Reisen

Skandinavien (2021): Von Thüringen zum Nordkap und zurück

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Oslo – Tolle Museen und ein fürchterlicher Campingplatz

Von Aalborg ging es in das eine Viertelstunde Autofahrt entfernte Hirtshals von wo aus unsere Fähre ging. Da die Strecke selbstverständlich wieder frei war von irgendwelchen Staus, welche wir aber sicherheitshalber mit eingeplant hatten, waren wir fast 2 Stunden zu früh da. Norwegen hat verglichen zu den meisten anderen europäischen Ländern sehr strenge Regeln was die Einreise zu Zeiten der Pandemie angeht. So waren die Grenzen für Touristen lange Zeit komplett zu und wurden kürzlich erst wieder geöffnet. Schon beim Check-In am Fährterminal wurden somit bereits unsere Impfzertifikate überprüft und im Gegensatz zur Einreise nach Dänemark sogar gescannt. Auf dem Parkplatz im Wartebereich vertraten wir uns ein wenig die Füße oder beobachteten die zahlreichen Leute die vor der Überfahrt noch einmal ihre Hunde ausführten (und leider machten nicht alle die Hinterlassenschaften wieder weg…). Den Großteil der Zeit langweilten wir uns allerdings, weil es nicht wirklich etwas zu tun gab. Schließlich fuhr unsere Fähre, welche den tollen Namen Super Speed 2 (Die Super Speed 1 war direkt daneben) in den Hafen ein und kurz darauf konnten wir auch schon auf das Schiff. Als wir schließlich bei der Abfahrt an der Reling standen, winkten wir Dänemark zu, auf dass wir in ein paar Wochen wieder hier sein würden.

Die Überfahrt mit der Fähre dauerte ungefähr 4 Stunden. An Board gab es ein paar Geschäfte, darunter auch einen Kleidungsladen, wo ich mir in weiser Vorsehung, dass es im hohen Norden doch kälter werden könnte als geplant, einen dicken Pullover kaufte. Kevin kaufte sich ein paar Knabbereien im Lebensmittelladen und setzte sich in eine Ecke mit Steckdosen während ich mir den Großteil der Reise die Beine vertrat indem ich von Deck zu Deck spazierte. Als mir das irgendwann zu monoton wurde, gesellte ich mich zu ihm und wir spielten ein paar Runden Uno (von denen ich die meisten gewann 😉 ). Gegen Ende wurde es noch einmal spannend, da es auf einmal eine Durchsage gab, dass sich alle drinnen aufhalten sollten, da die norwegische Anti-Terror Einheit auf der Fähre eine Übung haben sollte. Von den Fenstern aus konnten wir beobachten, wie hierfür ein schwarzer Helikopter unsere Fähre umkreiste und schließlich darauf landete. Als das Ganze vorbei war, waren wir mittlerweile schon so gut wie am Ziel. Wir begaben uns runter in den Wagen und die Fähre dockte an. Erneut wurden nun bei der Einreise unsere Impfzertifikate gescannt. Alle, die kein solches Zertifikat hatten, mussten in eine andere Spur wechseln und für 14 Tage in Quarantäne. Wir aber konnten durchfahren und steuerten direkt auf Oslo zu, welches knapp 2 Stunden Autofahrt von Larvik, wo der Hafen war, entfernt war.

In Oslo hatten wir keine wirkliche Auswahl was Campingplätze angeht. Genau genommen gab es nur einen Campingplatz, der viel mehr ein Wohnwagenstellplatz am Hafen von Sjølyst war. Eigentlich begrüßte uns an der Einfahrt bereits an ranziges Schild auf das jemand mit wenig Liebe die Information drauf geschmiert hatte, dass der Platz schon voll sei. Wir ignorierten das Schild jedoch und fuhren trotzdem drauf, denn eine Alternative gab es, wie gesagt, nicht. Wie sich herausstellte was der Campingplatz auch alles andere als voll. Wahrscheinlich hatte jemand, vielleicht sogar bewusst, das Schild vergessen weg zu tun. Uns begrüßte ein sehr unmotivierter Jugendlicher, der hier wohl seinen Ferienjob hatte. Er erklärte uns wo wir den Wagen abstellen konnten und dass wir am Automaten eine Art Parkschein ziehen sollten. Eigentlich sollte es auch W-Lan geben, das Passwort stand auf dem Parkschein, jedoch fanden wir mit unseren Smartphones einfach kein Netzwerk. Als ich noch einmal zu dem Jugendlichen zurück ging um nachzufragen, hieß es nur, dass das W-Lan kaputt sei und er keine Ahnung hätte wann es repariert werden würde. Das war ärgerlich, aber ändern konnten wir daran nun auch nichts. Nachdem wir uns kurz etwas eingerichtet hatten, suchten wir den nächsten Supermarkt auf, der zum Glück ganz in der Nähe war und stellten fest, dass Norwegen noch einmal ein gutes Stück teurer war als Dänemark. Zurück auf dem Campingplatz nutzten wir nun zum ersten Mal unseren im Wagen mit verfügbaren Gaskocher und ich kochte uns Tomatensuppe. Anschließend kam die nächste Herausforderung: Die Sanitäranlagen. Dabei handelte es sich um zwei Container mit Toiletten. Ein weiterer Container in dem sich Duschen befinden sollten, war abgeschlossen und wir waren nicht die einzigen, die fragend vor den verriegelten Türen standen und immer wieder dran rüttelten. Eigentlich sollte der Empfang zu der Zeit noch besetzt sein, aber offenbar hatte der unmotivierte Jugendliche entschieden heute einfach mal früher Feierabend zu machen. Erst später fand ich dank der Hilfe einer Spanierin, die die Sanitäranlagen genau so ernüchternd fand wie wir, eine zweite Tür in einem der Container hinter der sich doch tatsächlich eine funktionierende Dusche befand. Das Problem war: Es war eine einzige Dusche für den gesamten Campingplatz, die auch schon wirklich lange nicht mehr gereinigt wurde… Ich beugte mich nur ein wenig drüber, um mir zumindest die Haare zu waschen und als ich endlich wieder an der frischen Luft war beschloss ich diese Dusche nie wieder zu betreten. Abgeschreckt von meinen Erzählungen ließ Kevin das Duschen hier direkt bleiben, was angesichts der Tatsachen wahrscheinlich die hygienischere Entscheidung war. Da zumindest das Wetter wirklich gut war, spazierten wir am Abend noch etwas über das Hafengelände. Der Hafen an sich war leider etwas herunter gekommen, aber dennoch gab es ein paar schöne Ecken, wie zum Beispiel einen großen Steg von dem aus man gen Abendhimmel blicken konnte. Und so ließen wir den Tag mit etwas gemischten Gefühlen ausklingen.

Norsk Folkemuseum und Kon Tiki

Wie schon in Aalborg, machte ich mich auch früh morgens in Oslo wieder auf um Frühstück zu holen. Besonders Kevin fand das norwegische Wort für Brotbäcker “Brødbakerne” recht lustig und wiederholte es für den Rest des Tages immer wieder. Nach dem Frühstück liehen wir uns wieder Fahrräder bei einem lokalen Anbieter und fuhren zum Norsk Folkemuseum. Dabei handelt es sich um ein Freilichtmuseum und es ist wirklich großartig. Eigentlich ist es fast ein bisschen wie viele kleine Museen an einem Ort. Wir starteten mit einer Sonderausstellung in einem der großen Gebäude am Eingang zum Leben der reichen Elite Norwegens in den letzten Jahrhunderten.

Wieder draußen ging es zum eigentlichen Freilichtmuseum mit zahlreichen typischen Holzhäusern. Das Besondere war, wie man diesen Ort mit Leben gefüllt hat: Überall liefen Leute, Erwachsene wie auch Kinder, in traditionellen Kleidern herum oder aber saßen in den Häusern und strickten, machten die Wäsche oder vollzogen sonstige Alltagsaktivitäten. Man hatte wirklich das Gefühl sich auf eine Zeitreise zu begeben und die Leute von damals wirklich zu treffen. Dabei waren alle wirklich sehr freundlich und niemand drängte sich irgendwie auf. Wenn man eine Frage hatte ging man zum Beispiel einfach zu einer Dame, die gerade dabei war Wäsche im Garten aufzuhängen, und fragte nach. An einigen Stellen im Museeum wurden bestimmte Tätigkeiten wie zum Beispiel eine Feierlichtkeit nachgestellt und die Leute tanzten traditionelle Tänze begleitet von Musikern. Was mich ganz besonders beeindruckt hat war die Offenheit der Leute in Norwegen. Natürlich ist auch hier nicht alles perfekt, aber während in Dänemark das Thema Rassismus leider mal mehr und mal weniger präsent ist, hatte man in Norwegen das Gefühl, dass die Gesellschaft deutlich aufgeschlossener ist. Dies merkte man daran, dass im Park immer wieder Schilder waren, die einen über bestimmte Angebote wie Führungen oder Märchenstunden für Kinder informierten. Das Interessante daran war, dass diese Angebote in 5 Sprachen angeboten wurden. Zum einen natürlich auf Norwegisch und Englisch, das war klar, aber zum anderen auf Polnisch, in Urdu und in Gebärdensprache. Vor allem Polnisch und Urdu überraschte uns sehr. Wie es der Zufall so wollte, trafen wir in einem der Gebäude die Dame, die die polnischen Führungen leitete. Ihr Name war Magdalena und sie ist vor einigen Jahren von Polen nach Norwegen gezogen. Sie bestätigte unsere Vermutung, dass Norwegen ein sehr offenherziges Land ist. Mit einer Dichte von gerade einmal 14 Einwohnern pro km² (zum Vergleich: In Deutschland sind es 232 Einwohner pro km²) ist in Norwegen quasi Platz für alle. Vor allem Menschen aus Polen scheinen sich dies zu Nutzen zu machen. Sie stellen die größte Gruppe an Einwanderern dar, weswegen es sich für das Museum lohnt ihre Angebote auch in polnischer Sprache anzubieten. Tatsächlich sollten wir auf unserer Reise durch Norwegen immer wieder auf Menschen aus Polen treffen. Im Gegensatz zu Deutschland, wo viele Polen eher als Saisonarbeiter auf Feldern, in Fleischfabriken oder in Lagern von großen Onlinehändlern zu menschenunwürdigen Bedingungen ausgenutzt werden und in der Gesellschaft kaum Beachtung finden, sind die Norweger*innen sehr gut auf die polnischen Einwander*innen zu sprechen. Sie gelten als besonders fleißig und zuverlässig und das Miteinander funktioniert für beide Seiten sehr gut.

Schließlich verabschiedeten wir uns wieder von Magdalena und machten uns auf das Museum weiter zu erkunden. So passierten wir unzählige weitere kleine Holzhäuser und mancherorts gab es sogar Schafe, Schweine, Hühner und Kühe. Aus dem Kamin von einer der vielen Hütten stieg Rauch auf und als wir uns näherten sahen wir, dass es sich um einer Bäckerei handelte, die Lefse verkaufte. Wir ließen uns aufklären, dass es sich dabei um leicht gesüßte Teigfladen handelte, die dort frisch über dem Feuer gebacken wurden und die man mit gesalzener Butter bestrichen noch warm essen konnte. Natürlich probierten wir direkt welche. Dies war unser erstes typisch norwegisches Essen. Selbstverständlich waren die Lefse so frisch aus dem Ofen echt lecker. Mittlerweile waren einige Stunden vergangen und gerade als wir dachten wir hätten das Museum nun einmal komplett abgelaufen, erblickten wir gegen Ende noch ein weiteres Areal: Es gab hier einen kompletten nachgebauten Stadtteil aus dem letzten Jahrhundert. Neben alten Läden gab es mehrstöckige Wohnhäuser die komplett begehbar waren und in denen jede Wohnung eine neue Besonderheit aufwies. So war eine Wohnung zum Beispiel komplett im Stil der 80er Jahre eingerichtet während die Wohnung daneben aus der gleichen Zeit war aber zeigte wie eine typische pakistanische Einwandererfamilie zu der Zeit in Oslo lebte. So verbrachten wir erneut einiges an Zeit, um die Gebäude Wohnung für Wohnung zu begutachten. Als wir diesen Teil des Museum schließlich auch komplett besichtigt hatten, fehlte nur noch ein Teil: Ein Gebäude mit christlicher Kunst. Da die Zeit aber mittlerweile schon wirklich fortgeschritten war entschieden wir uns dieses Gebäude auszulassen, denn das Norsk Folkemuseum sollte nicht unser einziges Ziel für heute sein.

Ein paar Minuten Fußweg vom Folkemuseum entfernt befand sich ein weiteres Museum, welches ich unbedingt noch besichtigen wollte, nämlich das Kon Tiki Museum. Ich habe den Film sowie das Buch zu dieser spannenden Geschichte verschlungen und wollte mir die Gelegenheit auf dieses Museum nicht entgehen lassen. 1947 segelte der Norweger Thor Heyerdahl zusammen mit einer kleinen Crew an Leuten auf einem Floß aus Balsaholz, der Kon Tiki, von Lima über den Pazifik bis nach Polynesien. Dadurch wollte er seine These belegen, dass Polynesien von Südamerika aus besiedelt wurde. Dieses waghalsige Experiment gelang ihm tatsächlich und nach 101 Tagen auf See kam die Mannschaft an ihrem Ziel an. Im Kon Tiki Museum konnte man die echte Kon Tiki begutachten und die gesamte Geschichte noch einmal Revue passieren lassen. Zusätzlich gab es aber noch viele Informationen zu Heyerdahls weiterer Forschung und nachfolgenden Projekten. So startete er später eine weitere Expedition mit einem Papyrusboot, der Ra II (die Ra I ist leider gesunken). Auch die Ra II befand sich in diesem Museum. Es gab auch noch ein weiteres Papyrusboot, die Tigris, welche aber aus Protest gegen den Krieg vor Dschibuti im Jahre 1977 von Heyerdahl angezündet wurde. Auch das Kon Tiki Museum ist definitiv einen Besuch wert: Wer die Geschichte rund um dieses Floß kennt, wird sich freuen das Original sehen zu können und wer die Geschichte noch nicht kennt, lernt hier einiges Neues zu einer unglaublichen Reise. Ein paar Tage später haben wir dann auch auf dem Laptop und über den Zugang der Universitätsbibliothek uns den Film Kon-Tiki von 2012 angeschaut.

Nach zwei hervorragenden Museen waren wir schon sichtlich ermüdet, dennoch wollten wir es uns nicht entgehen lassen noch einmal mit dem Fahrrad zum Stadtzentrum von Oslo zu fahren. Tatsächlich war das aber etwas ernüchternd. Die Innenstadt war zwar keineswegs hässlich, aber besonders leider auch nicht. Wie für eine Großstadt üblich waren überall Menschen (und E-Scooter). Wir liefen hoch zur Festung Akershus um uns einen Überblick über den Hafen zu verschaffen bevor wir tiefer in den Stadtkern vordrangen. Ein kleines Highlight war hier noch ein besonders großes Nerdladen, den wir gemeinsam erkundeten. Schließlich waren die Beine so müde, dass wir statt mit dem Fahrrad mit dem Bus zum Campingplatz zurück fuhren. Wir kauften noch einmal ein, ich zauberte uns schnell auf dem Gasherd eine One-Pot Pasta und wir unternahmen einen letzten Spaziergang über den traurigen Hafen von Sjølyst.

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