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Skandinavien (2021): Von Thüringen zum Nordkap und zurück

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Nordkap, wir kommen!

JesusIsKing1

Von Tromsø aus sind es noch über 9 Stunden Autofahrt bis zum Nordkap. Da uns das etwas zu viel war, sind wir stattdessen “nur” 7 Stunden bis nach Repparfjord gefahren. Dies hatte den Nachteil, dass wir nicht wirklich eine Wahl hatten was unsere nächste Unterkunft anging. So landeten wir auf einem christlichen Campingplatz und Missionscenter irgendwo im nirgendwo neben der Schnellstraße. Wir stiegen aus dem Auto und gingen in Richtung Rezeption. Gerade als wir die Tür des Gebäudes öffnen wollten, ging sie auch schon auf und eine ganze Reihe Sami in traditioneller festlicher Kleidung trat heraus. Im Gebäude selber befand sich noch einmal mindestens die doppelte Anzahl an Menschen. Später stellte sich heraus, dass dort an dem Tag eine Taufe gefeiert wurde. An der Rezeption trafen wir dann eine der wenigen Personen in Norwegen, die offenbar kein Englisch konnten. Es reichte jedoch um ein Zimmer zu bekommen (die Zimmer waren verhältnismäßig günstig und die Temperaturen waren auch recht frisch). Unser Zimmer war recht schlicht, aber gemütlich. Selbstverständlich lagen Bibeln auf den Nachtschränkchen. Zudem gab es einen Gemeinschaftsraum mit mehreren Bildern von Jesus, Bibeln und einem nicht funktionierendem Router auf dem das Passwort “JesusIsKing1” vermerkt war. Das Highlight des Camps war ein malerischer Wasserfall direkt dahinter, den wir, nachdem wir uns einigermaßen eingerichtet hatten, besuchten. Nach den obligatorischen Fotos beschloss ich eine Runde laufen zu gehen, während Kevin es sich mit einem Buch in der Hand im Gemeinschaftsraum umgeben von Jesus gemütlich machte.

Wie immer, bereiteten wir uns unser Abendessen selbst zu. Während ich uns also eine gesunde Suppe zubereitete, traf ich in der Küche auf einen Spanier, der sich bereits auf dem Rückweg befand. Er ist von Helsinki aus über Finnland zum Nordkap gefahren und wollte nun über Norwegen wieder zurück. Das Besondere daran war, dass er die gesamte Strecke mit dem Fahrrad absolviert hatte. So hatten Kevin und ich natürlich viele Fragen an ihn, nicht nur darüber wie es am Nordkap so ist, sondern vor allem auch wie es ist die ganze Strecke zu radeln. Er beantwortete geduldig all unsere Fragen und schließlich wünschte man sich einen guten Appetit und verabschiedete sich.

Nordkap

Am nächsten Tag war es so weit. Nach fast 4000 km sollten wir heute an unserem Ziel ankommen: Nordkap, der nördlichste vom Festland aus auf dem Straßenweg erreichbare Punkt Europas. Ich stattete dem Wasserfall hinter dem Camp noch einen letzten Besuch ab, wobei ich hinauf kletterte und sogar noch einen zweiten Wasserfall entdeckte, und dann ging es auch schon ins Auto und wir fuhren los. Zunächst war das Wetter uns noch nicht positiv gestimmt, doch nach kurzer Zeit lichteten sich die Wolken. Die Landschaft war bergig, hatte jedoch kaum noch Bäume und immer wieder sahen wir nun Rentiere am Straßenrand und zum Teil auch auf der Straße. Kurz vor unserem Ziel passierten wir noch einen nahezu endlos wirkenden Tunnel und dann waren wir auch schon da. Das Nordkap als solches ist frei zugänglich, allerdings befindet sich davor eine Halle mit Informationen und Ausstellungen für die man Eintritt zahlen muss. Auch wenn es touristisch war, wo wir schonmal die 4000 km auf uns genommen haben, zahlten wir natürlich auch den Eintritt. Die Halle war größer als erwartet, da vieles unterirdisch war. So gab es ein kleines Kino, eine Kapelle, ein Raum mit einer Art Lichtinstallation und ein Museum zur Geschichte des Nordkaps. Das Herzstück der Halle war ein Stein auf dem ein thailändischer König sich einst verewigt hatte. Ihm war auch ein ganzer Raum der Ausstellung gewidmet.

Das Wahrzeichen des Nordkaps befindet sich allerdings nicht in der Halle, sondern draußen in dem frei zugänglichen Areal: Ein großer Metall-Globus, an dem natürlicher jeder (uns mit eingeschlossen) seine obligatorischen Fotos machte. Zusätzlich gab es aber auch noch andere Attraktionen auf dem Außengelände, wie 7 Medaillen, die Kinder aus aller Welt im Zeichen des Friedens gestaltet haben. Das Nordkap als solches mag etwas ernüchternd erscheinen: Viele Touristen, die sich alle ein Stück Land mit viel Wasser drumherum anschauen. Jedoch ist die Faszination daran wohl die Tatsache, wo man sich da gerade auf der Landkarte aufhält.

Eine weitere kleine Attraktion in unmittelbarer Umgebung zum Nordkap, welche uns Øystein aus Tromsø empfohlen hatte, war Kirkepoten. Das ist ein natürlicher Gesteinstorbogen durch den man das Plateau des Nordkaps bewundern kann. Zwar war das in der Tat ein interessanter Aussichtspunkt, jedoch hatten wir die Rechnung ohne die anderen Besucher dieses Orts gemacht: Deutsche Touristen! Ein älteres Ehepaar wollte gemeinsam mit einer Familie mit zwei pubertären Kindern die besten Fotos des Tages für ihr Urlaubsalbum schießen. Ganz nach ur-Deutscher “ich-leg-schonmal-mein-Handtuch-drauf-Manier”, stellte sich die ältere Dame in die Mitte des Torbogens, während ihr Mann mehrere Minuten zu einer anliegenden Klippe ging, um von da aus zu fotografieren. Nicht nur, dass man in der Zeit, die der Herr brauchte, um zum Fotopunkt zu gelangen, locker selber seine Fotos hätte machen können und fertig wäre, die Dame war auch durchweg unzufrieden und schrie ihrem Mann auf der Klippe Anweisungen zu, wie er sich hinstellen sollte. Jedes Mal machte er etwas falsch und jedes Mal wurde er mit dem Gebrüll seiner Frau gestraft. Nach einer gefühlten Ewigkeit verließ die Dame endlich den Torbogen, den sie konstant komplett für sich reservierte, und die Familie war dran. Fotos mit zwei pubertären Kindern zu schießen entpuppte sich dabei erneut als Herausforderung. Und so waren es nun die Kinder, die ständig unzufrieden waren. Nach einer weiteren Ewigkeit konnte ich auch endlich ein schnelles Foto machen, bevor ich zu Kevin zurück kehrte. Kevin beobachtete das Schauspiel von weiter weg, da ihm der steile Abstieg kurz vor Kirkepoten nicht geheuer war.

Trollholmen

Das Nordkap war natürlich, auch wenn wir außerhalb der Hauptsaison da waren, ein Touristenmagnet. Dies wurde uns schmerzlich bewusst, als wir feststellen mussten, dass alle Campingplätze in der Nähe ausgebucht waren. Manchmal weiß man aber nicht, dass das zuerst wahrgenommene Pech sich als richtiger Glücksgriff herausstellte. Ein Campingplatzbesitzer hatte Mitleid mit uns und so rief er einen Bekannten an, der eine freie Hütte ganz in der Nähe haben sollte in der wir übernachten konnten. Kurz darauf machten wir uns auf nach Trollholmen. (Anmerkung: Es gibt unweit vom Nordkap noch eine größere Insel, die ebenfalls Trollholmen heißt und eine mehr oder weniger verbreitete Touristenattraktion ist. Dies ist jedoch nicht “unser” Trollholmen.) Wir fuhren entsprechend der Beschreibung des Campingplatzbesitzers von der Hauptstraße ab und parkten unser Auto auf einem Schotterparkplatz vor einem langen Steg, der uns auf Trollholmen bringen sollte.

Trollholmen war eine kleine Insel (ich schätze mal so ca. 150 m²) mit genau einem Einwohner, Ole. Dieser erwartete uns bereits auf seiner Insel. Es fühlte sich an, wie im Film. In der Mitte der Insel befand sich ein Hügel und dahinter waren drei Gebäude, ein Schuppen, das Haus von Ole und die Hütte in der wir schlafen sollten. Obwohl wir gerade erst die Hauptstraße verlassen hatte, gab es auf der Insel natürlich kein Internet und auch sonst keinen richtigen mobilen Empfang. Aber wer brauchte das schon, immerhin waren wir auf einer paradiesischen kleinen Insel, die wir bis auf Ole für uns hatten. Was die Begegnung mit Ole noch surrealer machte war, dass, wie im Film, seine rechte Hand fehlte und er da stattdessen einen Haken hatte. Wie war das mit den unrealistisch naiven Leuten zu Beginn in den Horrorfilmen? Das wirklich unrealistische hier sind aber wohl eher die Filme, denn Ole mit der Hakenhand war tatsächlich sehr freundlich. Er zeigte uns die Hütte, die neben einem Etagenbett auch eine Sitzecke und eine Küche hatte, während sich, wenn man raus ging, am hinteren Teil der Hütte das Klo und sogar eine Sauna befanden, und lieh uns seine Schubkarre, sodass wir unser Gepäck aus dem Wagen über den Steg auf die Insel bringen konnten. Den Abend verbrachten wir dann mit Kochen, Postkarten schreiben und Karten spielen, während vor unseren Fenstern die Wellen im Takt gegen die Küste Trollholmens schlugen. Die Moral von der Geschichte ist wohl, dass aus etwas schlechtem auch immer etwas gutes kommen kann und dass man Hollywood nicht immer glauben sollte, denn Trollholmen war mit Abstand die schönste Unterkunft, die wir auf dieser Reise hatten.

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