Reisen

Jakobsweg (2022)

Etappe 7: Tui – Mos

Vielleicht lag es daran, dass wir mittlerweile ein gutes Stück weiter nördlich waren als zu Beginn dieser Reise, aber als wir früh morgens losgingen war es wirklich sehr kalt draußen. Meine Hände froren so sehr, dass ich die Wanderstöcke nicht richtig halten konnte und schließlich wegpackte und ohne weiter ging. Kevin tat es mir gleich. Auch heute sollte sich ein Unterschied zu Portugal bemerkbar machen. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort zum Frühstücken mussten wir feststellen, dass so ziemlich alles zu hatte, da es Sonntag war. Nach einiger Zeit konnten wir vom weiten eine Bar erkennen und klammerten all unsere Hoffnung auf ein Frühstück daran. Eine Frau kam uns entgegen und deutete unsere hungrigen Blicke genau richtig. Sie kam auf uns zu und erklärte, dass die Bar ebenfalls geschlossen sei. Es gäbe nur eine Bäckerei im Ort, die sonntags geöffnet sei, aber sie könne uns hin führen. Und so machten wir uns gemeinsam auf den Weg zur ca. 15min Fußweg entfernten Bäckerei. Ich war so froh endlich wieder mit Einheimischen sprechen zu können und die Frau war ebenfalls sehr gesprächig, weswegen wir uns den ganzen Weg über unterhielten, während Kevin hinter uns her dackelte. Die Frau hatte viele Fragen zum Jakobsweg und auch zu Deutschland. Im Gegenzug erzählte sie, dass sie häufig zum Einkaufen nach Portugal fuhr, da es dort günstiger sei als in Spanien. Zudem beschwerte sie sich darüber, dass hier Sonntags alles zu sei und man noch nicht einmal ohne größeren Fußweg Brötchen holen gehen konnte. Ich erklärte ihr, dass in Deutschland sonntags das Meiste ebenfalls zu sei. Und so kamen wir irgendwann bei der Bäckerei an. Wir bedankten uns noch einmal bei der freundlichen Frau und verabschiedeten uns bevor wir endlich unser lang ersehntes Frühstück bestellen konnten.

Wieder auf dem Weg zeigten uns Schilder eine alternative Route an. Fragend betrachteten wir die Streckenverläufe. Der eigentliche Jakobsweg verlief eine ganze Weile sehr strikt geradeaus, während die alternative Route sich mehr schlängelte und auch länger war. Geradeaus klang erstmal nicht wirklich besorgniserregend, also kamen wir zu dem Schluss auf dem eigentlichen Weg zu bleiben. Im Nachhinein hätten wir doch eher die alternative Route nehmen sollen. Die gerade Strecke entpuppte sich als eine 2,36km lange, kerzengerade Straße quer durch ein Industriegebiet. Einmal mehr waren wir froh diese Strecke nicht im Sommer zu laufen, denn ein Entkommen vor der Sonne gibt es hier definitiv nicht. Abgesehen von einer Bank, einem leeren Keksautomaten und einem Getränkeautomaten der so lange nicht gewartet wurde, dass man das ausgeblichene Coca Cola Logo auf den Dosen kaum noch erkennen konnte, gab es auf der gesamten Strecke rein gar nichts außer Asphalt und Industriehallen, weswegen einem die Strecke um ein vielfaches länger vorkam als sie ohnehin schon war.

Kurze Zeit später erreichten wir O Porriño. Wir schauten uns ein wenig die Stadt an und kamen zu dem Schluss, dass sie doch eher durchschnittlich sei. Außerdem sind wir gerade einmal 16km gelaufen, also gab es noch Reserven für den weiteren Weg. Immerhin trafen wir in der Stadt einen weiteren Pilger aus Deutschland, namens Ralph. Er sprang einem sofort ins Auge, da er das Pilgern perfektioniert hatte. Anstatt sich den schweren Wanderrucksack auf den Rücken zu schnallen, schob er einen Karren hinter sich her, den er in einer Eigenkonstruktion um die Hüften gebunden hatte. Es ähnelte etwas einem Pferdekarren und wirkte doch sehr komfortabel, zumal er somit deutlich mehr Gewicht mit sich tragen konnte. Ralph wollte nach Mos laufen, wo es eine staatliche Pilgerherberge geben sollte. Die Herberge hatte ich bereits in meiner App gesehen, jedoch war sie wirklich schlecht bewertet, sodass ich vor allem nach unseren Erfahrungen in Ponte de Lima auf keinen Fall dort übernachten wollte. Viele Alternativen gab es nicht, außer einer Herberge in Veigadaña, 2km vor Mos, die wiederum recht gut bewertet war. Und so verabschiedeten wir uns wieder von Ralph und setzten unseren Weg nach Veigadaña fort.

Kurz hinter O Porriño gab es dann noch einen merkwürdigen Streckenabschnitt, welcher uns um eine Brücke führen sollte statt einfach unter ihr durch zu gehen, obwohl dort ebenfalls ein Fußweg war. Schließlich näherten wir uns Veigadaña. Nach diesem doch recht ereignisreichem Tag sehnte ich mir nach ein wenig Ruhe und nach einer heißen Dusche. Nichts davon sollte eintreten: Die Herberge in Veigadaña war zu. Nach einem kleinen Nervenzusammenbruch meinerseits blieb uns nichts weiteres übrig als nach Mos weiter zu laufen und ebenfalls in der Herberge dort einzuchecken. Tatsächlich machte die Herberge zunächst einmal keinen so schlechten Eindruck wie zunächst erwartet. Es gab sogar warmes Wasser! Vor Ort waren schon einige Leute da. So trafen wir nicht nur Ralph wieder, sondern auch Li. In der Herberge gab es freie Bettenwahl, es gab jedoch mehrere Räume mit Etagenbetten und Kevin und ich konnten erneut einen Raum für uns ergattern. Kurz nach uns kam eine organisierte Wandergruppe an, welche wir schon unterwegs gesehen hatten. Sie waren mit einem Wanderführer unterwegs und eine Drohne filmte sie, damit die Reiseorganisation den Leuten danach wahrscheinlich das Videomaterial überteuert als einmaliges Andenken andrehen konnte. Das Problem an der Sache war, dass die Kapazitäten aufgrund der Hygieneauflagen sehr begrenzt waren. So waren einige Betten Corona-bedingt gesperrt, sodass es nicht genug Kapazitäten für die gesamte Gruppe gab. Einige beschlossen 6 Kilometer weiter nach Saxamonde zu laufen, wo es die nächste Herberge geben sollte, aber da es bereits 16:00 Uhr war, organisierten sich einige auch ein Taxi und fuhren zurück nach O Porriño. In dem Sinne hatten wir noch Glück im Unglück, dass wir überhaupt einen Platz in der Herberge ergattern konnten.

Neben der Herberge befand sich ein kleiner Park und ein Restaurant, welches als einzige Mahlzeit noch billige Fertiglasagne hatte, aber da wir beide komplett ausgehungert waren schaufelten wir die Lasagne dennoch in uns rein. Dabei hatten wir uns zu Li gesellt, der gerade ein Bier trank und die dazu gehörigen Tapas in Form von gesalzenen Erdnüssen aß. Entweder er hatte die Fertiglasagne schon gegessen, oder er hatte sich gar nicht erst da dran getraut. Wirklich satt machte die kleine Fertiglasagne nicht, aber eine zweite Portion wollten wir uns wirklich nicht antun. Im Restaurant selber war aber noch ein Automat, der Nüsse und andere Snacks in Dosen verkaufte, sodass wir uns unseren Nachtisch aus diesem Automaten zogen, auch wenn die Preise selbstverständlich unverschämt waren.

In der Nacht sollte es dann doch noch ein Problem mit der Wahl unserer Herberge geben. Wie bereits erwähnt, waren die Nächte hier doch um einiges kälter als zu Beginn der Reise. Natürlich verfügte die Herberge über keine Heizung. Ich friere generell sehr schnell und im Gegensatz zu Kevin, der einen größeren und wärmeren Schlafsack dabei hatte als ich, hatte ich nur einen ultraleicht-Schlafsack. Das hatte den Vorteil, dass ich weniger zu tragen hatte, allerdings war der Schlafsack nicht sonderlich dick. Ich zog mir sämtliche Kleidung inklusive mehrerer Paar Socken und all meiner Jacken an und kletterte in den Schlafsack um dann dennoch zitternd in der Nacht aufzuwachen. Versuchte ich dann weiter zu schlafen, hinderte mich das Schnarchen der anderen Pilger (ich war die einzige Frau in der gesamten Herberge) daran, welches man durch zwei verschlossene Türen hindurch noch hören konnte. Schlief ich dann doch wieder ein, wurde ich kurze Zeit darauf wieder zitternd wach und das Schauspiel begann von vorne. So ging es die ganze Nacht durch bis zum nächsten Morgen.

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