Reisen

Jakobsweg (2022)

Etappe 11: Caldas de Reis – Iria Flavia

Wie gerädert standen wir auf, packten unsere Sachen und standen pünktlich um 07:00 Uhr vor dem Restaurant dessen Frühstücksangebot auch wirklich statt fand. So bekam ich ungesüßten(!) Naturjoghurt mit Haferflocken und Früchten und Kevin freute sich über einen Berg Pfannkuchen, ebenfalls mit Früchten. So toll das Frühstück auch war, so schnell kippte die Stimmung als der Kellner zum Fernseher rannte und die Nachrichten an machte. Russland war in die Ukraine einmarschiert und nun herrschte Krieg. So etwas fernab der Heimat, die deutlich näher an der Ukraine lag, zu erhalten fühlte sich an wie ein derber Schlag in die Magengegend, zumal ich ja auch noch Familie in Polen habe, einem direkten Nachbarland der Ukraine, wenngleich zum Glück NATO-Mitglied.

So marschierten wir an dem Tag eher still los. Bald gab es jedoch zum Glück etwas Ablenkung. So sahen wir zum ersten Mal tatsächlich zwei Pilgernde, einen Mann und eine Frau, auf Pferden. Zu Pferd muss dieser Weg sicherlich noch einmal ein ganz besonderes Erlebnis sein, wenngleich ich es mir schwierig vorstelle, da man sich unterwegs natürlich entsprechend um das Pferd kümmern muss und gewiss auch nicht jede Pilgerherberge Pferde aufnimmt. Sie liefen ein Stückchen vor uns her bis sie plötzlich von der Polizei aufgehalten wurden. Als wir an ihnen vorbei gingen, grüßten wir kurz und liefen weiter. Auf die Schnelle konnte ich nicht verstehen worum es ging, aber der Mann auf dem Pferd lachte, also konnte es wohl nichts schlimmes gewesen sein. Kurz darauf holte die Polizei uns jedoch ein und bat uns ebenfalls kurz zu ihnen. Unsere Herzen begannen schneller zu schlagen. Hatten wir etwas falsch gemacht? Oder hing das etwa mit dem Krieg in der Ukraine zusammen? Morgen sollten wir in Santiago ankommen. Haben die Herren uns etwa angehalten um uns zu sagen, dass wir so kurz vor unserem Ziel leider umdrehen mussten? Nichts davon war der Fall.

Auf dem Polizeibus hinter den beiden Polizisten stand “Guardia Civil Atencion al Peregrino” geschrieben. Es handelte sich um eine spezielle Pilgerpolizei. Sie fuhren den Jakobsweg ab und sorgten für die Sicherheit der Pilgernden. Uns hatten sie bloß routinemäßig angehalten um uns zu fragen ob alles in Ordnung sei und ob uns in den letzten Tagen irgendetwas vorgefallen sei. Tatsächlich waren die beiden Polizisten sogar recht lustig drauf. Sie fanden es interessant, dass wir extra aus Deutschland hergekommen waren für den Weg. Außerdem lobte der Polizist mein Spanisch. Als er erfuhr, dass Kevin kein spanisch sprach fing er an zu lachen und sagte, dass er unbedingt spanisch lernen müsste. Mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu, dass dies eine polizeiliche Anordnung sei. Die Beiden stempelten uns sogar unsere Pilgerausweis mit ihren coolen Polizei-Stempeln und wir machten zusammen Fotos bevor sie uns noch ein paar Essenstipps für die restliche Etappe mit auf den Weg gaben und wieder los fuhren. Was für eine Begegnung! Und übrigens, liebe spanische Polizei: Kevin kann immer noch kein Spanisch, verhaftet ihn! 😉

Viele Pilgernde auf dem portugiesischen Jakobsweg haben ihren letzten Halt vor Santiago in Padrón. Der nächste Ort, Iria Flavia, war jedoch nur einen Kilometer von Padron entfernt und da die letzte Etappe nach Santiago noch einmal gut über 20km sein sollte und es in Iria Flavia ein recht günstiges 3-Sterne Hotel gab, wollten wir uns nach der letzten Nacht neben den lauten und laut schnarchenden Spaniern mal wieder etwas gönnen. Das Hotel wirkte alt aber sehr schick. Obwohl sie anscheinend auf pilgernde ausgelegt waren (wir haben dieses Hotel über eine Jakobsweg-App gefunden), kamen wir uns mit unseren schmutzigen Wandersachen etwas fehl am Platz vor. Nachdem wir uns also in unserem Zimmer kurz frisch gemacht hatten und umgezogen hatten, erkundeten wir das Hotel ein wenig und blieben im Hotel-Café hängen, wo ich einen Kaffee trank und Kevin ein Eis aß. Auch hier holten uns die Geschehnisse des Tages wieder ein. Auf sämtlichen Fernsehern liefen die Nachrichten und während wir uns hier in Spanien auf dem Jakobsweg kurz vor Santiago de Compostela befanden, schauten wir uns um Fernsehen Krieg in Europa an. Das war ein merkwürdiges Gefühl. Am Abend telefonierten wir mit Freunden in Deutschland und es half tatsächlich ein wenig über alles zu reden.

Das Hotel verfügte auch über einen Aufenthaltsraum in dem verschiedene Spielgeräte wie virtuelles Darts oder ein Kicker standen. Besonders angetan hatte es uns das Air Hockey, was gerade repariert wurde und was wir direkt nach der Reparatur direkt mehrfach spielten. Auch wenn es teuer war gingen wir am Abends zwecks einem Mangel an Alternativen in das Hotelrestaurant. Dort gab es bereits ein sehr reges Treiben, da im Gegensatz zu den anderen Unterkünften sehr viele Gäste vor Ort lagen. Das lag daran, dass es hier irgendeine große Radsport-Tagung gab. Der Oberkellner behielt gekonnt nobel die Haltung während er gekonnt Gäste an ihre Tische brachte und das restliche Personal anwies, welches mit der Situation absolut überfordert war. Immer wieder wurde man vergessen, Gäste bekamen falsche Bestellungen, oder gar keine und mittendrin koordinierte der Oberkellner, immer noch die Haltung bewahrend, ein Problem nach dem anderen. Wer das Spiel Overcooked kennt, weiß wie es hier aussah. Auf den Tischen lag neben Besteck und Tellern auch jeweils ein Brötchen pro Gast. Während wir also eine gefühlte Ewigkeit auf unsere Bestellung warteten, aßen wir, wie die anderen Gäste auch, unsere Brötchen, was ein Fehler war, denn die wurden tatsächlich extra berechnet. Und das in Spanien, wo einem dies und sogar noch viel bessere Sachen in Form von Tapas überall kostenlos hinterher geschmissen werden. Zusätzlich zu den ca. 20€ pro Gericht (und da hatten wir noch die günstigeren Sachen) war das schon eine Frechheit. Immerhin war das Essen trotzdem recht lecker. Ich hatte Fisch auf Blumenhohlpüree und Kevin hatte gegrillte Fleischmedaillons mit Pommes und Gemüse. Zumindest sollten wir vor unserer letzten Etappe nach Santiago noch einmal eine erholsame Nacht haben… Als ob! Im Gegensatz zu den Wänden in diesem 3-Sterne Hotel waren die Wände gestern aus Beton. Diesmal hörte es sich so an als wären die schnarchenden Nachbarn direkt im Raum. Dafür hätten wir eigentlich auch gleich in eine billige Herberge in Padrón gehen können.

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