin waren die Kanäle und die Boote wirklich hübsch, aber wir waren hier ganz klar nicht die richtige Zielgruppe. Zurück bei unseren Fahrrädern war unser nächstes Ziel die Burg Fushimi, die in der Tat ein sehr imposantes Bauwerk war und historisch gesehen wahrscheinlich auch gar nicht mal so unwichtig. So hatten wir in der Burg in Osaka bereits Verweise auf diesen Ort auf einigen Schildern gefunden. Leider tat es der Burg Fushimi wohl gar nicht gut so weit weg vom Stadtkern Kyotos zu sein, denn sie war leider verlassen. Das Areal war zugewachsen und der Eingangsbereich, wo einst Eintrittskarten verkauft wurden, war schon seit langem verlassen. Lediglich der große Parkplatz wurde für ein benachbartes Baseballfeld genutzt. Zurück auf dem Fahrrad ging es zurück in Richtung Hostel. Dabei stellten wir fest, dass das Studio von Kyoto Animation, ein berühmtes japanisches Animationsstudio, sich ganz in der Nähe befand. Dieses Studio hatte traurige Berühmtheit erlangt, da ein geistig kranker Mann zwei Monate vor unserer Japanreise, einen Brandanschlag darauf verübt hatte bei dem 36 Menschen ums Leben kamen. Im sonst eher friedlichen Japan sorgte dies für einen großen Schock und würde als der größte Massenmord Japans seit dem 2. Weltkrieg eingestuft. Da wir beide sehr große Animefans sind und uns die Nachrichten aus Japan damals sehr erschüttert hatten, beschlossen wir zum Ort des Geschehens zu fahren. Dabei muss man wissen, dass Kyoto Animations aus verschiedenen Gebäuden besteht, die sich alle relativ weit verbreitet in einer Wohngegend befanden. Das eine besagte Gebäude stand noch immer vollkommen ausgebrannt mitten in diesem Wohngebiet und selbst zwei Monate später noch Menschen geschockt davor standen, was einen bei dem fürchterlichen Anblick der ausgebrannten Ruine nicht wunderte. Man möchte sich gar nicht vorstellen wir furchtbar es an dem besagten Tag dort sein musste, wenn man den Ruß um die Öffnungen sah und die durch die Hitze geschmolzenen Metallkonstruktionen. Zugegeben wollten wir bei dem Anblick einfach nur noch schnell weg. Schweigend fuhren wir erstmal zur nahegelegenen Coco’s Curryhouse Filiale um auf andere Gedanken zu kommen.

Was als nächstes kam war das absolute Kontrastprogramm. Um die Ecke gab es zwei große Gebäude auf denen in Leuchtbuchstaben “Karaoke” stand. Wir versuchten im ersten Gebäude unser Glück, was jedoch nur bei einem Versuch blieb. So wollten wir wissen, ob es auch Lieder mit lateinischen Buchstaben gab. Der Herr am Empfang war sichtlich überfordert, da er offenbar kein Wort englisch sprach und schließlich einfach nur noch mit einem “nein” antwortete, ohne wirklich die Frage verstanden zu haben. Im zweiten Gebäude hatten wir mehr Glück. Die Dame am Empfang holte ihre Kollegin hinzu und zu viert schaffte man es unsere Frage zu bejaen und uns sogar noch grob zu erklären wie das funktioniert. So war zum Beispiel eine Flatrate an nicht-alkoholischen Getränken inklusive. Uns wurde ein kleiner Raum zugeteilt mit einem großen Fernseher an der Wand, Mikrofonen, einem Sofa und einem Tisch mit zwei Tablets. Das eine Tablet war dazu da um Essen zu bestellen oder seinen Aufenthalt zu verlängern, während das andere Tablet für die Songauswahl war. Um es direkt mal vorweg zu nehmen: Karaoke macht vor allem in Japan unglaublich viel Spaß! Die Benutzeroberfläche des Tablets konnte problemlos auf englisch umgestellt werden. Bei den japanischen Liedern, darunter ein ganzer Bereich nur zu Anime-Liedern, gab es immer auch noch die Lautschrift in lateinischen Buchstaben mit dazu. Lustig wurde es bei englischen Songtiteln japanischer Lieder. Hier wurde offenbar aus dem Englischen in’s Japanische übersetzt und wieder zurück. So wurde z.B. “We are” zu “Wia”. und “Ready Steady Go” zu “Redi Sutedi Go”. Außerdem gab es zahlreiche englischsprachige Lieder und sogar 99 Luftballons von Nena war mit dabei, wenn auch mit einigen Fehlern im Text. Im Gegensatz zu europäischen Karaoke-Bars, wo man häufig vor Publikum singen musste, verlor man hier in Japan viel schneller alle Hemmungen, da man zum einen in einem abgesperrten Raum war und zum anderen konnte man die Menschen in den anderen Räumen laut und deutlich hören, wie sie mit vollem Herzblut einen Ton nach dem anderen in den Sand setzten. So passten wir uns schnell an und brüllten und lachten lauthals in die Mikrofone. Ganz besonders hat es uns das Lied “Cruel Angel’s Thesis” angetan, welches der Opening-Song der Anime-Serie “Neon Genesis Evangelion” ist. Dieses Lied sangen wir gleich mehrfach hintereinander. Zwar gibt es dazu auch Bild- und Ton(!)-Aufnahmen, zur Wahrung des Allgemeinwohls verlinke ich hier aber lieber das Original 😉

Nach einer Weile fing das Essens-Tablet an zu Piepen. Dies war eine Warnung, dass unsere gebuchte Zeit sich langsam dem Ende neigte. Testweise hatten wir nur 30min gebucht, doch zum Glück ließ sich die Zeit beliebig über das Tablet verlängern, sodass wir schließlich bis zum Abend in der Karaoke-Bar waren. Karaoke ist ein super Zeitvertreib ich Japan, denn trotz der Getränke-Flatrate ist es wirklich nicht teuer, sodass dies auch nicht unser letzter Karaokeabend in Japan war.

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