Reisen

Kuba (2022)

Cienfuegos

Mit dem Colectivo nach Cienfuegos

Am nächsten Morgen holte uns ein Colectivo, ein Sammeltaxi, bei unserer Unterkunft ab. Colectivos kannten und liebten wir aus Peru, jedoch hatten die kubanischen Colectivos so gut wie gar nichts mit den peruanischen gemein. Zunächst einmal waren es keine Minibusse im klassischen Stil, sondern, typisch Kuba, zu Minibussen umfunktionierte Oldtimer. Man ging auch nicht zu irgendeinem Sammelpunkt, rief laut sein Ziel, verhandelte einen Preis und stieg ein, sondern es musste am Vortag reserviert werden, damit man am nächsten Tag abgeholt wird. Dabei haben natürlich sämtliche Besitzer*innen der Casas Particulares zufällig einen Freund, der Colectivo fährt und den sie für einen reservieren. Direkt beim Fahrer kann man eigentlich nie reservieren, es gibt immer eine Person die in der Mitte steht und Provision kassiert. Preisverhandlungen gibt es somit auch nicht, da einem immer versichert wird es sei ein Freundschaftspreis. Der wohl größte und gravierendste Unterschied zwischen den peruanischen und den kubanischen Colectivos war aber nicht der Mangel an Flexibilität sondern, dass Einheimische sich auf keinen Fall in so einem Colectivo transportieren lassen würden. Wir waren es gewohnt die Transportmittel der Einheimischen zu verwenden, sei es in Peru oder aber auch in Lesotho. Auf Kuba hatten wir dazu zunächst einmal gar keine Möglichkeit. “Die beste und günstigste Möglichkeit von Havana nach Cienfuegos zu kommen ist ein Colectivo”, hatte Jensen uns erklärt. Das war leider wieder falsch. Die hohen Spritpreise machten nicht nur den Menschen in Europa zu schaffen, sondern auch Kuba hatte damit zu kämpfen und zwar mit einer Mischung aus Inflation, aber vor allem auch Knappheit. Als hätte das Land nicht schon genug Probleme, kämpfte es zusätzlich auch noch einmal mit einer Benzinknappheit, was zu langen Schlangen an Tankstellen führte und gestrecktem Benzin in den ohnehin schon alten Autos von denen so gut wie gar keins einen Abgasfilter besaß. Die gesamte Insel roch ununterbrochen nach Diesel, sodass wir am Ende der Reise wahrscheinlich komplett verruste Lungen hatten. Dieser schwere Dieselgeruch paarte sich in manchen Ecken noch mit dem Gestank, der in der Sonne vor sich hin vegetierenden Müllberge. Neben der ohnehin stark eingeschränkten Reisefreiheit der Einheimischen in einem Land wie Kuba kam also hinzu, dass sich niemand von den Kubaner*innen die Fahrt in einem Colectivo leisten konnte. Es waren also die reinsten Touristtenkutschen inklusive der Tatsache, dass man die Fahrt natürlich ausschließlich in Euro und in bar bezahlen konnte.

Zum Zeitpunkt der Fahrt wussten wir noch nicht über das Ausmaß der Problematik Bescheid und dachten ernsthaft, dass dieser Colectivo gerade die beste Option für uns wäre. In dem Wagen selber war neben dem Fahrer Platz für sechs Reisende. Wir teilten uns den Colectivo also noch mit zwei spanischen Pärchen. Diese unterhielten sich hauptsächlich über ihre Reisepläne und darüber wo sie gut auf dem Schwarzmarkt Geld tauschen konnten. Wir unterhielten uns kurz mit ihnen, verbrachten aber einen Großteil der Fahrt eher mit Schlafen, lesen oder Musik hören.

Für kurze Zeit eine heile Welt

Von nun an sollte die Reise abenteuerlicher werden. Wir hatten in Cienfuegos keine Unterkunft. Da unser Colectivo-Fahrer aber eine konkrete Adresse haben wollte um uns raus zu lassen, suchte ich online schnell eine Casa Particular heraus, die einen ganz guten Eindruck machte. Als wir ankamen, stand das Haus jedoch leer. Online stand, dass die Besitzer*innen aus Russland kamen, eventuell hatte es also etwas mit dem Krieg zu tun. Vielleicht war es aber auch nur die desolate Situation im Land. Wir ließen uns davon jedoch nicht unterkriegen, setzten unsere Rucksäcke auf und gingen die Straße entlang. Da sahen wir an einer Straßenecke ein schönes gepflegtes Haus mit einer Hollywoodschaukel auf der Terrasse und das beste daran war: Daran hing ein Schild mit einem umgekehrten blauen Anker. Wir klopften also und ein älterer Herr kam begleitet von einem kleinen schwarzen Hund heraus. Ich erklärte ihm, dass wir Reisende seien und ein Zimmer suchten und erfreut erklärte er uns, dass er zwei Zimmer hätte, die beide frei seien. Er bat uns herein und zeigte uns beide Zimmer. Auch von innen machte das Haus einen wirklich guten Eindruck. Die Zimmer waren groß und gepflegt und jedes hatte auch noch ein eigenes Badezimmer mit einer tollen Regenwalddusche. Wir entschieden uns für das erste Zimmer, das er uns zeigte. Es war ein geräumiges Zimmer mit Bettwäsche mit Zebramuster. In der Ecke stand ein Röhrenfernseher und in einem kleinen Vorraum befand sich ein eigener Kühlschrank. Auch preislich war die Unterkunft mit 20€ pro Nacht für uns beide wirklich gut. Der Mann hieß Gonzalo und seine Frau, die auch direkt dazu kam, war Mayra. Der kleine schwarze Hund hörte auf den Namen Coco und er sprang die ganze Zeit um uns herum um uns willkommen zu heißen. Später erfuhren wir, dass Mayra und Gonzalo Coco als Welpen auf der Straße gefunden hatten kurz nachdem ihr alter Hund verstorben war. Generell waren die beiden sehr tierlieb. Auf der Terrasse, um die Hollywoodschaukel herum, tummelten sich ständig Katzen, weil Mayra ihnen etwas zu essen raus stellte. Sie kannte alle davon und erklärte uns welche Katzen miteinander verwand waren. Das Haus war so aufgebaut, dass man sobald man es betrat in einer Art Wohnzimmer stand. Vor einem Fernseher standen zwei Schaukelstühle auf denen Mayra und Gonzalo häufig saßen, und ein Tisch. Ein typisch kubanisches Wohnzimmer. Dahinter befand sich ein Esszimmer an dessen Seite ein uralter Rechner mit einem Röhrenmonitor stand. Wiederum dahinter war die Küche. Ging man weiter, so betrat man eine Art Innenhof mit Schaukelstühlen. Auch das war wieder typisch kubanisch. In so ziemlich jedem kubanischen Haushalt sollten sich während unserer Reise Schaukelstühle befinden und es war wirklich bequem darin zu sitzen, zu lesen und zu entspannen. In einem Anbau befand sich das zweite Zimmer, welches noch frei war. Zwischen dem Hauptgebäude und dem Anbau war ein Becken in dem man Wäsche waschen konnte und ein schmaler Weg der zu einigen Wäscheleinen führte.

Am Nachmittag zogen wir los, um die Promenade entlang nach La Punta, einer kleinen Halbinsel, zu gehen. Cienfuegos war kein Vergleich zu Havanna. Es wirkte sauber, viel weniger hektisch und nahezu paradiesisch. Ein Grund warum wir die Promenade entlang liefen war, dass wir davon ausgingen, dass sich dort Restaurants befinden mussten, immerhin hatten wir abgesehen vom Frühstück noch nichts gegessen. Aus irgendeinem Grund waren die meisten Restaurants jedoch zu. Als wir schließlich eines fanden, war dieses hoffnungslos überfüllt und wir mussten abwägen, ob wir so lange in der prallen Sonne warten wollten bis ein Tisch frei wird, wobei noch Leute vor uns warteten, oder ob wir weiter ziehen wollten. Kurz warteten wir, aber als die Sonne unerträglich wurde zogen wir weiter. An der Spitze der Halbinsel angekommen, fanden wir endlich ein Restaurant, welches noch ein paar letzte Tische frei hatte. Erschöpft ließen wir uns dort nieder und waren nicht die einzigen. Ein europäisch wirkendes Pärchen platzierte sich sichtlich erschöpft einen Tisch weiter. Auch wenn wir in Havanna zahlreiche Tourismusschulen gesehen haben und Kuba als beliebtes Reiseland in der Karibik eigentlich gewohnt sein sollte an den Umgang mit Tourist*innen, so waren wir auf unserer Reise in keinem Restaurant in dem es auch nur halbwegs guten Service gab. Nach einer gefühlten Ewigkeit und mehrfachem Zuwinken erbarmte sich eine Kellnerin an unseren Tisch. Als ich nach einer Karte fragte, erklärte sie uns, dass es hier nur ein Gericht gab und zwar Paella. Hungrig wie wir beide waren, bestellten wir beide. Als ich uns eine Flache Wasser dazu bestellen wollte, erklärte sie uns, dass es kein Wasser gäbe. Sie hätten nur alkoholische Getränke. Dies kam uns merkwürdig vor, also erklärte ich ihr, dass wir beide kein Alkohol trinken. Nach kurzem Überlegen schlug sie vor uns eine alkoholfreie Piña Colada zu machen und wir stimmten zu. Die Piña Colada entpuppte sich als 200ml Glas und da wir nach dem Frühstück auch nichts mehr getrunken hatten und die Hitze weiterhin gnadenlos war, tranken wir sie nahezu in einem Schluck aus und bestellten direkt eine weitere. Nach über einer Stunde kam endlich unser Essen. Mit der grandiosen Paella in Spanien hatte dies nicht viel zu tun. In einem kleinen Schüsselchen war wässriger Reis mit ein paar Krabben, die Kevin direkt zu mir rüber schaufelte, worüber ich mich sehr freute, und ein paar wenigen Fleischstückchen, die man kaum als Fleisch bezeichnen konnte, da es sich fast nur um Knochen, Sehnen und Knorpel handelte.

Nach dem Essen hatten wir nicht viel Zeit weiter zu laufen, denn das wechselhafte Karibikwetter holte uns ein. Von einer Minute auf die andere verdunkelte sich der Himmel. Dicke Regentropfen vielen vom Himmel und den Himmel erhellten Blitze gefolgt von ohrenbetäubendem Donner. Wie jede Menge Kubaner*innen, stellten auch wir uns unter das Vordach des zuvor besuchten Restaurants und warteten bis das Unwetter vorbei zog. Im benachbarten Gebäude befand sich ein kleines Burgerrestaurant, welches zwar geöffnet hatte, aber nichts zu essen hatte. Dafür hatten sie jede Menge Wasserflaschen für gerade einmal 40CUP pro Wasserflasche. Wir kauften uns ein paar Wasserflaschen und kehrten zur Unterkunft zurück. Dort blieben wir aber nicht lange. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es zu José Marti Park, der eher als zentraler Platz der Stadt fungierte als wirklich ein Park. Zahlreiche Leute waren damit beschäftigt Stühle aufzubauen, denn am nächsten Tag war der 26. Juli, was in Kuba der Tag der nationalen Rebellion ist und Hauptaustragungsort sollte dieses Jahr Cienfuegos sein. Dass wir ausgerechnet zu dem Zeitpunkt hier in Cienfuegos waren war eher Zufall, aber natürlich ein willkommener. Am José Marti Park befindet sich auch das Teatro Terry, ein altes Theater mit noch originaler Holzbestuhlung. Dort sollte ein Event stattfinden, um den Vorabend des 26. Juli zu feiern, sodass auch dort reges Treiben herrschte.

Da aber alles noch im Aufbau war, liefen wir wieder zurück zur Unterkunft. Dort machten wir es uns auf den Schaukelstühlen im Innenhof gemütlich und lasen ein wenig. Mayra gesellte sich zu uns und schenkte uns ein Schoko-Vanille Eis, welches Kevin dankend annahm. Dies war ein guter Zeitpunkt um ein wenig ins Gespräch zu kommen. Zunächst unterhielten wir uns etwas über die Feierlichkeiten morgen, nach einiger Zeiten schweiften wir aber ab. Mayra erzählte unter anderem von ihrer Schwester, die nach Miami geflohen ist. Sie versorgt die Familie nun von dort aus mit dem nötigsten. Das beginnt mit US-Dollar für die MLC-Läden und endet bei so etwas banalem wie Lactase-Tabletten. Mayra erklärte, dass sie Lactoseintolerant sei, aber Lactase-Tabletten in Kuba schlichtweg nicht existieren. Kurz darauf verschwand sie in der Küche und als sie zurück kam hielt sie stolz eine kleine Schachtel hoch. Früher ging es ihr nach dem Essen häufig schlecht, aber seit ihre Schwester ihr die Tabletten schickt kann sie wieder alles essen, erklärte sie freudig. Wie viel Lebensqualität man durch so eine kleine Geste doch wiedererlangen konnte. Und wie schwierig es wohl für Kubaner*innen ist, die keine Angehörige im Ausland haben. Andererseits waren das wohl die wenigsten, denn die kubanische Bevölkerung schrumpft kontinuierlich aufgrund starker Abwanderung. Dies hat sich in den letzten Jahren noch einmal deutlich verschärft. Es ist ironisch, aber nur dank der Exil-Kubaner*innen scheinen viele der Menschen im Land überhaupt noch durchhalten zu können.

Am Abend ging ich noch einmal zum José Marti Park. Kevin wollte sich etwas ausruhen und blieb daher in der Unterkunft. Die Stadt war sehr belebt aufgrund der Feierlichkeiten. Alles was beleuchtet und die Leute schienen bester Laune zu sein. Ich verstand nicht wozu die Stühle tagsüber im Park aufgestellt wurden, denn da war eigentlich nichts. Im Theater hingegen schien eine Aufführung mit Musik und Tanz zu sein. Die Türen waren geöffnet und so konnte man auch von draußen Teile der Aufführung sehen. Ich blieb ein paar Minuten um mir das ganze anzuschauen und machte mich dann wieder auf den Rückweg.

26. Juli – Der Tag der nationalen Rebellion

Früh morgens klingelte bereits unser Wecker. Wir frühstückten kurz vor 7. Mayra bereitete uns ein hervorragendes Frühstück mit frischen Früchten, Saft, Brot und Kevin bekam auch noch ein Omelett. Dabei war das Frühstück sogar günstiger als das in Havanna, aber fast noch größer. Der Grund für unser frühes Aufstehen war, dass früh morgens bereits die Feierlichkeiten zum 26. Juli begannen. Wir machten uns also auf zum Plaza de Actos, wo eine riesengroße Bühne aufgebaut war. Zahlreiche Parteifunktionäre und auch Miguel Diáz-Canel, der kubanische Präsident, waren vor Ort und hielten patriotische Reden. Im Publikum saßen Gruppen an Krankenpfleger*innen, Schüler*innen, Arbeiter*innen und noch viele mehr. Sie alle hatten kleine rot-schwarze Fähnchen, die Flagge der kubanischen Revolution, in der Hand. Wir selbst kamen nicht bis zu den Stühlen, da der Bereich davor abgesperrt war und Leute sogar mit Metalldetektoren durchsucht wurden bevor sie weiter gehen konnten. Also schauten wir uns das Ganze von weitem an. Erst als um 08:00 Uhr alles vorbei war, wurden die Metalldetektoren schnell zur Seite geräumt und alle konnten rein und raus. Ich fragte eine Gruppe Zuschauer*innen nach dem Fähnchen und bekam kurz darauf eines geschenkt. Wir schauten uns das Gelände an und machten Fotos. Während ein Großteil der Leute schon wieder zurück ging, wahrscheinlich um es noch rechtzeitig zur Arbeit zu schaffen, formten sich einige noch in kleinen Grüppchen und riefen patriotische Sprüche oder sangen Lieder während Fernsehteams ihre Kameras drauf hielten.
Außerhalb des Geländes wurden die Promenade entlang Essensstände aufgebaut, die aber erst am Abend öffnen sollten. Wir beschlossen also am Abend wieder zurückzukehren.

Cementario la Reina – Die Kluft zwischen Arm und Reich bis in den Tod und darüber hinaus

Nach der Feierlichkeit gingen wir um José Marti Park, wo die Stühle aber noch immer nicht wirklich verwendet wurden. Immerhin hatte die Kirche am Park geöffnet, sodass wir sie uns von innen anschauen konnten. Wir kauften auch noch ein paar Andenken in einem Souvenirladen beschlossen dann ein weiteres Ziel anzusteuern, den Cementario la Reina. Das ist der älteste Friedhof der Stadt. Er wurde 1837 errichtet und soll besonders prunkvolle Gräber haben. Der Friedhof war über einen längeren Fußmarsch erreichbar und weil er sich in einem Teil der Stadt befand, den wir bislang noch gar nicht besucht hatten, trotzten wir der Hitze und gingen tatsächlich zu Fuß. Ein paar Straßen weiter begann ein ganz anderes Cienfuegos. Die Häuser wurden ärmlicher und zerfallener und auf den Straßen befand sich immer mehr Müll. Der Gestank aus alten Abfällen und Abgasen war hier schlimmer als ohnehin schon. Menschen saßen vor ihren Häusern und fächerten sich Wind zu. Dies war ganz klar der arme Teil der Stadt, den man in keinem Reiseführer finden würde und schon gar nicht in den patriotischen Fernsehaufnahmen von heute früh. Dennoch war es nicht ganz so schlimm wie Habana Vieja. Mittlerweile waren wir lange genug in Kuba um gewisse Sachen einfach so hinzunehmen. Und so liefen wir weiter bis wir schließlich den Friedhof erreichten. Während wir durch das arme Viertel Cienfuegos gingen, überholte uns eine Kutsche mit einem Paar, welches eindeutig auch Touristen waren. Die beiden kamen uns gerade entgegen, als wir den Friedhof betreten wollten. Eine ältere Dame begrüßte uns und kassierte das Eintrittsgeld, was jedoch nicht viel war. Da das Pärchen vor uns gerade gegangen war, waren wir nun die einzigen Besucher*innen des Friedhofs und die Dame nahm dies zum Anlass uns herumzuführen. Sie zeigte uns die prunkvollen Gräber und erklärte, dass hier die reichsten Leute Cienfuegos begraben seien. Der Friedhof sei dabei noch immer in Betrieb. So gab es in diesem Teil des Friedhofs auch ein Grab auf dem langsam in der Sonne verwelkende Blumen und schmelzende Süßigkeiten lagen. Letzte Woche wurde hier ein siebenjähriges Mädchen beerdigt. Nachdem die Dame uns den ansehnlichen Teil des Friedhofs gezeigt hatte, zeigte sie auf einen Durchgang und erklärte, dass dies der Teil des Friedhofs für die ärmere Bevölkerung wäre. Dorthin begleitete sie uns nicht mehr, also gingen wir alleine. Es war als würde man eine andere Welt betreten. Während wir gerade noch an stolzen Marmorstatuen vorbei liefen, breiteten sich vor uns überwucherte und halb-kaputte Steinplatten und einige krumme Grabsteine aus. Auch hier schienen einige Gräber neuer zu sein als andere. An einem Grabstein hing ein recht neu wirkendes Foto einer jungen Frau, die freudig in die Kamera lächelte. An kaum einem Ort ist die Kluft zwischen arm und reich so klar erkennbar wie auf diesem Friedhof. Nach einer Weile kehrten wir wieder um. Die Frau am Eingang fragte uns noch nach unseren Daten, dies muss in Kuba stets protokolliert werden, damit die kubanische Regierung stets weiß, wo man sich als Tourist gerade befindet. Da fiel der Dame auf, dass sie keinen Kugelschreiber hatte. Ich kramte in meinem Rucksack und hielt ihr kurz darauf einen roten Antenne Thüringen Kugelschreiber entgegen, den ich ihr schenkte. In Kuba kann so etwas simples wie ein Kugelschreiber etwas sein, was schwierig zu beschaffen ist. Außerdem fand ich es lustig, dass nun an diesem kleinen Friedhof in Cienfuegos auf Kuba eine Dame Gäste mit einem Antenne Thüringen Kugelschreiber in der Hand empfängt.

Auf dem Rückweg fiel uns wieder auf, dass es nirgends etwas richtiges zu Trinken zu kaufen gab. Dabei war die Hitze fast schon unerträglich. Wir erinnerten uns daran, dass es gestern im Burgerrestaurant in La Punta günstige Wasserflaschen gab. Da Kevin der Weg zu weit war, ging ich alleine noch einmal dahin, jedoch war der Laden diesmal leider verschlossen ohne irgendeine Notiz ob oder wann er überhaupt öffnet. Mit leeren Händen machte ich mich wieder auf den Rückweg. Dabei holte mich mal wieder das obligatorische Karibik-Gewitter ein. Vollkommen durchnässt kam ich wieder in der Unterkunft an.
Den Rest des Tages gingen wir dann aber wieder etwas ruhiger an. Ich saß gerade Mal wieder auf einem der Schaukelstühle im Innenhof und las ein Buch, als es an der Haustür klopfte. Mayra und Gonzalo öffneten und schon stand der nächste Tourist in ihrem Haus. Dabei handelte es sich um Lluis aus Barcelona. Er verbrachte insgesamt zwei Wochen in Kuba und war voller Tatendrang das Land und die Leute kennenzulernen. Er grüßte kurz und wir stellten uns gegenseitig vor, dann führte Gonzalo ihn zu dem anderen bis dahin noch freien Zimmer.

Am Abend wollten wir noch einmal zur Promenade zurückkehren, da die Essensstände nun geöffnet sein sollten. Uns war jedoch schnell klar, dass wir hier nichts zu essen kriegen würden und das nicht, weil es nichts gab, sondern aufgrund der unglaublichen Ansturms an Menschen. Vor ausnahmslos jedem Zelt hatte sich eine Menschentraube gebildet. Die Leute schrien, schubsten und wedelten mit CUP-Scheinen in ihren Händen und das Personal kam kaum hinterher die Bestellungen aufzunehmen und zu bearbeiten. Abgesehen davon, dass man aufgrund der vielen Leute so gut wie gar nicht sehen konnte, was sich in den Zelten befand, herrschte vor den Zelten auch noch das Recht der Stärkeren. Warteschlangen waren hier ein Fremdwort. Die Leute drängelten mit ausgefahrenen Ellbogen, schubsten und schrien. Kurz beobachteten wir das Spektakel von außen, bevor wir umkehrten und beschlossen für unser Abendessen eines der Restaurants im Stadtkern aufzusuchen. Unsere Entscheidung fiel auf ein Restaurant mit dem Namen Shalom. Nicht nur, dass dies das hebräische Wort für “Hallo” war, es war auch noch eine Chanukkia, der berühmte jüdische Kerzenständer, abgebildet. Wir konnten uns glücklich schätzen, denn wir waren die letzten, die rein gelassen wurden. Alle Tische waren belegt und hinter uns schloss der Kellner das Gitter bei der Tür und wies von da an alle Gäste, die kamen, ab. Im Restaurant kam dann aber die ernüchternde Erkenntnis: Jüdisch war hier sonst gar nichts. Als wir die Karten bekamen wurde uns zunächst einmal erklärt was es alles nicht gab. Kevin bestellte schließlich eine Pizza und ich entschied mich für Hühnchen. Unsere bestellten Getränke sollten auch erst ganz zum Schluss nach dem Essen kommen und das obwohl wir vollkommen ausgetrocknet waren. Etwas verwirrt schauten Kevin und ich uns an. Dafür, dass Kuba so sehr von Tourismus lebt, kennt man sich hier verblüffend wenig mit Service aus.

Karibische Natur

Erneut standen wir früh morgens auf. Wir frühstückten und kurz darauf wurden wir von unserem zuvor reservierten Taxi abgeholt. Kuba-typisch handelte es sich mal wieder um einen Oldtimer – und was für einer! Der Wagen war 95 Jahre alt, auch wenn der Motor natürlich nicht mehr original war sondern aus einer Lada ausgebaut wurde. Der Fahrer war mächtig stolz auf seinen Wagen. Immer wieder hupte er und grinste dabei zu uns. Unser erstes Ziel für heute war die Laguna Guardaroca, ein Naturreservat mit einer Lagune in der zahlreiche Vögel lebten. Die Stars unter den Vögeln waren hier ganz klar die Flamingos. Es war wichtig, dass wir so früh da waren, denn pro Tag werden hier nur 30 Personen für eine Tour am frühen Morgen rein gelassen. Beim Kaufen der Tickets ist mir dann auch noch ein ziemlich blöder Fehler passiert, der uns später noch wortwörtlich teuer zu stehen kommen würde: Wir hatten nicht sonderlich viele kubanische Pesos bei uns, der Eintritt betrug aber 100 CUP pro Person, also insgesamt 200 CUP. Also fragte ich ob wir stattdessen mit Euro zahlen konnten. Der Herr am Schalter verlangte 20€ und ohne darüber nachzudenken drückte ich ihm einen 20€-Schein in die Hand. Kevin wies mich dann darauf hin, dass ich das 10-fache bezahlt habe. Na ja, das Reservat kann das Geld immerhin gut gebrauchen. Eine junge Kubanerin führte uns in einer Gruppe aus 12 Leuten durch den dicht bewachsenen Wald. Dort zeigte sie uns Termitennester an den Bäumen und Löcher im Boden in denen sich Spinnen versteckt hielten. Auch wenn diese Spinnen Taranteln ähnelten, waren sie für Menschen eher ungefährlich. Sie erklärte uns auch, dass es genau eine Schlangenart auf Kuba gibt, die jedoch ungiftig sei. Dabei erzählte sie uns eine Anekdote wie sie ihre kleine Tochter einmal beim Spielen mit dieser Schlange erwischt hatte. Auch die Pflanzenwelt hatte hier viel zu bieten. So gab es zum Beispiel Mahagonigewächse, aus denen sich viel zu reiche CEOs gerne mal ihre Schreibtische anfertigen ließen.

Nach kurzer Zeit kamen wir am Ufer an, wo bereits Ruderbote inklusive Fahrer auf uns warteten. Da immer drei Leute in ein Boot sollten, gesellte sich ein Schweizer noch zu uns. Unser Fahrer hieß Ricardo. Er gab sich Mühe uns alles zu zeigen und zu erklären. Da ich sonst die einzige im Boot war, die spanisch sprach, übersetzte ich quasi simultan ins Englische (der Schweizer war aus dem französischsprachigen Teil, sodass Deutsch hier keine Option war). Ricardo saß hinter mir, sodass ich mich jedes Mal zu ihm umdrehen musste. Er erklärte, dass es neben den vielen Wasservögeln auch Krokodile hier gäbe. Ich drehte mich wieder zu Kevin und dem Schweizer um zu übersetzen. Kevin ließ gerade zum Abkühlen seine Hand im Wasser baumeln. “Kevin, hier gibt’s Krokodile”. Blitzartig zog er die Hand wieder aus dem Wasser und ließ sie nicht noch einmal baumeln. Am Ufer ragten dicht bewachsene Mangroven ins Wasser und man konnte vom Weiten bereits einige Wasservögel sehen. Das Highlight ließ dann auch nicht mehr lange auf sich warten: Die Flamingos. Zunächst standen sie in einer Gruppe, doch als sich die Boote näherten, hoben sie gleichzeitig ab und flogen an uns vorbei – ein toller Anblick!

Während Ricardo zurück ruderte, fragte er mich voller Neugier nach der Situation in Deutschland. So unterhielten wir uns über dir COVID-19, den Ukraine-Krieg und die Inflation. Tatsächlich waren in vielen Punkten unsere Meinungen gar nicht so weit auseinander und das obwohl wir in zwei unterschiedlichen Ländern mit zwei vollkommen verschiedenen Systemen leben.
Am Ufer wartete bereits die Kubanerin von vorhin, die uns nun über einen anderen Weg zurück zum Eingang führte und hier und dort stehen blieb um bestimmte Pflanzen zu zeigen und zu erklären.

Nach kurzer Zeit kam “unser” Taxifahrer wieder mit seinem Oldtimer angefahren. Wider erwarten, hatte er jedoch zwei Mädels aus Deutschland mit dabei. Anscheinend hatten sie heute morgen verschlafen und waren nun absolut außer sich, als sie erfuhren, dass sie so spät nicht mehr das Reservat besuchen konnten. Dies schien aber nicht das einzige zusätzliche Geschäft des Taxifahrers zu sein, denn anstatt uns wie geplant zum Strand “Rancho Luna” zu fahren, steckte er einem anderen Mann ein paar Scheine zu und die beiden führten uns zusammen mit den immer noch vor sich hin schimpfenden Mädels zu einem VW Polo. Moment mal, ein halbwegs modernes Auto auf Kuba? Ja, aber dass es überhaupt noch fuhr grenzte an ein Wunder. Irgendwas stimmte mit der Achse nicht, denn sobald man sich auf die Rückbank setzte und sich dann auch nur minimal bewegte, fing es direkt an zu knarzen. Außerdem fehlte die gesamte Innenverkleidung der Türen. Innen war nur nacktes Metall und ein paar Kabel. Irgendwie kamen wir dennoch am Strand an und machten aus, dass wir um 14:00 Uhr wieder abgeholt werden sollten.

Hier war schon einiges Los: Jugendliche sprangen in den Wellen umher, Kinder bauten Sandburgen und Leute entspannten auf Strandtüchern. Wir konnten uns für ein paar CUP zwei Strandliegen im Schatten organisieren und gingen von da an abwechselnd ins Wasser, damit immer einer vor uns auf die Sachen aufpassen konnte. Ein Klischee konnten wir hier bestätigen: Karibische Strände sind absolut traumhaft! Das Wasser war angenehm warm und erstaunlich sauber. In den kleinen Wellen konnte man prima hin und her schwimmen und die Zeit genießen. So verging die Zeit wie im Flug. Wir räumten etwas eher unseren Platz, um ein wenig die Gegend zu erkunden. Es gab hier eine kleine Promenade mit Getränken, Kleinigkeiten zu Essen und großen Boxen aus denen viel zu laute Musik dröhnte. Daneben tanzten bereits die ersten Pärchen Salsa. Auf der Suche nach dem Taxifahrer und den zwei Zicken aus Deutschland beobachteten wir noch eine Stute mit ihrem Fohlen, die hier vor sich hin grasten.

Zurück in der Stadt, gingen wir eine Kleinigkeit zu Abend essen und Kevin ruhte sich in der Unterkunft aus während ich noch ein letztes Mal zum Jose Marti Park lief und die Promenade an der Hauptstraße weiter ging bis es auch mir etwas zu spät wurde und ich kehrt machte. Trotz allem sollten wir rechtzeitig schlafen gehen, denn morgen sollte es über El Nicho weiter gehen nach Trinidad.

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