Reisen

Kuba (2022)

Nie wieder Trinidad!

El Nicho

Ein Colectivo, der eigentlich nur ein normaler PKW war, holte am Morgen nicht nur uns, sondern auch Lluis ab. Wir wollten gemeinsam über El Nicho nach Trinidad fahren, wo Mayra uns bereits eine Unterkunft empfohlen hatte. In Kuba läuft vieles über Empfehlungen. Man empfiehlt eine Unterkunft in der nächsten Stadt und beim nächsten Mal empfehlen sie einen zurück und bestenfalls bekommt man für die Empfehlung noch eine kleine Provision. Unterwegs sammelte unser Taxi noch Lara auf. Lara war ebenfalls Spanierin, aus La Palma. Sie hatte vor zwei Wochen lang durch Kuba zu reisen, wobei sie hier entfernte Verwandte hatte, die sie zum ersten Mal besuchen wollte. Lluis, Lara, Kevin und ich verstanden uns auf Anhieb sehr gut und freuten uns alle auf den heutigen Ausflug. Den Weg nach El Nicho nutzte Lluis, um den Taxifahrer in ein Gespräch zu verwickeln. Später erklärte er uns, dass seine Motivation nach Kuba zu reisen unter anderem darin bestand, mit den Leuten zu reden und mehr über ihre Ansichten zu erfahren. Leider kamen meine Spanischkenntnisse bei einem Gespräch zweier Muttersprachler zu Sozio-Politischen Themen an meine Grenzen, aber ich ließ es mir später von Lara und Lluis zusammenfassen. Offenbar war unser Taxifahrer überzeugter Kommunist, der der Meinung ist, dass alles Übel aus den USA kommt. Dennoch gab er ein paar interessante Fakten preis. Für ca. 10 000 US-Dollar können Kubaner*innen nach Nicaragua fliehen, das ihnen Visafreiheit gewährt. Von dort aus schlagen sie sich dann durch bis in die USA. Dies sei der sicherste Weg das Land zu verlassen. Natürlich gibt es Leute, die sich das nicht leisten können und versuchen mit dem Boot nach Miami zu fliehen. Wie viele dabei umkommen weiß niemand so genau, aber es sind definitiv zu viele. So sieht man auf zahlreichen Häusern die Aufschrift “Se Vende”, also “zu verkaufen”. Leute verkaufen alles was sie besitzen, inklusive ihrer Häuser in der Hoffnung so den “sicheren” Weg nehmen zu können. Jedes Haus mit dieser Aufschrift repräsentiert den Wunsch nach einem besseren Leben und diese Aufschrift war wirklich fast überall vorzufinden.

Bei El Nicho angekommen holten wir uns unsere Eintrittskarten und folgten dem kurzen Wanderweg bis zum ersten Wasserfall. Einige Leute schwammen bereits im Wasser. Wir hatten wissentlich schon Schwimmsachen drunter gezogen und zogen nun unsere Sachen aus, um ebenfalls ins Wasser zu springen. Das Wasser war erstaunlich kalt, aber bei den tropischen Temperaturen machte es das ganze wieder angenehm. Besonders Lluis ließ es sich nehmen auf alle möglichen Felsen zu klettern und von dort aus ständig ins Wasser zu springen oder sich direkt in den Wasserfall zu stellen. Nach kurzer Zeit trockneten wir uns ab, zogen uns etwas drüber und zogen weiter, denn hier gab es mehrere Wasserstellen an denen man schwimmen konnte. Dazwischen führten abenteuerliche Wege durch den Urwald vorbei an wirklich schöner Natur. Für eine weitere Wasserstelle wurde eine extra Gebühr verlangt, die teurer war als der Eintritt selber. Das fanden wir etwas dreist und machten an der Stelle wieder kehrt. Stattdessen haben wir den Tipp erhalten, dass sich versteckt in der Nähe des Eingangs noch eine schöne Stelle zum Schwimmen befand und nach etwas Suchen fanden wir sie auch. Tatsächlich war noch niemand hier. Ich zog mir die Sachen aus und sprang wieder ins Wasser. Kevin folgte mir, hatte jedoch etwas Probleme mit den Steinen im Wasser und kratzte sich die Schienbeine etwas auf. Dennoch hatten wir hier wirklich viel Spaß. Ein paar Leute waren uns gefolgt und so waren wir bald nicht mehr die Einzigen hier. Als es dann auch noch zu regnen anfing, schnappten wir uns schnell unsere Sachen und kehrten um.
Das war das erste Mal, dass Kevin und ich in Wasserfällen geschwommen sind und es war ein wirklich cooles Erlebnis.

Mittlerweile war es Mittagszeit und unser Fahrer fragte uns mit auffälligem Nachdruck ob wir hungrig seien. Na ja, wir waren wirklich hungrig. Also bejaten wir seine Frage und natürlich kannte er “zufällig” ein gutes Restaurant zu dem er uns fahren konnte. In dem Restaurant selber wurden uns keine Karten ausgehändigt, sondern eine Dame sagte uns auf welche Gerichte es gab. Natürlich ohne Preise zu nennen. Es war absolut offensichtlich, dass unser Fahrer Provision dafür kassierte uns hierher zu bringen. Wir waren auch nicht die einzigen Tourist*innen, die hierher kutschiert wurden. Am Ende gab man uns an Stelle einer Rechnung nur einen Zettel auf dem mit Kugelschreiber die Preise für unsere Gerichte standen. Natürlich alles in Euro. Wir zahlten mit dem entsprechenden Betrag in CUP (natürlich wie immer im Schwarzmarkt-Umrechnungskurs 1:100). Der Rest der Fahrt verlief eher unspektakulär und so kamen wir in Trinidad an.

Trinidad – Ab jetzt geht’s bergab…

Trinidad war von Pflastersteinen gesäumt über die das alte Taxi knarzend drüber fuhr. Richtige Hausnummern gab es nicht, sodass der Fahrer mehrfach nach dem Weg fragen musste bis er uns Lluis und uns schließlich an der von Mayra empfohlenen Unterkunft absetzen konnte. Dabei handelte es sich um ein kleines lachsfarbenes Reihenhäuschen in einer Seitenstraße das Bernardo und Mildrey gehörte. Bernardo war ein übergewichtiger lauter Mann und Mildrey wirkte wie eine typische Hausfrau und hatte stets eine Schürze umgebunden. Sie hatten eine Tochter, die mittlerweile im Teenager-Alter war und die ihr ganzer Stolz war. So hingen an den Wänden zahlreiche Fotos von ihr und auch auf der Visitenkarte, die uns Mayra gezeigt hatte, waren Bernardo und Mildrey mit ihrer Tochter abgebildet. Beim Betreten des Häuschens stand man direkt in einer Art Wohnzimmer. Neben einem Fernseher an der Wand befanden sich hier mal wieder mehrere Schaukelstühle und ein kleiner Beistelltisch. Dahinter führte ein Gang an den Türen zu unseren Zimmern entlang zur Küche hinter der man wieder raus kam auf einen Innenhof. Entlang einer Treppe, die auf das Dach führte, wuchs ein Bananenbaum. Vom Dach aus gelang man dann auf eine Art Nachbardach, wo neben Bananen auch noch Avocados wuchsen. Wir setzten uns zunächst auf die Schaukelstühle im Eingang und während Mildrey uns einen Kaffee kochte kam Bernardo direkt zur Sache. Er zeigte uns laminierte Broschüren von Touren und sonstigen Touri-Sachen und erklärte uns, dass er das alles für uns organisieren könnte. Er fragte gar nicht erst, ob wir überhaupt etwas davon wollten, sondern direkt was wir wollen. Uns allen war das Ganze relativ schnell unangenehm, da wir gar nichts davon wollten. Zwischenzeitlich war auch der Kaffee fertig und auch Mildrey versuchte nun uns zu bequatschen. Wir baten um Gedenkzeit, die Bernardo versuchen wollte zu nutzen wie ein kluger Geschäftsmann: Mit Alkohol. Er mixte uns einen Canchanchara. Einen Cocktail bestehend aus Rum, Limettensaft, Honig und Eis. So ganz ging sein Plan nicht auf, denn Kevin und ich baten ihn doch bitte den Rum weg zu lassen. Wahrscheinlich war es sowieso ein Fehler die Cocktails überhaupt anzurühren, aber dazu später mehr…

Irgendwie gelang es uns schließlich Bernardo und Mildrey ohne das Buchen irgendeiner Tour wieder abzuwimmeln. Dies nutzten wir aus, um zu Fuß ein wenig die Stadt zu erkunden. Trinidad wirkte deutlich ärmer als die vorherigen Städte und dennoch waren gefühlt deutlich mehr Tourist*innen unterwegs. Die Wohnhäuser standen, wie es für Kuba üblich ist, weit offen und so konnte beim Vorbeigehen einen Blick auf antike Möbel aus Kolonialzeiten werfen. In einer Wohnung sah man sogar einen Gaming-PC mit RGB-Beleuchtung, was komplett aus dem Kontext gerissen wirkte. Aufgrund des Tourismus gab es zahlreiche Kunstgalerien und Souvenirläden und je mehr wir uns dem Hauptplatz, der Plaza Mayor, näherten, desto häufiger wurde man von Leuten angesprochen. Souvenirs, Taxis, Reiten, Ausflüge,… dabei haben wir uns doch gerade erst von Bernardo und Mildrey retten können! Müde von den Ereignissen des Tages kehrten wir schließlich um zur Unterkunft. Ich machte vor dem Schlafen gehen dann noch einmal alleine einen kleinen Spaziergang, um die Abendstimmung einzufangen, ohne zu wissen, dass dies der wahrscheinlich letzte halbwegs unbeschwerte Abend auf dieser Reise werden sollte…

Die Lüge vom guten Gesundheitssystem

Nachts wachte ich unter Magenkrämpfen auf. Hätte ich doch nur den Canchanchara nicht getrunken! Als ich mich aufrichtete und meine Füße den Boden berührten vermerkte ich, wie etwas zwischen unseren Betten krabbelte. Kakerlaken! Als wäre das alles nicht schon genug, schien es gerade auch noch keinen Strom zu geben. Mit meiner Handylampe bewaffnet verbrachte ich den Rest der Nacht damit im Dunkeln an Kakerlaken vorbei zwischen Bett und Bad zu pendeln, bis der Morgen aufbrach und ich mich wie gerädert fühlte. Erschöpft zog ich mich an und ging zu Mildrey, sobald sie wach war. Das für heute bestellte Frühstück für mich bestellte ich ab. Sie bot mir an, mir zumindest einen Kamillentee zuzubereiten, was ich dankend annahm. Wo es hier eine Apotheke gäbe, fragte ich sie. In ihrem Blick erkannte ich eine gewisse Resignation. Ich könnte es bei der internationalen Apotheke versuchen, die später am Vormittag öffnet. Sie wolle mir aber nicht viel Hoffnung machen. Stattdessen könne sie mir eine Hühnersuppe zubereiten, wenn ich will. Das klang zwar nett, aber nach Essen war mir wirklich nicht zu Mute. Bis zur Öffnung der Apotheke setzten Kevin und ich uns in die Schaukelstühle und versuchten irgendwie die Zeit tot zu schlagen. Die Rechnung hatten wir allerdings ohne Bernardo gemacht. Er kam ins Wohnzimmer und fragte uns was wir heute so alles vor hätten. Ich erklärte ihm, dass es mir schlecht ginge und wir deswegen zur Apotheke wollten. Die Antwort schien ihm leider nicht ganz zu gefallen. Wie wäre es mit einem Reitausflug, wenn wir zurück kommen? Ich fiel aus allen Wolken. Nein, mir geht es schlecht, selbst wenn ich wollen würde, wäre ich dazu nicht in der Lage. Er ließ nicht locker und kam direkt mit der nächsten Tour um die Ecke ohne auch nur das kleinste Anzeichen von Scham. Wütend versteckte ich mich, trotz Kakerlaken, wieder in unserem Zimmer.

Schließlich konnten wir die internationale Apotheke aufsuchen, bei deren Anblick ich Mildreys vorherige Resignation verstand. So gut wie alle Regale in der Apotheke waren leer. Es gab lediglich einige Päckchen Damenbinden, ein paar OP-Masken und einige Flaschen von irgendeinem Husten- oder Fiebersaft für Kinder. Und das war’s. Dies war die internationale, also die “bessere” Apotheke für Tourist*innen. Dennoch fragte ich die Apothekerin, ob sie nicht vielleicht doch noch irgendwas für den Magen hätte. Auch hier bekam ich nur einen resignierten Blick zugeworfen. Es gäbe nichts. Nicht hier und auch sonst nirgends in Trinidad. Sie diktierte mir lediglich ein Rezept, um mit einfachsten Zutaten eine Elektrolyt-Lösung herzustellen. Und das war’s. Es gab auch noch eine zweite Apotheke in Trinidad, eher für die Einheimischen gedacht, doch wie sich herausstellte war diese Apotheke gänzlich geschlossen, denn sie war vollkommen leer. Laut statistischem Bundesamt kamen 2018 in Kuba auf 10 000 Einwohner*innen 84 Ärzt*innen. Im Vergleich: In Deutschland sind es 44. Das kubanische Gesundheitssystem hat einen guten Ruf und Kuba entsendet (natürlich auch unter Repressalien) regelmäßig Ärzt*innen ins Ausland, zuletzt während der Corona-Pandemie. Leider ist die Anzahl and Ärzt*innen eben doch kein guter Spiegel des Gesundheitssystems, denn was bringen einem all diese Ärzt*innen, wenn die Wirtschaftskriese und die Engpässe dafür sorgen, dass keine Medikamente verfügbar sind.

Salsa und ein kleiner Lichtblick

Auf dem Rückweg kauften wir Postkarten und füllten sie in der Unterkunft aus. Trinidad gab uns einen ordentlichen Dämpfer was die Freude am Urlaub anging, aber immerhin sollte das auch gleichzeitig unser letzter Tag hier werden. Immerhin ging es mir mittlerweile wieder etwas besser, auch wenn ich an dem Tag noch nichts gegessen hatte, da ich weder Appetit verspürte, noch mich traute ohne Zugang zu Medikamenten etwas zu mir zu nehmen. Bei unserer Apotheken-Runde hatten wir einen kleinen Umweg gemacht, weil wir auf der Karte einen schönen Aussichtspunkt entdeckt hatten, den Cerro de la Vigía. Leider fanden wir den Weg aber nicht. Da ich nun wieder bei Kräften war und auf keinen Fall in der Unterkunft mehr Zeit als nötig verbringen wollte, da Mildrey und Bernardo wie die Geier darauf warteten mich in Gespräche zu verwickeln um mir irgendwelche Ausflüge anzudrehen, zog ich noch einmal alleine los um eventuell doch einen Weg zum Aussichtspunkt zu finden. Kevin blieb in der Unterkunft, da ihm die Hitze zu schaffen machte und er den Vorteil hatte nicht bequatscht zu werden, da er eh kein Spanisch sprach. Tatsächlich fand ich einen kleinen Pfad, der an einer luxuriösen Hotelanlage vorbei führte. In der Nähe des Pfades befand sich auch die in Reiseführern häufig erwähnte Diskothek Ayala, die in einer Höhle ist. Sie wirkte allerdings ziemlich verlassen, jedoch trifft das auf viele Orte in Kuba zu. Touristen gab es in Trinidad zwar ein paar mehr, aber wirklich viele waren es trotzdem nicht. Zudem merkte man überall in Kuba den großen Exodus der Bevölkerung. Als ich den Pfad zum Aussichtspunkt weiter lief, überholte mich ein europäisch aussehendes Pärchen. Immerhin war ich hier also nicht allein, was irgendwie beruhigend war. Kurz darauf sah ich eine Art Funkturm am Ende des Pfades. Dies war also der Aussichtspunkt. Der Turm war umzäunt, aber ich sah wie das Pärchen von einem Mann begrüßt und rein gelassen wurde. Als der Mann kurz darauf mich sah, winkte er mich ebenfalls zu sich. Wenn ich in Trinidad eines gelernt habe, dann dass es hier keine aufrichtige Freundlichkeit gab. Wir haben nicht eine einzige Person getroffen, die nicht in irgendeiner Form unser Geld wollte. Man wird alle paar Meter auf der Straße angesprochen und selbst unsere Hosts betrachteten uns lediglich als Geldautomaten auf zwei Beinen. Ja, es war natürlich die Armut und die ständige Knappheit, die aus den Menschen das machte. Wir fühlten uns dennoch sehr unwohl in der Gegenwart von Einheimischen. Der Mann beim Aussichtspunkt machte dahingehend keinen guten Eindruck auf mich. Ich hatte hier genug Menschen gesehen um zu wissen, dass, wenn ich jetzt da rein gehe, er an irgendeinem Punkt seine Hand ausstrecken und Euros haben wollen wird. Also winkte ich dankend ab. Für ein paar Minuten ließ er nicht locker und versuchte vergeblich mich weiter rein zu winken. Das bestärkte mich umso mehr darin draußen zu bleiben. So drehte ich mich vor dem Zaun um, machte eins bis zwei Fotos von der schönen Aussicht und machte mich dann auf den Weg in Richtung Unterkunft.

Kevin saß auf dem Bett in unserem Zimmer und vor ihm waren kleine Stapel mit Euro-Scheinen. Sein Blick war ernst. “Nathalie, uns gehen die Euros aus. Wir brauchen eine Möglichkeit um an Bargeld zu kommen.” Wir hatten bisland tatsächlich noch keine der uns in Havanna beschriebenen Banken gesehen, wo man Euros abheben konnte. Auch in Trinidad schien es keine zu geben. Auch eine Google-Recherche mit dem bisschen Internet was wir hatten brachte uns nicht den gewünschten Erfolg. Ganz im Gegenteil: Es gab jede Menge Seiten, angeblich aus diesem Jahr, die sogar schrieben, dass man Kuba problemlos ganz ohne Bargeld bereisen könnte, weil man ja problemlos mit Karte in den MLC Stores einkaufen könnte. Was für eine Lüge! Genau so ein Quatsch war es, der dazu führte, dass wir dachten, dass 1000€ in bar für 3 Wochen reichen würden. Nach langem hin- und her beschlossen wir umzuplanen: Über VPN organisierten wir uns für den nächsten Ort eine Unterkunft über AirBnB, da wir die problemlos mit Kreditkarte (PayPal wollte ich nicht noch einmal riskieren) zahlen konnten. Ironischerweise war es mir nicht möglich von Deutschland aus eine Unterkunft über AirBnB zu buchen, nun klappte es aber problemlos. Wir beschlossen in Santa Clara, unserem nächsten Halt, noch einmal nach einer entsprechenden Bank Ausschau zu halten und zogen dann los zum nächsten MLC Store, um Wasser zu kaufen. An der Kasse beugte sich die Verkäuferin vor und fragte uns beim bezahlen ob wir nicht mehr zahlen wollen und dafür die Differenz in CUP erhalten wollten. Ich wirkte etwas stutzig, aber hier war sie womöglich: Eine Möglichkeit an Bargeld zu kommen. Ich willigte ein und tauschte probehalber 50€ in CUP um. Es funktionierte: Die Kassiererin rief ihre Kollegin, die aus einem hinteren Raum mit einem Bündel aus Scheinen kam und mir übergab. Kevin tat es mir gleich und wechselte ebenfalls noch einmal 50€. “Kommt am Abend wieder, wir haben bis 21:00 Uhr geöffnet.”, sagte die Kassiererin. Ich wollte jubeln: Unser Urlaub war gerettet!

In der Unterkunft hatten wir nun doch, auch damit Mildrey und Bernardo endlich ein bisschen Ruhe gaben und weil ich das sowieso machen wollte, eine Kleinigkeit gebucht. Keine Tour, aber dafür eine Salsa Tanzstunde. Yani, eine schlanke, lächelnde Kubanerin in sportlicher Kleidung kam zu uns und im Innenhof der Unterkunft ging die Tanzstunde los. Ich hatte schon einmal in Madrid etwas Salsa getanzt, aber das war lange her. Für Kevin war es die erste Salsastunde überhaupt. Yani übte mit uns zunächst auf den Rhythmus zu achten, bevor es an die eigentlichen Schritte ging. Mitten in der Tanzstunde mussten wir dann schnell alles nach innen in die Küche verlegen, da mal wieder eines der typischen karibischen Unwetter aufzog. Dabei fiel dann auch der Strom aus, aber wir hatten zum Glück noch ausreichend Tageslicht. Diese Salsastunde war ein kleiner Lichtblick, was unseren sonst eher desaströsen Aufenthalt in Trinidad anging. Der plötzliche bargeldlose Geldwechsel gab uns neue Hoffnung für den Rest der Reise.

Tschüss Trinidad – Auf nimmer Wiedersehen!

Zu Abend traute ich mich auch endlich meine erste Mahlzeit des Tages zu mir zu nehmen. Mildrey hatte eine gesunde Hühnersuppe gekocht und dazu gab es mal wieder Kamillentee. Kevin bekam ein normales Abendessen inklusive Vorspeise und Dessert. Es tat gut was im Magen zu haben und auch wenn Mildrey mir insgesamt doch eher unsympathisch war, so war sie dennoch eine wirklich gute Köchin. Der Strom war noch immer nicht zurück gekehrt, auch wenn das Unwetter schon längst vorbei war. “Ja, das ist ein Problem”, sagte Mildrey und in ihrem Blick war die gleiche Form der Resignation, die sie schon hatte als sie über die Apothekensituation gesprochen hatte. Wir zogen am Abend noch einmal los, da ich gelesen hatte, dass man im Zentrum von Trinidad, in der Casa de la Música, abends Salsa tanzen konnte und wir wollten ja die Früchte unserer Tanzstunde ernten. Außerdem wollten wir noch einmal Geld wechseln. Leider war bei der Casa de la Música nichts los, da der Strom noch immer nicht zurückgekehrt ist und auch der Laden zum Geld wechseln hatte geschlossen. Eine der Kassiererinnen stand davor und meinte wir sollten es morgen gegen 09:00 Uhr noch einmal versuchen. Leider sollte uns morgen um 08:00 Uhr der Colectivo nach Santa Clara abholen, sodass das keine Option war und wir somit auch kein Geld wechseln konnten. Immerhin wussten wir nun, dass es eine, natürlich höchst illegale, Möglichkeit gibt Geld in MLC Stores zu wechseln, also würden wir einfach in Santa Clara noch einmal unser Glück probieren. Mit dem Licht unserer Smartphonelampen, navigierten wir zurück über die weiterhin unbeleuchteten Pflastersteinstraßen Trinidads in unser Zimmer mit den Kakerlaken und freuten uns hier am nächsten Tag endlich weg zu können.

Nicht nur wir, sondern auch Lluis, fuhren am nächsten Tag von Santa Clara nach Trinidad. Mildrey gab uns Kontaktdaten von “Freunden” bei denen wir dort übernachten konnten. Ich bedankte mich und nickte ihr brav zu. In Wahrheit hatten wir natürlich schon längst ein AirBnB gebucht und selbst wenn nicht, so würde ich aus Prinzip nicht in einer Unterkunft übernachten wollen, die die Beiden mir empfehlen. Wir beglichen die Rechnung für die Unterkunft und das Essen, natürlich ging das mal wieder nur in Euro und in Bar. Mir ist nicht entgangen, dass Mildrey mir selbst den Kamillentee an dem Morgen an dem es mir so schlecht gang, ordentlich berechnet hat und die Hühnersuppe war angeblich ein 3-Gänge Menü. Ja natürlich hätte ich Einspruch einlegen können, aber ich wollte einfach nur noch weg. Also drückte ich ihr das Geld in die Hand. Da ich es nicht passend hatte, bekam ich das Rückgeld in CUP, aber immerhin stimmte der Wechselkurs einigermaßen. Die letzten Minuten bevor unser Colectivo kam nutzte ich, um sie auf die Geldsituation in Kuba anzusprechen, also auf den Wechsel von CUC und CUP auf nur noch CUP aber auch ganz viel Euro. Diesmal sah ich eine noch größere Resignation und auch Trauer in ihrem Gesicht. “Die Situation ist schlecht. Alles wird nur noch schlechter”, sagte sie. Dem war nichts hinzuzufügen.

Ein viel zu klein wirkender Oldtimer klapperte die Straße entlang über die Pflastersteine und hielt vor unserer Unterkunft. Dies war also unser Colectivo nach Santa Clara. Während der Fahrer im Auto blieb, stieg sein Beifahrer aus. Es war ein grimmig guckender, angsteinflößend großer Mann. “50€ und ich will nur Euro”, war seine Begrüßung. “Ich hab’s nicht passend”, sagte ich. Er schaute mich mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit und Wut an: “Dann geh rein in deine Casa und frag deine Gastgeber ob sie dir die Scheine wechseln können. Ich will keine CUP, nur Euro.” In mir sträubte sich alles dagegen diesem Mann auch nur einen Cent in die Hand zu drücken. Andererseits war dies unsere einzige Möglichkeit nach Santa Clara zu gelangen. Kevin und ich wollten beide raus aus Trinidad. Außerdem würden wir nicht alleine reisen, denn Lluis war bei uns, der ihm auch ohne zu zögern die gewünschten Euros in die Hand drückte. Mir blieb also nichts anderes übrig als mir von Mildrey meine Geldscheine wechseln zu lassen und ihm ebenfalls das Geld in die Hand zu drücken. Er zählte das Geld, gab dem Fahrer ein Zeichen unser Gepäck zu verladen und machte uns dann klar, dass wir einsteigen sollten. Das Auto war mal ein PKW normaler Größe, das heißt zwei Sitze vorne für Fahrer und Beifahrer und drei Sitze hinten. Die Hinterbank wurde allerdings nachträglich nach vorne gerückt und der Kofferraum verkleinert, sodass für eine weitere Reihe mit 3 Sitzen Platz war. Ich setzte mich zunächst hinten hin, merkte dann jedoch, dass nicht nur mein Kopf an die Heckscheibe stieß und Beinfreiheit quasi nicht existent war, sondern auch, dass die Sitze aus irgendeinem Grund nass waren. Schnell stand ich auf und platzierte mich doch eine Reihe weiter vorne. Kevin tat es mir gleich, denn immerhin sollte die Fahrt 2 Stunden betragen. Kurz darauf stieg auch Lluis ein und der Wagen fuhr los. Unterwegs sammelte der Colectivo noch drei Leute aus Frankreich ein. Jedes Mal trat er genau so unsympathisch und bedrohlich auf wie bei uns. Ich staunte über den Mut einer Französin, die anscheinend alleine das Land bereiste und ihm ins Gesicht sagte, dass sie keine Euros hatte, sondern nur CUP. Der Mann sah aus als würde er gleich einen Wutanfall bekommen, sammelte sich jedoch kurz davor. Er fragte sie ob sie sich wirklich sicher sei und als sie bejate, nahm er nach einigem Hin- und Her das Geld in CUP an. Der Mut der Französin beeindruckte mich und ich sprach sie im Auto an. Sie bereiste einen Monat lang das Land und hatte gerade einmal 360€ in bar dabei, was natürlich viel zu wenig war. Von ihr erhielten wir den Tipp die Gastgeber*innen nach der Möglichkeit zu fragen ihnen per PayPal Geld zu überweisen (natürlich nur über VPN). So könnte man auch bargeldlos Geld wechseln, es sei jedoch schwer Leute mit PayPal Account zu finden. Der Tipp gab uns noch etwas mehr Optimismus für die nächste Station. Zum Glück stieg der unfreundliche Geldeintreiber aus sobald wird vollständig waren (er schien also nur die Finanzen zu verwalten) und es ging endlich los: Raus aus Trinidad und auf nach Santa Clara!

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