Reisen

Südafrika (2020)

Mokhotlong – Was machen die Touristen hier?

Unser Hostel bestand aus einem Hauptgebäude, wo sich ein kleines Büro, einige Toiletten und ein Speisesaal befand, der übertrieben kitschig dekoriert war, als würde in den nächsten 5 Minuten eine Hochzeitsgesellschaft herkommen. Davor war ein Wohnhaus, wo offenbar die Familie der Besitzer wohnte und dahinter waren mehrere kleinere Rundhütten, die die Unterkünfte der Gäste darstellten. Dazwischen waren sogar recht hübsche Grünflächen und Gärten und das alles wurde von einem Zaun umgeben, der jedoch noch nicht ganz fertig gebaut schien. Wir hatten das Hostel am Vortag online gebucht und wussten daher schon aus den Rezensionen, dass es schlecht ausgeschildert war. Schlecht ausgeschildert war in diesem Fall nicht übertrieben. Das eigentliche Schild mit dem Namen der Unterkunft war umgedreht, damit jemand auf die Rückseite mit einem Edding “Office” mit einem Pfeil zum Hauptgebäude drauf kritzeln konnte. Wir folgten dem Pfeil und betraten das Hauptgebäude, jedoch war das Büro leer. Auch unsere Rufe “Hallo, ist da jemand?”, blieben unbeachtet. Schließlich beschloss ich zum Wohnhaus zu gehen und zu klopfen. Drinnen saß ein älteres Ehepaar und schaute fern. Die Dame wirkte etwas extravagant gekleidet mit einem langen Kleid und einen Hut auf den wohl selbst die Queen neidisch gewesen wäre. Obwohl wir eigentlich eine Reservierung hatten, schien man sehr überrascht zu sein uns hier zu sehen. Die Dame stand auf und ging mit uns zurück in das Hauptgebäude, wo sie mir einen Flyer von der Unterkunft in die Hand drückte und uns klar machte, dass wir hier warten sollten. Eine der Sachen, die uns auffielen war, dass auf der Titelseite des Flyers oben Lesotho abgebildet war mit einem Elefantenkopf drauf. Zwar denkt man schnell an Elefanten, wenn man Afrika hört, Lesotho ist aber ein Bergkönigreich und Elefanten gibt es hier weit und breit keine. Nach kurzer Zeit kam die Alte mit einer etwas jüngeren Dame im Schlepptau zurück und deutete uns an, dass sie uns nun auf unser Zimmer führen würde. Andere Gäste haben wir bislang keine gesehen. Wie besonders die Situation für die Anwesenden sein musste wurde uns klar, als sie uns zur größten Hütte von allen führte. Sie erklärte, dass es keine Doppelbetten gab, wir aber diese Hütte als Entschädigung kriegen würden. Im nächsten Moment standen wir in einem großen Raum mit 4 Betten. In der Mitte stand ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. Außerdem gab es einen Fernseher an der Wand und eine Tür führte in das angrenzende Bad, wo es sogar warmes Wasser gab, wie uns die ältere Dame stolz mitteilte. Nachdem sie sich mehrfach erkundigt hat ob diese Hütte wirklich in Ordnung sei, fragte sie uns nach unseren Essens-Plänen. Dies war in der Tat ein guter Punkt, denn mittlerweile wurde es bereits dunkel. Nicht ganz uneigennützig bot sie uns an doch in der Unterkunft zu essen. Kurz drehte sie sich zu der jüngeren Dame, die etwas widerwillig antwortete, dass sie in der kurzen Zeit zumindest Fish and Chips zubereiten könnte. Wir nahmen das Angebot an und fragen direkt wie es denn mit dem Frühstück aussehen würde. Laut unserer Online-Buchung war das Frühstück inklusive, worauf wie die Dame aber erst einmal hinweisen mussten. Was auch noch auf der Online-Buchung mit angegeben war, war kostenloses W-LAN. Als wir danach fragten, schauten beide Damen uns jedoch nur verwirrt an, als wüssten sie nicht was das ist und in diesem Moment glaubten wir ihnen das sogar. Als wir später mal nach W-LAN Netzen mit unseren Smartphones gesucht haben, haben wir in der Tat kein Netz weit und breit gefunden.

Nachdem wir uns ein wenig ausgeruht haben, ging es auch schon zum Abendessen. Zugegeben habe ich noch nie so schlechtes Fish and Chips gegessen. Sowohl die Pommes als auch der Fisch waren labberig, trocken und lauwarm, als hätte man es bereits zum dritten Mal aufgewärmt. Zumindest gab es noch Möhrengemüse dazu, welches jedoch so dermaßen versalzen war, dass ich es nur mit Not runter gekriegt habe. Schließlich fragten wir in der Küche nach etwas zu trinken. “Wir haben Saft”, war die Antwort. Das klang an sich doch gar nicht mal so schlecht, also sagten wir zu. Was sie uns dann jedoch ein einer Karaffe brachte, hatte mit Saft nichts zu tun. Bei der Konsistenz und Farbe sträubte ich mich davor es auch nur zu probieren. Kevin war da mutiger beziehungsweise der Durst quälte es in ihn hinein. Er beschrieb den Geschmack als “Spülwasser in dem man eine Vitamin-Brausetablette aufgelöst hat”. Mich würde es zugegeben nicht wundern, wenn es letztendlich genau das war.

Am nächsten Tag gab es im Gegensatz zum gestrigen Abend sogar ein recht schmackhaftes Frühstück. Dies war auch das einzige Mal, dass wir einen anderen Gast sahen. Ein Afrikaner saß bereits schick gekleidet im Anzug im Speisesaal und schielte neugierig zu uns herüber. Ich werde den Gedanken nicht los, dass er sich mit seinem Aufenthalt in der Unterkunft wohl einfach etwas ganz feines gönnen wollte und wie er bei seiner Rückkehr zu seiner Familie stolz berichtet, dass er in einem so schicken Laden war, dass dort sogar Weiße verweilten. Im Anschluss liefen wir zum einzigen richtigen Supermarkt in Mokhotlong, der einen recht ordentlichen Eindruck machte. Er befand sich in einem kleinen Komplex mit einigen Ladenketten, wo wir uns auch eine neue SIM-Karte kauften, um endlich wieder unsere Smartphones verwenden zu können. Den Saft von gestern fanden wir in riesengroßen Kanistern in noch größeren Regalen im Supermarkt vor. Kevin drehte sich bereits beim bloßen Anblick der Magen um. Zurück in unserer Unterkunft ruhten wir uns etwas aus. Ich schaute mir den Flyer von gestern nochmal an und fand eine Auflistung mit Attraktionen, die in der Nähe sein sollten. Also beschloss ich zum Büro zu gehen, wo nun tatsächlich ein Mann saß, und nachzufragen welche dieser Attraktionen man heute noch besichtigen könnte. Die Antwort war allerdings eher ernüchternd: Gar keine. Die meisten waren viel zu weit weg und auch nur mit einem eigenen Wagen erreichbar. Der einzige Ort wo es in Lesotho Leihwagen gibt, ist jedoch die Hauptstadt Maseru, die knapp 300km entfernt liegt. Etwas enttäuscht fragte ich nach, was man denn sonst heute noch in Mokhotlong machen könnte. Der Herr war sichtlich verwirrt. Offenbar waren nicht nur Gäste als solche eher unüblich in der Unterkunft. Noch unüblicher war es wohl, dass diese Gäste dann auch noch derartig komplexe Fragen stellten. Etwas ratlos und resignierend schlug er vor, dass wir die Hauptstraße entlang zum anderen Ende der Stadt laufen sollten, wo es eine recht schöne Aussicht geben sollte.

Wir spazierten also durch Mokhotlong und obwohl es natürlich keine Metropole war, konnten wir viele Kleinigkeiten beobachten.

Zunächst waren wir als Weiße eine kleine Sensation in Mokhotlong. Andere Weiße haben wir nur einmal kurz im Auto durchfahren gesehen. Wie besonders das für die Einheimischen war, dass nun auf einmal zwei Weiße durch ihre Stadt liefen wurde dadurch deutlich, dass jede Person, an der wir passierten freundlich grüßte, was wirklich sehr herzlich und angenehm wirkte. Etwas eskaliert ist das Ganze, als wir an einer Schule vorbei liefen. Die Kinder liefen zum Zaun und wollten ihre gelernten Englischkenntnisse direkt mal austesten, indem sie laut “Hello” und “How are you?” riefen. Einige fingen sogar an zu tanzen, andere winkten und freuten sich, wenn wir zurück winkten. Wir haben jedoch auch direkt eine negative Erfahrung machen müssen, als wir an einem Jungen vorbei liefen und grüßten. Als Einziger grüßte er nicht zurück, sondern erwiederte nur grinsend: “Give me your money!” (“Gibt mir euer Geld!”). Das klingt gerade wohl bedrohlicher als es tatsächlich war, denn es schien eher eine Aktion unter dem Motto Kann-man-ja-mal-ausprobieren. Als wir “No” antworteten und weg gingen, ließ er auch sofort von uns ab. Zugegeben hat der Junge wahrscheinlich auch nur das ausgesprochen, was die Meisten dachten, ohne den Menschen vor Ort ihre Gastfreundschaft abstreiten zu wollen.

Die nächste Erkenntnis, auch wenn es eine offensichtliche ist, ist dass Mokhotlong, wie das Land Lesotho als solches, unglaublich arm ist. Es gab ärmliche kleine Häuser und dazwischen kleine Wellblechhütten mit Werbung der lokalen Anbieter von Handytarifen. Diese Hütten wurden hauptsächlich als kleine Läden genutzt. Tatsächlich waren die “schönsten” Gebäude die zwei Schulen und ein Krankenhaus. Das lag daran, dass die von verschiedenen Entwicklungshilfe-Projekten finanziert und gebaut wurden. Nun standen große Schilder mit den Sponsoren vor den eigentlichen Gebäuden. Tatsächlich war es gut mal mit eigenen Augen zu sehen, dass Entwicklungshilfe auch wirklich da ankommt, wo sie hin soll.

Basierend auf den zahlreichen kleinen Wellblechhütten war eine weitere Erkenntnis, dass unglaublich viel Handel betrieben wird. So gab es zusätzlich auch noch aufgestellte Grills auf denen Fleischspieße gebraten wurden und es gab sogar eine Dame, die aus dem Kofferraum ihres Autos hinweg ausrangierte Tupperware-Produkte verkaufte. Zudem gab es Damen, die frisches Obst verkauften. Unser Appetit darauf wurde jedoch sehr schnell gedämpft als wir sahen, dass die Damen das Obst im Vorfeld in einer Wasserrinne wuschen, die durch die gesamte Stadt lief und die ihren Ursprung beim lokalen Krankenhaus hatte.

Mittlerweile hatten wir das Ende der Stadt erreicht. Tatsächlich war das Berg-Panorama sehr schön, aber dennoch hatten wir von den gesammelten Eindrücken und vor allem von der gerade gesehenen Armut einen dicken Kloß im Hals. Das mag jetzt doof klingen, wenn man nach Afrika reist und sich dann über Armut wundert. Armut an sich war nichts Neues für uns, davon hatten wir genug in Ländern, wie z.B. Peru gesehen und auch in Deutschland gibt es Leute, die weit unter der Armutsgrenze leben. Was wir jedoch da in Mokhotlong gesehen haben, war nochmal eine ganz andere Form von Armut, die einem nun regelrecht ins Gesicht schlug. Einem wird die Ungerechtigkeit auf dieser Welt mehr als bewusst. An dieser Stelle würde ich auch noch erwähnen wollen, dass Lesotho über zahlreiche Diamantmienen verfügt. Was auf viele afrikanische Länder zutrifft macht auch vor Lesotho keinen Bogen: Es ist reich an Bodenschätzen, doch die Bevölkerung bleibt arm.

Auf dem Rückweg entdeckte ich dann doch noch eine interessante Aktivität. So war an einer Kreuzung ein Wellblech-Schild angebracht mit der Aufschrift “Pony Trekking” und einer Telefonnummer. Da ich eine kleine Pferde-Närrin bin, wollte ich dies natürlich direkt ausprobieren. Wir bogen also ab und folgten der Straße. Von Pferden oder dem besagten Pony Trekking fehlte jedoch jede Spur. Also gingen wir zurück zu unserer Unterkunft, wo der Mann noch immer im Büro saß. Ich hatte das Schild im Vorfeld abfotografiert und zeigte es ihm nun mit der Frage ob er da genaueres zu wüsste. Sofort versuchte er unter der besagten Nummer anzurufen, jedoch schien die Nummer nicht vergeben zu sein. Als nächstes rief er Bekannte an und fragte ob die genaueres wüssten, aber letztendlich musste er sich geschlagen geben und das Pony Trekking in Mokhotlong blieb ein Mysterium.

Gegen Abend wurde es nochmal abenteuerlich. Wir wollten das Gelände unserer Unterkunft ein wenig erkunden. So liefen wir hinter den Hütten entlang die Augen gen Horizont gerichtet wo sich ein traumhaftes Panorama aus den Bergen und dem Sonnenuntergang erstreckte. Etwas weiter hinten war ein kleiner Stall mit einer Kuh. Es war unklar ob dies noch zum Gelände unserer Unterkunft gehörte oder nicht, da der Zaun, wie bereits beschrieben, noch nicht fertig gebaut war. Wir wollten uns dem Zaun nähern um die Kuh zu fotografieren, bemerkten dabei aber nicht einen Hund in den Nähe, der sofort anfing laut zu bellen. Wir wichen zurück, doch es war schon zu spät und auf einmal bog eine Gruppe wilder Hunde bellend und Zähne fletschend um die Ecke und stürmte auf uns zu. Wir hatten beide kein festes Schuhwerk an und das Gelände war alles andere als eben und dennoch rannten wir los. Kevin ist heute noch etwas nachtragend weil er gerne darauf zu sprechen kommt wie schnell ich abgehauen bin während er noch gezögert hat 😉
[Nachtrag von Kevin: “nachtragend” ist gut. Während ich noch im Schock leicht rückwärts gegangen bin, war Nathalie bereits hinter den Hüten verschwunden, während die Hunde vielleicht nur 5m von mir entfernt waren. Sie war so schnell ohne mich abgehauen, wirklich im Sinne “Den Letzen beißen die Hunde!”]
Völlig aus der Puste kamen wir in unserer Hütte an und beschlossen keine Erkundungstouren mehr auf dem Gelände zu machen.

Später gab es sogar noch ein wirklich gutes Abendessen und zwar Pap mit Fleisch und grünem Blattgemüse. Wie wir gelernt haben, war dies eines der beliebtesten Gerichte in Lesotho und vor allem das Blattgemüse fand ich persönlich sehr lecker. Nach dem Essen gingen wir mir gemischten Gefühlen schlafen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir noch überhaupt keine Ahnung was uns da noch erwarten würde.

Seiten: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11