Reisen

Japan (2019)

Wakayama – Ramen, Fisch und eine ganze besondere Katze

Die Hafenstadt Wakayama ist wohl eher selten in den klassischen Japan-Reiseführern zu finden. Nach unserem Abstecher nach Koya-san wollten wir auf die Insel Shikoku und weil dies eine recht lange Reise für einen Tag wäre, haben wir beschlossen einen Zwischenstopp in Wakayama zu machen, wo die Fähre nach Shikoku ablegte. Im nächsten Schritt informierten wir uns darüber, was man in Wakayama sehen bzw. unternehmen konnte. Neben einem Schloss im Stadtzentrum und einem schönen Zoo, welchen wir leider nicht geschafft haben zu besuchen, gab es drei Dinge, die besonders waren für Wakayama, wovon die ersten beiden mit Essen zu tun hatten: Einen großen Fischmarkt und das angeblich beste Ramen Japans. Als drittes gab es hier den Zug nach Kishi Station. Kishi Station war ein kleiner Bahnhof in der Kleinstadt Kinogawa am Rande von Wakayama. Landflucht ist auch in Japan ein großes Thema und so wurde Kinogawa im Laufe der Jahre immer unattraktiver, sodass sich in den 2000er Jahren die Bahngesellschaft Nankai Electric Railway zurück gezogen hat. Kishi Station wurde von da an nur noch von der privaten Bahngesellschaft Wakayama Electric Railway angefahren. Schnell ging auch hier das Geld aus, da so wenig Leute nach Kinogawa fuhren, dass sich die Strecke einfach nicht mehr lohnte. Der Lebensmittelhändler Toshiko Koyama, der seinen Laden in der Nähe der Bahnstation hatte und aufgrund finanzieller Engpässe von der Wakayama Electric Railway rekrutiert wurde, brachte den Stein in’s Rollen. So kümmerte er sich um einige streunende Katzen in Kishi Station. Eine dieser Katzen, Tama, stach durch ihren guten Charakter und ihre Menschennähe besonders heraus. Und da kam den Verantwortlichen die entscheidende Idee: Tama wurde zur Bahnhofsvorsteherin von Kishi Station ernannt. Da die Japaner offensichtlich eine Schwäche für Maskottchen haben, sprach sich die Geschichte schnell rum. Plötzlich reisten zahlreiche Menschen nach Kinogawa um Tama zu treffen. Schon bald kamen auch die ersten Touristen aus dem Ausland. Sie alle hatten gemeinsam, dass sie mit dem Zug von Wakayama nach Kishi Station fuhren. Dies rettete nicht nur die Bahnlinie, sondern brachte den Verantwortlichen auch so viele Einnahmen ein, dass die Züge und das Bahnhofsgebäude komplett erneuert werden konnten. Die Züge bekamen einen lustigen Comic-Look dessen Highlight natürlich der Tama-Zug war, der mit Comic-Bildern von Tama und mit Katzenohren versehen war. Das Bahnhofsgebäude hat die Form eines Katzenkopfs. Neben einem “Büro” für Tama, einem Glaskasten mit Kratzbaum und Katzenklo, gab es einen Souvenirshop und ein Café mit Tama-Thema. 2015 schien dieses reale Märchen ein Ende zu nehmen, als Tama nach einem langen und wirklich außergewöhnlichen Katzenleben starb. Die Beerdigung glich einem Staatsakt und so groß die Trauer war, so hatte man in Kinogawa vorgesorgt. Noch zu Lebzeiten Tamas stellte man eine weitere Katze Nitama (deutsch: Tama 2) ein. Nitama wurde offiziell zu Tamas Nachfolgerin und hat ihre “Ausbildung” in Idakiso Station, einer Bahnstation zwischen Wakayma und Kishi Station, absolviert. Auch Nitama hat mit Yontama (deutsch: Tama 4) mittlerweile eine Nachfolgerin in Ausbildung erhalten. Manche fragen sich vermutlich was mit Tama 3 ist. Sun-Tama-Tama ist in Okayama wo sie dem Bahnhofsvorsteher so sehr an’s Herz gewachsen ist, dass er sie nicht nach Kinogawa hat gehen lassen.

Natürlich wollten wir Nitama und Yontama unbedingt besuchen. Da sie formal gesehen Mitarbeiter von Wakayama Electric Railway sind, haben beide Katzen offizielle Arbeitszeiten, die man online einsehen kann. So mussten wir mit einem Schrecken feststellen, dass die beiden die nächsten Tage frei hatten. Wenn wir aber auf direktem Wege nicht zu unserer Unterkunft, sondern nach Kinogawa fahren würden, würden wir sie aber sehen können. Entschlossen setzten wir unsere Reiserucksäcke auf und folgten am Bahnhof in Wakayama am Boden aufgeklebten Pfotenabdrücken, die uns zum Gleis der Bahn nach Kishi Station lotste. Hier mussten wir ein separates Ticket lösen, da es eine private Bahnlinie war, bevor es auch schon los ging. Wir befanden uns in einem Zug voller Bilder von bunten Comic Zügen. In Idakiso Station stiegen wir aus. Die Station war wirklich sehr klein. Es gab einen kleinen Ticketschalter mit ein paar Souvenirs und einen Glaskasten in dessen Tiefen sich Yontama versteckte und zusammengerollt schlief. Nach ein paar Fotos, die aber leider aufgrund der Reflektion der Scheibe nicht wirklich gut geworden sind, merkten wir, dass unser Zug noch immer am Gleis stand. Also sprangen wir kurz darauf wieder rein und schon ging es weiter in Richtung Kishi Station. Im Herzen des Bahnhofsgebäudes erwartete uns bereits Nitama, die in aller Ruhe in ihrem “Büro” döste. Nach einigen Fotos ging es vor das Bahnhofsgebäude. Während ich mit unserem Gepäck draußen blieb und ein Foto nach dem anderen schoss, schaute Kevin sich den Souvenirshop an und kam kurz darauf mit leeren Händen wieder raus. Wir wechselten die Aufgaben und ich war so begeistert von der Geschichte dieser Bahnstation, dass ich mich komplett mit Souvenirs für mich und für meine Familie eindeckte. So kaufte ich Nitama-Postkarten, einen kleinen Plüsch-Tama und Magneten mit Tama und Nitama. Als nächstes ging es für eine kleine Stärkung in das Bahnhofscafé, wo wir uns ein paar kleine Leckereien in süßen Tama-Bechern holten. Von unseren Plätzen im Café hatten wir zudem einen super Ausblick auf Nitama. Dabei rannten wir noch 1-2 Mal raus um weitere Fotos von Nitama zu machen. Dabei entstand auch ein sehr cooles Selfie von Nitama mit mir. Im Café gab es noch weitere Souvenirs und während ich mir ein cooles Sport-Shirt kaufte, langte nun auch Kevin zu und kaufte ein Gebetstäfelchen mit Tama drauf. Schließlich verabschiedeten wir uns nochmal von Nitama und kehrten zurück nach Wakayama. Unsere Bahn zurück war dann sogar die Tama-Bahn, was erneut zu einer Reihe an Fotos führten. Dies war ein perfekter Start für unseren Aufenthalt in Wakayama und ist rückwirkend eines der Highlights unseres Japan Urlaubs.

Soaplands und Ramen mit extra Fleisch

Nach unserem Abstecher zu Nitama ging es schließlich zu unserer Unterkunft. Dabei handelte es sich um eine kleine Wohnung in einem typischen Wohnhaus. Das Wohnhaus befand sich sehr zentral, allerdings war es auch im Rotlichtviertel der Stadt. In jedem anderen Land der Welt wäre das wahrscheinlich etwas beunruhigend, aber in Japan, dem sichersten Land der Welt, fühlt man sich tatsächlich selbst im Rotlichtviertel noch sicher. Eigentlich ist Prostitution in Japan verboten, doch selbstverständlich wird man bei so etwas schnell kreativ. Die Bordelle in der Gegend wurden also nicht als solche betitelt, sondern stattdessen gab es große Leuchtschilder mit der Aufschrift “Soapland” (deutsch: Seifenland). Die Bordelle sind offiziell als Badehäuser angemeldet. Praktisch ist das so umgesetzt, dass sich in den Räumlichkeiten große Bäder befinden und die Prostituierten ihre Kunden vor dem eigentlichen Akt waschen. Wahrscheinlich ist das für sie auch von Vorteil, da sie somit sicherstellen können, dass ihre Kunden ausreichend sauber sind. Direkt hinter dem Rotlichviertel fing dann der eigentliche Stadtkern an, wo wir uns zu Abend in einem kleinen Ramenrestaurant einfanden. Natürlich reichte man uns Ausländern sofort eine englischsprachige Speisekarte. Ich wollte das reine Wakayama-Ramen probieren, weswegen ich das simpelste von allen wählte. Keven bestellte Ramen mit Rindfleisch. Zumindest war es so auf der Speisekarte ausgeschrieben. Im Endeffekt waren beide Ramen mit Rindfleisch, in Kevins Schüssel befand sich aber extra viel Fleisch. Die große Menge Fleisch ließ ihn fast einknicken, aber er hat sich tapfer geschlagen, auch wenn er von da an auch nur noch das normale Ramen bestellt hat.

Kevins Ramen mit extra mehr Fleisch 😉

Kuroshio Market

Ein Vorteil unserer Unterkunft war, dass es kostenlose Leihräder gab. Am nächsten Tag war also der Plan, sich auf die Fahrräder zu schwingen und zum Kuroshio Market zu fahren. Wakayama liegt direkt am Meer und die japanische Küche verfügt über eine Reihe wirklich exzelenter Fischgerichte. Der Kuroshio Market ist ein großer Fischmarkt in Wakayama und auch wenn Kevin nicht der größte Fischfan ist, so wollte ich unbedingt den frischen Fisch probieren. Der Markt war knappe 10km von unserer Unterkunft entfernt. Zugegeben habe ich die Anstrengung der Fahrt unterschätzt. Direkt zu Beginn mussten wir umdrehen, da meine FlipFlops nach all den Strapazen der letzten Tage nun vollends den Geist aufgegeben haben und auseinander gefallen sind. Zum Glück sind wir nicht weit gekommen, sodass wir nochmal zum Schuhwechsel umdrehen konnten. Beim zweiten Versuch klappte es dann, jedoch knallte uns die heiße Sommersonne Japans gnadenlos auf den Kopf und die schwüle Luft ließ uns an zahlreichen Getränkeautomaten anhalten und die Flaschen in einem Zug leertrinken. Nach einer also deutlich anstrengenderen Fahrt als erwartet, erreichten wir schließlich einen Freizeitpark auf dessen Gelände sich der Fischmarkt befand. Der Freizeitpark war dabei unglaublich skuril, denn er war so gut wie menschenleer. Man konnte, ähnlich wie es in Deutschland üblich ist, am Eingang eine Eintrittsgebühr bezahlten und sämtliche Fahrgeschäfte nutzen. Genau so konnte man aber auch kostenlos den Freizeitpark betreten und ähnlich wie bei der Kirmes bei jedem Fahrgeschäft, das man nutzen will, einzeln bezahlen. Da unser Ziel nicht die Fahrgeschäfte sondern der Fischmarkt war, entschieden wir uns für den kostenlosen Eintritt. Das skurile an dem Freizeitpark war, dass er, obwohl die Sonne schien, fast komplett menschenleer war. An jedem Fahrgeschäft befanden sich Mitarbeiter*innen, deren Augen kurz aufleuchteten, als wir vorbei gingen, in der Hoffnung dass wir ein bisschen Abwechslung in ihren wahrscheinlich unglaulich langweiligen Arbeitstag bringen würden, was allerdings nicht der Fall war. Schließlich erreichten wir den Fischmarkt, der einen starken Kontrast zum Rest des Parks bildete. Zum einen ist es schon merkwürdig genug, dass sich so ein Markt mitten in einem Freizeitpark befand. Zum anderen waren hier tatsächlich ziemlich viele Menschen. Die meisten gehörten chinesischen Reisegruppen an, deren Busse sich auf dem Parkplatz hinter dem Markt aneinander reihten. Der Markt selber war genau so wie man sich so einen Fischmarkt in Asien vorstellt. Neben frischem Fisch in Eisauslagen gab es auch zahlreiche Aquarien mit noch lebenden Exemplaren. Jedoch bekleckert sich Japan hier auch nicht gerade in Ruhm, denn so gab es in den Auslagen nicht nur Fisch und Meeresfrüchte, sondern es gab auch einen Bereich mit Walfleisch. Kurz nachdem wir uns einen Überblick über den Markt verschaffen haben, begab sich ein junger Mann auf eine kleine Bühne in der Nähe des Eingangs. Dies war die wohl größte Attraktion des Fischmarkts. Schnell füllte sich der Bereich vor der Bühne mit den chinesischen Touristen, die direkt ihre Hände zückten. Der Mann auf der Bühne hatte einen großen Thunfisch vor sich liegen und zeigte nun in einer Art Live Show wie er den Fisch auseinander nahm. Später wurde der Fisch dann auf dem Markt weiter verarbeitet und verkauft. Da es mittlerweile Zeit für das Mittagessen war, entschied ich mich direkt für Thunfisch Sashimi. Sashimi ist roher Fisch, der auf Reis mit ein paar Frühlingszwiebeln und einer Art Schwammähnlichen Fäden und Wasabi und Sojasauce serviert wurde. Kevin war nicht von rohem Fisch zu überzeugen und entschied sich daher für Fisch-Buletten und ein Eis zum Nachtisch.

Tierhandlungen in Japan – Dieses Land hat auch Schattenseiten

Auf dem Rückweg vom Kuroshio Market passierten wir eine große Zoohandlung. Wir legten hier eine kurze Pause ein mit der Idee unseren geliebten Katzen ein paar Souvenirs aus Japan mitzubringen. So wurden wir auch fündig und kauften eine Packung Leckerlies, ein katzenförmiges Schmusekissen und einen Fisch in dem man Belohnungen verstecken kann. Wie man es auch aus manchen deutschen Zoohandlungen kennt, so gab es auch hier einen Bereich mit lebenden Tieren. Statt Kanninchen und Hamstern, deren Ausstellung in Zoofachhandlungen in Deutschland bereits kontrovers genug ist, gab es hier jedoch viel zu kleine Käfige und Glaskästen mit Katzen- und Hundebabys die alle noch so klein waren, dass sie eigentlich noch bei ihren Muttertieren sein sollten. Zudem handelte es sich ausschließlich um teure Rassetiere. So gab es zum Beispiel auch eine kleine Bengalkatze und sogar eine sibirische Katze, sowie bei den Hunden zum Beispiel einen kleinen Shiba Inu Welpen. Das Alter der Tiere warf eine unangenehme Frage auf, deren Antwort leider noch viel unangenehmer war: Was passiert mit den nicht verkauften Tieren, wenn sie älter werden? Die nicht verkauften Welpen und Kätzchen werden vergast und wie Ware entsorgt. Es ist unglaublich wie so ein fortschrittliches Land wie Japan so sehr hinterher hinkt wenn es um Tierrechte und Tierschutz geht. Die Problematik ist schon länger bekannt, so habe ich unter anderem eine Online Petition aus dem Jahre 2012 gefunden, die auch die Thematik noch einmal genauer beschreibt:
https://www.openpetition.de/petition/online/stoppt-japans-vergasung-von-jungen-katzen-und-hunden
Da wir beide große Tierliebhaber sind, macht uns das selbst heute noch sehr nachdenklich und wirft einen großen Schatten auf das sonst so tolle und schillernde Japan.

Burg Wakayama

Unser letzter Stopp an diesem Tag war die Burg Wakayama. Erschöpft stellten wir unsere Fahrräder auf einem nahe liegenden Parkplatz ab und stiegen die Stufen zur Burg empor. Sofort kam ein Mann mit einer großen Pumpflasche (wie man es sonst von Plantagen kennt wo damit Pestizide versprüht wurden) auf uns zu und fing an uns mit kaltem Wasser abzusprühen. Nach kurzer Zeit begriffen wir, dass dieser Mann quasi die Klimaanlage war. In der Tat fühlte sich das kalte Wasser auf der Haut unglaublich gut an und so ließen wir uns das gerne gefallen. In der Burg befand sich eine kleine Ausstellung mit alten Samurai Rüstungen und ähnlichen Artefakten. Oben auf dem Turm angekommen gab es ein wirklich schöne Aussicht über die Stadt. Hinter der Burg gab es noch einen hübschen kleinen Garten und eigentlich hätten wir mit unseren Tickets auch noch eine weitere Ausstellung besuchen können, allerdings war es schon recht spät und so schafften wir es zwar noch einen kurzen Blick in den Garten zu werfen, aber die Ausstellung haben wir nicht mehr geschafft. Trotzdem war es ein schöner finaler Halt auf unserer Tour. Den Abend ließen wir dann noch einmal mit Ramen ausklingen.

Seiten: 1 2 3 4 5 6 7